Der Herr der Welt. Robert Hugh Benson
Jahrhunderts gilt.
Robert Hugh Benson erlag einem Herzinfarkt infolge einer Lungenentzündung.
Vorwort zur sechsten und siebenten Auflage
Durch die in den letzten Jahren anhaltende Teilnahme an »Herr der Welt« ist die erst kürzlich notwendig gewordene 4. und 5. Auflage erschöpft und bedingt deshalb nunmehr die 6. und 7. Auflage. Anfangs viel umstritten hat das Buch doch allmählich sich durchzusetzen gewusst, nachdem mehr und mehr das Verständnis dafür obsiegte, dass Benson nichts weiter im Auge hat, als zu zeigen, wie die in den Massen verkörperten Gedanken unserer Zeit sich unter bestimmten Voraussetzungen auswirken müssten, wenn die Entwicklung ohne besondere Behinderungen und Ablenkungen weiter sich vollzöge. Ihm schien die Entchristlichung der Welt in nicht allzu ferner Zeit mit Notwendigkeit Zustände herbeizuführen, die ihren natürlichen Abschluss mit dem von der Vorsehung bestimmten Ende der Zeiten finden würden. Die geistvolle Studie in Romanform, für die der Verfasser selbst seinerzeit mir gegenüber den Charakter einer politischen Prophezeiung ablehnte, ist ja durch die Weltentwicklung in mancher Hinsicht in besondere Beziehung zu den heutigen Ereignissen getreten.
Bensons Zukunftsgemälde hat nunmehr nach bald zehn Jahren im Pariser internationalen Freimaurerkongress vom Juni — Juli 1917 seine Bestätigung und nach dieser Seite hin auch seine theoretische Rechtfertigung gefunden. Das Programm der internationalen freimaurerischen Weltrepublik, die Beseitigung der Monarchien, die Aufrichtung der Gewaltherrschaft des Sozialismus in ganz Deutschland, der geplante Völkerbund auf einer jede Jenseitsreligion ausschließenden Grundlage, die zunehmende Knebelung und Mattsetzung des Papstes durch einen besonderen Vertrag, die Wilsonschen Ideen von maurerischer Weltverbrüderung, seine ganze dem christlichen Ideenkreise entnommene Phraseologie bei Unterdrückung ihres übernatürlichen Inhaltes, all dies müsste, so möchte man meinen, Benson zum Vorbilde gedient haben, wenn es nicht erst drei Jahre nach seinem Tode seine Festlegung und Erhebung zum Kriegsendziele erfahren hätte, zu dessen Durchführung durch diesen »letzten Krieg« die Vorbedingungen geschaffen werden sollen. Des Deutschen Kaiserreiches letzter Herrscher hat jüngst noch einem englischen Pressevertreter seine von Benson gewiss unabhängige Überzeugung ausgesprochen, Erregerin und Siegerin im Weltkriege sei die Freimaurerei und allein die katholische Kirche habe sich ihr gegenüber bisher zu behaupten vermocht.
So wächst das Buch mehr und mehr in die Wirklichkeit hinein und wird von Tag zu Tag mehr das, was man ›aktuell‹ nennt. Das beweist auch nicht zuletzt die wachsende Nachfrage unserer Zeit. Somit übergebe ich diese Doppelauflage der Öffentlichkeit; möge sie recht vielen neuen Lesern zum Genuss aber auch zur ernsten Gewissenserforschung werden.
Füssen im Januar 1923
H. M. von Lama
Einleitung
Im Jahre 1908 erschien in London ein Roman: »The Lord of the World«, dessen Autor, Robert Hugh Benson, in literarischen Kreisen schon seit geraumer Zeit einen nicht mehr gewöhnlichen Rang einnahm. Das Buch erregte sofort großes Aufsehen, was der Verfasser selbst vorausgesagt hatte, als er in der Vorrede schrieb:
»Ich bin vollständig davon überzeugt, dass dies ein außerordentlich sensationelles Werk ist und aus diesem Grunde sowohl, als auch nach anderen Richtungen hin, einer endlosen Kritik ausgesetzt sein wird. Aber ich wusste nicht, wie ich anders die Prinzipien, die ich darstellen wollte (und von deren Richtigkeit ich durch und durch überzeugt bin), zum Ausdruck hätte bringen können, als indem ich bei Darstellung ihres Entwicklungsganges die Form der Sensation wählte. Ich habe mich jedoch bemüht, nicht zu schrille Töne anzuschlagen und, soweit es mir möglich war, die Anschauungen anderer Leute mit Achtung und Schonung zu behandeln. Ob mir das gelungen, ist allerdings eine andere Frage.«
Ehe wir uns mit der literarischen Persönlichkeit Bensons näher befassen, mögen einige biografische Daten über diesen bedeutendsten katholischen Schriftsteller des heutigen England vorausgehen. Robert Hugh Benson wurde am 18. November 1871 zu Canterbury als der Sohn des 1896 verstorbenen anglikanischen Erzbischofs White Benson von Canterbury geboren. Bekanntlich bekleidet der Inhaber dieses Erzbischofssitzes, den im Mittelalter so große und glänzende Geister wie Dunstan, Lanfrank, Anselm, Thomas Becket und andere schmückten, die höchste Würde der anglikanischen Hierarchie, er ist »Primas von ganz England« und tritt in der Rangliste des Britischen Reiches unmittelbar nach den Mitgliedern des Königshauses. Der junge Benson genoss eine vortreffliche Erziehung. Nachdem er das berühmte Kolleg zu Eton in Buckingham, die Pflanzstätte so vieler in der Geschichte Englands unsterblich gewordener Männer, besucht hatte, widmete er sich in Cambridge dem Studium der Theologie. Hier, wo die Wiege des englischen Christentums stand, umrauschte ihn der Geist einer glänzenden Vergangenheit, hier goss das Mittelalter seinen vollen Zauber in das empfängliche Gemüt des Jünglings. Benson wurde nach Vollendung seiner Studien Vikar in Hackney Wick und in Kemsing. Er brachte eine nach Wissen und Wahrheit dürstende Seele mit in seinen Beruf. Glühend vor Eifer gab er sich der Seelsorgertätigkeit hin. Aber nur zu bald musste er sich gestehen, dass die auf anglikanischer, hochkirchlicher Seite betätigte allgemeine Auffassung des Priesteramts seinem Ideal nicht nachkam. In Benson regte sich das Gefühl der Unzufriedenheit, das ihn bewog, von seinem Amte zurückzutreten und sich einem Kreise seeleneifriger, gleichgesinnter Männer anzuschließen, die unter der Leitung eines Oberhauptes auf dem Gebiete der inneren Mission ihre Kräfte übten.
Widrige Gesundheitsverhältnisse nötigten Benson zu einer Erholungsreise nach Ägypten und dem Heiligen Lande. Da ereilte ihn in Jerusalem die Kunde, dass das Oberhaupt jener Missionsgenossenschaft zum Katholizismus übergetreten sei. Diese Nachricht löste eine schmerzliche Traurigkeit in Benson aus. Aber schon hatte die Gnade auch ihn berührt und seine Anschauung, als sei die anglikanische Kirche eine Schwester, ja ein Glied der katholischen, der er anzugehören meinte, wankend gemacht.
Bei seiner Rückkehr nach England fand er die Genossenschaft in Auflösung begriffen, nachdem noch mehr Mitglieder das Beispiel des Oberhauptes nachgeahmt hatten. In Benson erstarkte jetzt das Sehnen nach der Erneuerung