Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann

Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal - August  Niemann


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dann von anderen Dingen zu sprechen an. Bald ward er auch wieder müde und legte sich von neuem auf die Tragbahre.

      Die Gegend, durch welche sie zogen, ward immer wilder und rauher, und es ging beständig der Höhe zu. Oft freilich senkte sich der Weg ins Thal, aber nur um jenseits eine noch größere Höhe hinaufzuklimmen. Seitdem der Engländer sich wieder tragen ließ, ging es mit verdoppelter Schnelligkeit vorwärts, und Pieter Maritz hatte Mühe mitzukommen. Die schwarze Begleitung schien ein bestimmtes Ziel zu haben, welches sie heute noch erreichen wollte. Pieter Maritz war nicht leicht zu ermüden, sondern von großer Kraft und Ausdauer, dennoch ward es ihm sauer, mit den Schwarzen gleichen Schritt zu halten. Er war mehr an Reiten als an Fußmärsche gewöhnt, und seine schweren Stiefel hinderten ihn am Gehen, während die Kaffern mit ihren nackten Beinen und Füßen so leicht wie Gazellen über Berg und Thal liefen. Selbst die beiden Leute, welche den Engländer trugen und von Zeit zu Zeit abgelöst wurden, liefen mit größerer Leichtigkeit als der unbelastet einhergehende Buernsohn.

      Die Schwarzen bemerkten die Schwierigkeit, welche der Knabe hatte, um mitzukommen, und sie beschlossen endlich, dem abzuhelfen. Sie gaben ihm Zeichen, daß er zu Pferde steigen möge. Mit der größten Freude näherte sich Pieter Maritz dem treuen Jager und stieg mit einem wahren Wonnegefühl auf dessen Rücken. Der Engländer rief ihm von seiner Bahre aus einen Glückwunsch zu. Pieter Maritz fühlte sich wie neugeboren, als er im Sattel saß, und nicht nur der Genuß der Erholung nach dem langen raschen Marsche, sondern auch ein Gefühl der Sicherheit und der Kraft belebten seinen Mut. An eine Flucht freilich war nicht zu denken, denn nicht allein faßten zwei Kaffern Jagers Zügel von beiden Seiten, sondern es ging auch ein Trupp hinter dem Pferde her, den schmalen Weg durch das Gebirge hin rückwärts versperrend.

      Jetzt ging die Sonne unter, und die Wälder nahmen, ihres Lichtes beraubt, eine düstere Farbe an, welche daran erinnerte, daß die Stunden herankamen, zu welchen die Raubtiere auf Beute auszugehen anfangen und sich auch die Unthaten grausamer Menschen zu vollziehen pflegen. Dieser Zeitpunkt war um so unheimlicher, als er inmitten des Gebirges eintrat, wo die Gestaltung der umgebenden Landschaft wunderliche und drohende Formen im Verbleichen des Himmels und beim Eintreten der nächtlichen Schatten zeigte. Die Gefangenen erwarteten, daß Halt gemacht werden würde, um die Nacht im Scheine eines Feuers zu verbringen, aber die Schwarzen setzten ihren Weg trotz der Dunkelheit mit derselben Schnelligkeit fort. Es war erstaunlich, daß sie ihn zu finden wußten, denn kaum ließ das Sternenlicht hier die Biegung der Felsenwände, dort den eigentümlich gerichteten Stamm eines Baumes erkennen, der als Merkmal hätte dienen können. Auch war es kein gebahnter Weg, dem der Zug folgte, sondern bergauf bergab führte nur ein untrüglicher Instinkt der rechten Richtung durch waldiges wie offenes Terrain. So ging es unaufhaltsam weiter, während das Gebrüll der nun umherstreifenden Löwen gleich fernem Donner von Echo zu Echo im Gebirge hinrollte und die Pferde ängstlich schnaufen machte.

      Jetzt ging es durch eine Waldesschlucht über steiniges Geröll hin, in tiefer Finsternis, die gleichzeitig durch die hohen Wände zu beiden Seiten wie durch die von oben überhängenden Büsche verursacht wurde, und als der Zug aus dieser Schlucht hervorkam, lag eine silberglänzende Landschaft ausgebreitet da. Der Mond war hinter den fernen Bergen emporgestiegen und erleuchtete mit beinahe voller Scheibe Berg und Thal. Seine hellen Strahlen zitterten auf einem weiten stillen See, der einen zauberischen Anblick gewährte. Der Zug ging gerade auf den See zu und machte Halt. Nur wenig bewegt war das Gewässer, und wo sich sanfte Wellen regten, indem sie langhin schwellende kleine Furchen bildeten, da glänzte der gebrochene Spiegel der Oberfläche in weiß leuchtendem Schein. Im Hintergrunde schlossen mächtige schwarze Höhen, aus weiter Entfernung herüberragend, den hellen See ab, und die Schatten jener Berge setzten sich im Wasser fort bis zu der Stelle, wo das strahlende Bild des Planeten gleichsam in dem See schwimmend aus ihm hervorblickte.

      Der Engländer stützte sich auf den Arm und sah mit entzücktem Auge auf dies herrliche Bild. Sein mutiger Sinn, der die Gefahr ebenso verachtete wie die Vorsicht, ließ sich durch die Gefangenschaft nicht beugen und er genoß die Schönheit dieser erzwungenen Reise, als wäre er zu seinem Vergnügen mit aller Behaglichkeit des Reichtums in den Hochlanden Schottlands zur Jagd.

