Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann
war ein Kreis von Männern versammelt, die ernst und schweigend auf ihren Fersen hockten und, wie es schien, einen bevorzugten Rang einnahmen, indem sie sich nicht an dem gemeinsamen Fest am Feuer beteiligten und auch besser gekleidet waren als die große Schar. Sie waren von sehr verschiedener Hautfarbe und Gesichtsbildung, so daß sie leicht als verschiedenen Stämmen angehörig zu erkennen waren. Einige waren braunrötlich, andere tiefschwarz, und sowohl die gebogene Nase des Kaffern wie die eingedrückte Nase des Hottentotten war hier vertreten. Sie trugen sämtlich schöne Mäntel von Tiger- und Pantherfellen und waren mit glänzenden Hals- und Armbändern geziert. Alle hielten Pfeifen in der Hand, aus denen sie Tabak rauchten, und sie tranken dazu abwechselnd aus einer großen Flasche, die in ihrer Mitte stand, ein Getränk, welches Pieter Maritz am Geruche schon als Arrak erkannte.
Unter ihnen allen der Vornehmste war aber offenbar ein schon bejahrter Mann, der auf einer Art von Ruhebank lag, die mit Löwenfellen bedeckt war. Er war von sehr glänzender Hautfarbe, von einem Braun, welches dem des gerösteten Kaffees glich, und seine Haare waren stark mit Grau gemischt. Seine kohlschwarzen Augen waren unruhig und durchbohrend, seine Nase war breit, doch nicht platt gedrückt, der Mund vorstehend, mit aufgeworfenen Lippen, doch nicht so sehr, daß seinem Gesicht ein tierischer Zug verliehen worden wäre. Im Gegenteil hatte es einen klugen Ausdruck, denn Augen und Stirn beherrschten den unteren Teil. Dieser Mann trug eine Art von Tunika oder kurzem Gewand von weißer Wolle mit ganz kurzen Ärmeln, die nur eben die Achseln bedeckten, und an seinen muskulösen Armen glänzten breite goldene Ringe. Um den Hals trug er eine Kette von Löwenzähnen, die mit Golddraht zusammengehalten wurden, und ein Mantel von Löwenfell hing über seinen Rücken hinab. Um den Leib trug er einen Gurt von gesticktem Leder, an welchem ein Hirschfänger von europäischer Arbeit und außerdem ein kleines Messer mit Perlmutterschale steckten. Er stand auf und blieb vor seinem Sitze stehen, als die Gefangenen ihm vorgeführt wurden; diese sahen mit Überraschung, daß der Gebieter der großen wilden Schar nur von einer Statur unter Mittelgröße war.
Mit drohendem Blicke musterte er den blassen Jüngling in dem zerrissenen Scharlachrock und den Knaben mit den blonden Locken und schüttelte gegen sie die erhobene rechte Faust, so daß die goldenen Armbänder klirrten. Dann rief er in holländischer Sprache, die er vollkommen gut redete: »Ihr seid in die Höhle des Löwen geraten, Söhne der treulosen und grausamen weißen Menschen! Bereitet euch zum Tode, ihr seid in der Macht des Titus Afrikaner!«
Achtes Kapitel
Unter den Räubern
Als die beiden jugendlichen Gefangenen diese Drohung vernahmen und einen Namen hörten, welcher viele Meilen ringsum gefürchtet war und nur mit Schrecken genannt wurde, da zog wohl ein Gefühl des Todesbangens durch ihre Brust, aber ihr Stolz ließ es nicht zu, daß der Räuberfürst etwas von Furcht an ihnen bemerkte.
Pieter Maritz trug den Kopf so aufrecht wie vorher, der Engländer, welcher aus Ton und Haltung den Sinn der Drohung verstanden hatte, richtete sich aus seiner gebeugten Haltung höher auf, und beide sahen mit unerschütterlicher Festigkeit dem zornigen Titus Afrikaner in die kleinen, funkelnden Augen. Gegenüber diesem dunkelfarbigen Volke regte sich das Blut des weißen Mannes in ihnen, und nichts hätte sie jetzt dahin bringen können, Demut oder gar Furcht zu zeigen.
Titus Afrikaner beobachtete den Eindruck, den seine Worte gemacht hatten, und als er in der stolzen Haltung und den festen Blicken seiner Gefangenen deren unbeugsamen Trotz las, nahm seine Miene eine noch finstere Gestaltung an.
