Der Herr der Welt. Robert Hugh Benson

Der Herr der Welt - Robert Hugh Benson


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sich regt, es kennt nun end­lich sei­ne ei­ge­ne Stär­ke.«

      Still­schwei­gen herrsch­te für ei­ni­ge Mo­men­te. Ein schwa­ches Zit­tern ging durch den Raum; eine der Rie­sen­lo­ko­mo­ti­ven pas­sier­te den über ih­nen ge­le­ge­nen brei­ten Bou­le­vard.

      »Pro­phe­zei­en Sie!« brach Per­cy das Schwei­gen. »Ich mei­ne, be­züg­lich der Re­li­gi­on.«

      Mr. Tem­ple­ton tat einen lan­gen Atem­zug aus sei­nem Ap­pa­rat; dann nahm er die Un­ter­hal­tung wie­der auf.

      »Kurz ge­sagt«, be­gann er, »wir ha­ben drei re­li­gi­öse Mäch­te — den Ka­tho­li­zis­mus, den Hu­ma­ni­ta­ris­mus und die Re­li­gio­nen des Os­tens. Was die Letz­te­ren be­trifft, kann ich nichts pro­phe­zei­en, wenn ich auch glau­be, dass schließ­lich die Su­fis Sie­ger blei­ben wer­den. Et­was wird ge­sche­hen; der Eso­te­ri­zis­mus — und da­mit der Pan­the­is­mus — schrei­tet mäch­tig vor­an; und die Ver­schmel­zung der chi­ne­si­schen mit der ja­pa­ni­schen Dy­nas­tie wirft alle un­se­re Be­rech­nun­gen über den Hau­fen. Aber, und dar­an ist kein Zwei­fel, in Eu­ro­pa und Ame­ri­ka voll­zieht sich der Kampf zwi­schen den bei­den an­de­ren. Wir kön­nen al­les Üb­ri­ge bei­sei­te­las­sen. Und, wenn Sie wün­schen, dass ich mei­ne Mei­nung sage, ich glau­be, dass, mensch­lich ge­spro­chen, der Ka­tho­li­zis­mus rasch zu­rück­ge­hen wird. Es ist voll­kom­men wahr, dass der Pro­tes­tan­tis­mus tot ist. Die Mensch­heit hat end­lich er­kannt, dass eine über­na­tür­li­che Re­li­gi­on eine ab­so­lu­te Au­to­ri­tät er­for­dert, und dass die Frei­heit in Glau­bens­fra­gen nichts an­de­res ist, als der Be­ginn der Zer­set­zung. Und eben­so wahr ist es, dass, nach­dem die ka­tho­li­sche Kir­che die ein­zi­ge In­sti­tu­ti­on ist, wel­che für sich über­na­tür­li­che Au­to­ri­tät mit all ih­ren er­bar­mungs­lo­sen Kon­se­quen­zen in An­spruch nimmt, sie al­lein die An­hän­ger­schaft so ziem­lich al­ler Chris­ten be­sitzt, die sich noch ir­gend einen über­na­tür­li­chen Glau­ben be­wahrt ha­ben. Es gibt wohl ei­ni­ge Bes­ser­wis­ser, be­son­ders in Ame­ri­ka und bei uns, aber sie kom­men nicht in Be­tracht. Das ist al­les ganz gut; aber and­rer­seits dür­fen Sie nicht ver­ges­sen, dass der Hu­ma­ni­ta­ris­mus ent­ge­gen den Er­war­tun­gen al­ler im Be­griff ist, selbst eine, wenn auch der über­na­tür­li­chen ent­ge­gen­ge­setz­te, Re­li­gi­on zu wer­den. Er ist nichts an­de­res, als Pan­the­is­mus; er schafft sich un­ter dem Deck­man­tel der Frei­mau­re­rei einen ei­ge­nen Ri­tus, er hat sein ei­ge­nes Cre­do: ›Gott ist der Men­sch‹, und so fort. Er bie­tet da­her re­li­gi­ösem For­schen in ge­wis­ser Be­zie­hung wirk­li­chen Stoff, er idea­li­siert, ohne da­bei ir­gend­wel­che An­for­de­run­gen an geis­ti­ge Fä­hig­keit zu stel­len. Dazu kommt, dass ihm alle Kir­chen und Ka­the­dra­len, die uns­ri­gen aus­ge­nom­men, zur Ver­fü­gung ste­hen, und dass man dort end­lich an­ge­fan­gen hat, dem Ge­füh­le Rech­nung zu tra­gen. Es ist ihm au­ßer­dem mög­lich, sei­ne Sym­bo­le zur Schau zu tra­gen, was wir nicht dür­fen. Ich glau­be, in spä­tes­tens zehn Jah­ren wird er ge­setz­lich an­er­kannt sein.