      Die Schwarzen setzten ihre Last nieder, und dann stieß ihr Führer dreimal den gellenden Ruf der schwarzen Gans aus, der seltsam über das stille Wasser dahintönte. Zugleich hatte ein anderer der Begleitung einen Feuerbrand entzündet und schwenkte ihn dreimal im Kreise umher.

      Nach einer Weile erschien auf dem See ein dunkler Punkt, der das silberne Licht durchschnitt und sich allmählich vergrößerte. Bald war auch das Plätschern von Rudern vernehmbar. Ein großes Boot von spitzer und gewaltig langer Form kam heran, von vier Schwarzen gerudert. Es stieß ans Land, und der Führer des Zuges wechselte mit den Bootsleuten einige Worte, worauf die Gefangenen in das schmale Schiff gebracht wurden und auch die schwarze Begleitung einstieg. Die beiden Pferde wurden ins Wasser geführt und mußten neben dem Boote schwimmen, wobei sie dadurch unterstützt wurden, daß ihre Zügel dicht am Maul gefaßt und die Köpfe emporgehalten wurden.

      Nach einer Fahrt von etwa einer Viertelstunde war das jenseitige Ufer erreicht, das Boot stieß an den Felsen, und alle stiegen aus. Die Bootsleute banden ihr Fahrzeug neben mehreren anderen an, die am Ufer lagen. Nur ein schmaler Platz, auf welchem Fuß gefaßt werden konnte, fand sich hier am Gestade, denn überall stiegen die Felsen mit drohender Steilheit empor. Doch fand sich jetzt nach einigen Schritten längs des Ufers eine Öffnung in der Bergwand, gleich einer verborgenen Thür, und nachdem eine kleine Strecke in den Berg hinein zurückgelegt worden war, drehte sich der Weg nach rechts, und es eröffnete sich plötzlich vor den überraschten Augen der Gefangenen eine weite hohe Höhle, welche hell erleuchtet war. Das Licht ging von einem großen Feuer in der Mitte des Raumes aus, und um das Feuer herum bewegten sich zahlreiche Gestalten.

      Die schwarze Begleitung hielt am Eingange der Höhle still und bedeutete auch die Gefangenen, hier zu bleiben und zu warten, der Führer aber ging in das Innere der Höhle, welche sich, wie es schien, weit in den Berg hinein erstreckte. Er wollte, wie es schien, dem Befehlshaber der hier hausenden Horde Bericht erstatten und dessen Weisungen einholen.

      Die Gefangenen sahen indessen dem Treiben um das Feuer zu. Augenscheinlich war eine Schar von Schwarzen erst vor kurzem von einem Raubzuge zurückgekehrt, denn es wurde ein Mahl zugerüstet, obwohl es schon spät in der Nacht war. Wohl fünfzig bis sechzig schwarze Gestalten waren um das Feuer und in dessen Nähe beschäftigt und glichen in dem roten Schein einem Heer von Teufeln. Dieser wilde Eindruck ward noch durch die Art ihrer Beschäftigung erhöht. Sie holten aus einer Abteilung der großen Höhle, welche seitwärts im Dunkel lag, von vielen dumpf brüllenden Ochsen ein fettes Tier heraus und führten es in die Nähe des Feuers. Dann rissen sie das Tier zu Boden, wälzten es auf den Rücken und banden ihm einen Strick an jeden Fuß. Diese Stricke zogen sie an, so daß die Beine so weit als möglich auseinander gebogen wurden, und pflöckten sie an kurzen Pfählen in den Boden, so daß der Ochse ganz unbeweglich liegen mußte. Alsdann trat ein Schwarzer mit einem blinkenden Messer heran und schnitt mit einem Zuge den Leib des Ochsen in der Mitte auf, ohne daß mehr als nur einige Tropfen Blutes vergossen wurden. Dann nahm er mit Hilfe eines andern Mannes die Gedärme heraus und übergab sie mehreren Weibern, welche sie in einem großen Kessel wuschen und alsbald ans Feuer setzten, damit sie gegessen würden, während der Ochse noch lebte. Während dessen rührten die Männer mit Stäben das in der Bauchhöhle zusammenfließende Blut um, so daß es nicht gerann, und warteten ab, daß das Tier, dessen Herz und andern edlen Teile noch lange in Bewegung blieben, völlig sterben würde. Die Kaffern standen aufmerksam umher und verwandten kein Auge von den sich bewegenden Organen.

      »Das sind geschickte Metzger,« sagte der Engländer zu Pieter Maritz, während er einen Blick des Abscheues auf die Scene richtete. »Unsere Metzger in London könnten von ihnen lernen. Aber ich wünschte, daß diesen schwarzen Teufeln selber der Leib aufgeschlitzt würde.«

      Pieter Maritz erwiderte nichts. Er kannte die Manier der Kaffern schon lange.

      Während nun aber die Schwarzen anfingen, mit großen Löffeln das Blut aus der Bauchhöhle herauszuschöpfen und in einen Kessel zu füllen, näherte sich den Gefangenen ihr Führer wieder und forderte sie auf, ihm zu folgen. Der Lord stützte sich auf des Knaben Schulter,


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