Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann
verübst, mein Junge? Es giebt keine Republik Transvaal. Ihre Majestät erwartet von jedem ihrer Unterthanen Gehorsam und verlangt, daß ihren Truppen auf Verlangen jede Hilfe und jeder Vorschub von seiten der Landeseinwohner geleistet wird.«
Der Wachtmeister drängte jetzt sein Pferd an das des Offiziers heran und sprach leise zu ihm.
»Ach was,« entgegnete dieser laut, »wenn wir auch den Weg ohne den Burschen finden können und ihn deshalb nicht unbedingt nötig haben — er soll lernen, wer hier Gebieter ist und wem er zu gehorchen hat. Wir thun ein gutes Werk, wenn wir ihm das beizeiten einprägen, damit er es im Gedächtnis hat, wenn er älter wird. Der Bauernsohn reitet mit uns.«
»Ich bitte, Mylord, die Sache nicht zu weit zu treiben,« sagte jetzt der greise Missionar, welcher inzwischen herbeigekommen war. »Der Knabe ist mein Reisebegleiter, ich stehe für seine gute Gesinnung ein. Wenn er sich unehrerbietig geäußert hat, so liegt das in seiner Unkenntnis der politischen Verhältnisse, aber kommt nicht aus bösem Willen.«
»Wir wollen ihm ja nichts zuleide thun,« entgegnete der Offizier. »Er soll nur einsehen, daß er nicht, wie er sich nennt, ein freier Bürger der Republik Transvaal, sondern ein Unterthan der Königin von England, Gott beschütze sie, ist.«
»Und doch bitte ich, ihn nicht zu zwingen, Herr Leutnant,« sagte der Missionar mit ernster Betonung. »Es ist nicht geraten den Bogen allzu scharf anzuspannen.«
»Wirklich nicht?« fragte der Engländer spitzig. »Das muß ich am besten wissen. Mein Streifzug hat auch die Bedeutung, einen Einblick in die Gesinnung hier zu Lande zu gewinnen. Ich hoffe, daß ich nicht nötig habe, bei meiner Rückkehr zu melden, daß ich die unter unserem Schutze stehenden Deutschen für gute Freunde der Buern, aber nicht für gute Freunde Englands halte.«
Auch der Superintendent mischte sich jetzt in das Gespräch und versuchte, ihm eine weniger scharfe Wendung zu geben. Es war klar, daß der blutjunge Offizier sich mit unkluger Anmaßung benahm, indem er sich selbst wie dem Zwecke seines Kommandos eine übertriebene Wichtigkeit beilegte. Immerhin mußte er rücksichtsvoll behandelt werden, damit jede Gelegenheit vermieden würde, der Regierung der Kapländer ein Vorurteil gegen die deutschen Missionen einzuflößen. Der Offizier aber blieb bei seiner Ansicht, daß er über die Hilfsleistungen der Bürger von Transvaal zu verfügen habe, wenn er sich im königlichen Dienste befinde.
Pieter Maritz hörte dem Gespräche zu und hatte seine eigenen Gedanken. Gestern abend war er durch die hochmütige Behandlung des Engländers sehr gekränkt worden, weil sie ihn als etwas ganz Unerwartetes überrascht und in seinem Selbstgefühl gedemütigt hatte. Aber heute morgen, wo die Sonne vom Himmel lachte und die Welt so schön aussah, wo er noch dazu im Sattel saß und ein Gefühl der Sicherheit auf Jagers Rücken empfand, heute morgen kam ihm die Sache ganz anders vor. Er hielt in der Nähe der offenen Thür von Fort Wilhelm und sagte sich, daß niemand ihn zu irgend etwas zwingen könne. Er brauchte nur sein Pferd zu wenden und davonzujagen. Die ganze Welt stand ihm offen. In diesem Gedanken streichelte er mit liebkosender Hand Jagers Hals und zupfte ihn freundschaftlich an der Mähne. Jager drehte den Kopf, schnupperte an des Knaben Stiefel und scharrte dann mit dem Huf auf der Erde, als ob er sagen wollte, er sei zu allem bereit.
Aber Pieter Maritz wollte nicht fliehen. Er sah, daß er der Missionsstation keinen Gefallen mit seinem Trotz gegen die Engländer thue, und er hatte solche Ehrfurcht vor den frommen Männern, daß er ihren Wünschen nicht zuwider handeln mochte. Dazu aber fiel ihm ein, daß er vielleicht den Engländern als ihr Führer einen Possen spielen könne, und er hatte große Lust, das zu thun. Er gab seinen Plan, den Missionar zu begleiten, durchaus nicht auf; er hoffte auf eine Gelegenheit, den Dragonern zu entwischen und den Ochsenwagen wieder einzuholen.