      Nun be­den­ken Sie, dass wir Ka­tho­li­ken be­reits ab­neh­men; seit mehr als fünf­zig Jah­ren ge­hen wir ste­tig zu­rück. Nach mei­ner Schät­zung ma­chen wir un­ge­fähr ein Vier­zigs­te! Ame­ri­kas aus, — und das ist das Re­sul­tat der ka­tho­li­schen Be­we­gung vom An­fang der zwan­zi­ger Jah­re. In Frank­reich und Spa­ni­en exis­tie­ren wir nicht mehr, ge­schwei­ge denn in Deutsch­land. Wir hal­ten al­ler­dings un­se­re Stel­lung im Os­ten, aber selbst da bil­den wir ein hal­b­es Pro­zent — die Sta­tis­ti­ken sa­gen es we­nigs­tens — und die­ses ist sehr ver­streut. In Ita­li­en. Es ist rich­tig, Rom ge­hört wie­der uns, das ist aber auch al­les; hier ha­ben wir das ge­sam­te Ir­land und un­ge­fähr einen Ka­tho­li­ken auf sech­zig Ein­woh­ner in Eng­land, Wa­les und Schott­land, aber wir hat­ten noch vor sieb­zig Jah­ren einen auf vier­zig. Dazu kom­men die enor­men Fort­schrit­te der Psy­cho­lo­gie, die seit min­des­tens ei­nem Jahr­hun­dert sich di­rekt ge­gen uns rich­ten. An­fangs, se­hen Sie, herrsch­te der rei­ne und nack­te Ma­te­ria­lis­mus, — die­ser ver­sag­te mehr oder we­ni­ger, — er war zu roh, — bis ihm die Psy­cho­lo­gie zu Hil­fe kam. Nun­mehr be­an­sprucht die Psy­cho­lo­gie das gan­ze üb­ri­ge Ge­biet, und der Sinn für Über­na­tür­li­ches scheint sich für jene zu er­klä­ren. So ste­hen die Din­ge. Nein, Fa­ther, wir neh­men ab; und wir wer­den wei­ter ab­neh­men, und ich glau­be, wir müs­sen je­den Mo­ment auf eine Ka­ta­stro­phe ge­fasst sein.«

      »Aber —«, be­gann Per­cy.

      »Sie hal­ten das für die Schwä­che ei­nes al­ten Man­nes, der am Ran­de des Gra­bes steht. Nun, es ist, wie ich den­ke. Ich sehe kei­ne Hoff­nung. In der Tat, es scheint mir so­gar, dass ge­ra­de jetzt et­was Uner­war­te­tes über uns her­ein­bre­chen wird. Nein, ich sehe kei­ne Hoff­nung, bis —«

      Per­cy blick­te rasch auf.

      »Bis un­ser Hei­land wie­der­kehrt«, sag­te der alte Staats­mann. —

      Fa­ther Fran­zis seufz­te aber­mals und Schwei­gen trat ein.

      »Und der Fall der Uni­ver­si­tä­ten?«, frag­te Per­cy nach ei­ner Wei­le.

      »Ja?«, sag­te Per­cy.

      »O, an Pa­thos fehl­te es am al­ler­we­nigs­ten. Die Hoch­schu­len von Cam­bridge und die Ko­lo­ni­al­aka­de­mie von Ox­ford wa­ren die letz­te Hoff­nung, und end­lich gin­gen auch die­se ein. Die al­ten Her­ren Pro­fes­so­ren, die ›D­ons‹, zo­gen mit ih­ren Bü­chern um­her, aber nie­mand frag­te mehr nach ih­nen, — sie wa­ren zu ein­sei­tig theo­re­tisch; ei­ni­ge lan­de­ten in Ar­men­häu­sern ers­ten oder zwei­ten Gra­des, um an­de­re nah­men sich mit­lei­di­ge Geist­li­che an, auch wur­de ein Ver­such ge­macht, sie ge­mein­sam in Dub­lin un­ter­zu­brin­gen, aber auch die­ser schei­ter­te, und bald hat­te man ih­rer ganz ver­ges­sen. Die Ge­bäu­lich­kei­ten wur­den, wie Ih­nen ja be­kannt, für alle mög­li­chen Zwe­cke ver­wen­det.


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