»Seht da,« sagte er, sich zu seinen Offizieren wendend und in der Betschuanensprache redend, die vom Oranjefluß im Süden bis zum Limpopostrom im Norden verstanden wird, »seht da dies gefährliche Volk der weißen Männer. Diese hier sind noch Knaben, und ihr seht sie trotzig gleich erprobten Kriegern. Im Frieden treulos, habsüchtig und übermütig, im Kampfe zäh, ausdauernd und grausam, so sind die Feinde beschaffen, die Morimo in seinem Hasse gegen unser Volk zu uns übers Meer geführt hat. Die Griqua, die Koranna, die Namaqua, die Stämme der Kaffern und alle Stämme der ehemals mächtigen Betschuanen schmelzen vor den weißen Männern hinweg, wie das Fett des Ochsen am Feuer schmilzt. In Höhlen und auf den Bergen müssen die wenigen Tapferen sich verbergen, die nicht dem Zugstier gleich das Joch der Weißen auf dem Nacken tragen wollen. Darum keine Schonung! Ihr meint wohl, es sei gut, Tabak und Arrak, Gold und Silber zu erlangen, und ihr wolltet den Jüngling mit dem roten Rocke seinen Freunden zurückgeben, aber ich sage euch, einem wahren Krieger ist das Blut seiner Feinde der süßeste Anblick, und weder den Buernsohn noch den reichen Jüngling von den Truppen des englischen Gouverneurs soll die Hoffnung auf Lösegeld vom Tode retten.«
Ein Gemurmel der Zustimmung kam aus dem Kreise der Offiziere hervor, und niemand wagte der Ansicht des Häuptlings zu widersprechen. Doch entging es seinem scharfen Auge nicht, daß mehrere seiner Untergebenen nur widerwillig zustimmten, insgeheim aber begehrliche Blicke auf den Engländer warfen, in denen zu lesen war, daß sie sich den Gewinn, der aus einem solchen Gefangenen zu ziehen sei, wohl überlegten.
»Führt sie fort!« befahl Titus Afrikaner jetzt mit ruhiger Stimme, »und bewacht sie gut! Morgen werde ich ihr Urteil sprechen.«
Ein Haufen von Schwarzen, welcher die Gefangenen umringte, führte sie dieser Weisung gemäß fort nach einem andern Teile der großen Höhle und gab ihnen zu verstehen, daß sie dort bleiben sollten. Hier war ein kellerartiger Raum aus der Felsenwand herausgesprengt, den einst zu Zeiten großer Erdbewegungen die geheimnisvollen Kräfte des Erdinnern gleich der ganzen Höhle hervorgerufen haben mußten. Nur schwach war hier das Licht, das von dem großen Feuer herüberdrang. Pieter Maritz und der Engländer standen schweigend in diesem Raume und dachten über ihr Schicksal mit traurigen Ahnungen nach. Doch erwiesen sich ihre Wächter menschlicher, als sie erwarteten. Die natürliche Gutmütigkeit der meisten jener Völker, welche die südafrikanischen Länder bewohnen, zeigte sich auch hier unter diesen Leuten, die doch Räuber waren. Zwei von ihnen trugen weiches Laub und Schaffelle herbei, auf denen die Gefangenen bequem ruhen konnten, ein anderer holte einen brennenden Ast herbei, der von einem harzigen Holze war und gleich einer Fackel leuchtete. Diesen Ast steckte er in ein Loch in der Felsenwand, so daß der Kerker erhellt ward. Und endlich schleppten andere Leute einen Topf mit Brühe und gekochtem Fleisch, sowie große Stücke des frisch gebratenen Ochsen herbei und gaben den Gefangenen reichlich davon ab, während sie selber schmausten. So saßen Kerkermeister und Gefangene zusammen und teilten ihr Mahl, als seien sie die besten Freunde. Sowohl Pieter Maritz als der Engländer waren so erschöpft von der Reise und so hungrig, daß die körperliche Natur über die traurigen Vorstellungen ihres Geistes siegte und sie es sich gut schmecken ließen.
Ja, als er gegessen hatte, ließ Lord Adolphus Fitzherbert den Hornlöffel, womit er in Gemeinschaft mit den Schwarzen aus demselben Topfe hervorgelangt, mit lautem Lachen in den Topf zurückfallen.
»Dies ist eine Komödie ohnegleichen!« rief er. »Was würden meine Freunde im Klub in London dafür bezahlen, wenn sie Eintritt erlangen könnten, mich so zu Abend essen zu sehen!«
Pieter Maritz sah und hörte verwundert dies Lachen und diese Worte, und da er weder von einer Komödie noch von einem Klub jemals gehört hatte, wußte er nicht recht, was er denken sollte.
»So ist das Leben!« sagte der Lord dann ernsthaft. »Entweder langweilt es uns zu Tode, oder es wirft uns wie einen Spielball umher, so daß wir bald hoch oben in Lüften tanzen, bald unten im Kot liegen. Seien wir froh, daß die Geschichte aus ist, mein junger Freund aus dem holländischen Lager! Morgen sehen wir die Sonne nicht wieder untergehen, und alle Langeweile und aller Ärger sowie alle trügerischen Freuden haben ein Ende.«
»Ist es nicht Sünde, so zu sprechen?« fragte Pieter Maritz mit einem treuherzigen Blick seiner blauen Augen.
»Weshalb sollte das Sünde sein?« fragte der Engländer.
»Der liebe Gott will, daß wir unsere Pflicht thun,«