In dieser Absicht ritt er auf den Leutnant zu, zog höflich seinen Hut und sagte: »Es ist nicht meine Absicht, Mynheer, einer so mächtigen Frau, wie die Königin von England zu sein scheint, Widerstand zu leisten. Denn ich bin ja nur ein armer Bauernsohn. Ich werde gern die Führung Eurer schönen Soldaten übernehmen, denn ich kenne die Gegend sehr gut. Nur bitte ich, daß Ihr mir mein Pferd nicht nehmt und daß Ihr mir gestattet, zu Pferde zu bleiben, denn ich kann nicht weit zu Fuße gehen in meinen schweren Stiefeln. Und ich bitte Euch auch, Mynheer, reitet nicht zu schnell, denn mein Pferd ist nur ein Bauernpferd und es hat in der letzten Zeit sehr weite Strecken zurücklegen müssen.«
Der Leutnant lachte. »Wenn du nur davor Angst gehabt hast, so beruhige dich, mein Sohn,« sagte er. »Wir wollen dir dein Pferd nicht nehmen und mitkommen wirst du auch schon. Übrigens scheint mir dein Gaul gar nicht so übel zu sein,« fuhr er dann fort, indem er Jager mit prüfendem Blicke musterte, »und ich glaube, wenn er anständig gesattelt und gezäumt würde und einen ordentlichen Reiter bekäme, so müßte er eine hübsche Figur machen. Es ist ein Pferd für die leichte Kavallerie. Aber nun vorwärts!«
Die Dragoner schwenkten auf das Kommando des Leutnants zu dreien rechts ab, Pieter Maritz aber näherte sich rasch dem Missionar, drückte ihm die Hand und wünschte ihm glückliche Reise, schwenkte dann seinen Hut gegen die Brüder, welche ihn bewirtet hatten, und wünschte ihnen gute Gesundheit. Alsdann ritt er, dem Winke des Leutnants folgend, auf dessen linke Seite an die Spitze des Zuges. Es ging im Schritt den Berg hinab, und die Dragoner lachten viel über das Gedränge der Schwarzen, welche sich schaulustig wieder eingestellt hatten, warfen auch Zigarren und Tabak vom Pferde herab in das Volk und belustigten sich an der Prügelei, die dadurch entstand. Wohl eine halbe Stunde weit blieb eine Schar an dem Zuge hangen, beständig tanzend und singend, ohne müde zu werden. Dann erst, als Trab kommandiert wurde, blieben die Schwarzen zurück. Für Pieter Maritz war es ein Vergnügen, an der Spitze der Dragoner zu reiten. Der Weg war gut, denn es war die gebahnte Straße in südwestlicher Richtung nach Pretoria. Der gleichmäßige Trab der Pferde, das Klirren der Pallasche und der am Sattel hangenden Karabiner, das Schnauben der Tiere, das Knirschen der Gebisse und des Lederzeugs, alles dies machte einen kriegerischen Eindruck auf des Knaben Sinn und erregte ihn. Er malte sich in Gedanken aus, wie schön es sein müßte, eine solche Reiterschar zu kommandieren und sie zum Angriff gegen den Feind zu führen. Nach längerem Trabe ließ der Leutnant wieder Schritt reiten. Die Sonne brannte heiß. Der Weg führte über ein Hochland hin, welches frei und offen lag. Zu beiden Seiten dehnten sich Grasflächen aus, und das Gras war braun gebrannt von der Hitze. Nur Mimosengebüsche unterbrachen die Einförmigkeit. Linker Hand zog sich in weiter Entfernung ein bläulicher Streifen hin, der Saum großer Wälder im Osten.
Pieter Maritz betrachtete die Pferde der Dragoner. Sie waren jetzt etwa eine Stunde auf dem Marsche, und der Knabe lächelte, als er sah, daß die meisten ganz naß am Bauche waren und daß ihnen ein weißlicher Schaum unter der Satteldecke stand, während Jager noch kein feuchtes Haar hatte. Nur des Leutnants Pferd war ebenfalls trocken. Es war ein wunderschönes Tier, ganz schwarz und glänzend wie poliertes Ebenholz, wohl eine halbe Handbreit höher als Jager, mit langem Halse, langen, dünnen Beinen und feinem Kopfe.
Der Leutnant redete den Knaben an. »Dein Pferd geht einen recht hübschen Trab,« sagte er, »und du scheinst dich auch gut aufs Reiten zu verstehen. Ist das Reiten bei euch Bauern allgemeine Sitte?«
»Ja, Mynheer,« antwortete Pieter Maritz, »wir reiten alle von Jugend auf, aber so schön wie bei den Soldaten der Frau Königin ist's bei uns freilich nicht.«
Er verglich mit einem bezeichnenden Blick die einfache Trense seines Pferdes mit dem silberblinkenden Stangengebiß im Maule des Rappen und seinen von Dornen zerkratzten, vom Kot vieler Wege und vom Wasser vieler Flüsse und Bäche nahezu schwarz gewordenen Sattel mit dem hellgelben, spiegelblanken Sattel des Leutnants.
»Nun,« sagte der Engländer, welcher diesen Blick aufgefangen hatte, »Sattel und Zaum sind etwas Äußerliches, das Pferd ist immer die Hauptsache. Haben denn viele Bauern gute Reitpferde?«
»Sie haben alle gute Reitpferde,« entgegnete der Knabe.
»Und wie viele Bauern giebt es denn wohl, die ins Feld rücken, wenn etwa Krieg mit den Zulus oder den Betschuanen ausbricht?« fragte der Leutnant, der die Gelegenheit benutzen wollte, Näheres über die Verhältnisse der Buern zu erforschen.
»Das ist sehr verschieden,«