Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann

Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal - August  Niemann


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nicht da bin? Wer soll Euch schützen?«

      »Der Herr hat nicht Gefallen an der Stärke des Rosses noch an jemandes Beinen,« erwiderte der Missionar. »Mit dem Stecken in der Hand sollen seine Diener ziehen, und ihre Waffenlosigkeit ist ihr stärkster Schutz unter dem raub- und mordlustigen Volke.«

      »Ich bitte Euch, nehmt mich mit,« flehte der Knabe, des alten Mannes Hand ergreifend. »Es macht mir solche Freude, zu sehen, wie sich die Herzen der Heiden unter Euerm Worte beugen.«

      Der Missionar sah den Knaben voll innigen Anteils an und las in seinem Gesichte edles Gefühl und den Drang zu hohen Thaten.

      »Ich will es mir diese Nacht überlegen,« sagte er. »Überlege auch du es dir. Morgen früh wird dein Blut ruhiger sein. Gute Nacht!«

       Lord Adolphus Fitzherbert

       Inhaltsverzeichnis

      Pieter Maritz harrte den ganzen folgenden Tag auf ein Wort des Missionars, welches ihn ermuntern sollte, die fernere Reise ins Ungewisse mitzumachen, aber der Missionar sprach nicht. So ging es auch den zweiten und den dritten Tag. Der Missionar wollte sich in diesen Tagen von den Anstrengungen der vorhergehenden Zeit erholen und zu den bevorstehenden Mühen neu kräftigen. Darum blieb er ruhig bei den Brüdern von Botschabelo, nahm an deren Gottesdienst teil, predigte an dem Sonntage, der innerhalb der drei Ruhetage fiel, und erging sich in erbaulichen Gesprächen mit den Männern und Frauen, die gleich ihm an der schweren Arbeit beschäftigt waren, die unwissenden Köpfe und kindischen Herzen eines auf tiefer Stufe stehenden Volkes zu einem guten Acker für Gottes Wort umzupflügen.

      Pieter Maritz wagte nicht, von sich selbst aus seinen Wunsch wieder in Erinnerung zu bringen, aber er war keineswegs andern Sinnes geworden. »Kehre ich zurück,« dachte er, »so bin ich ein thörichtes Kind in den Augen der Knaben wie der Männer, denn ich habe meinen Auftrag nicht vollführen können. Und selbst wenn ich keine Strafe bekomme — zu Hause bin ich immer nur ein Knabe, aber hier draußen gelte ich als Mann.«

      Die Bilder eines ereignisreichen Lebens in der Ferne bewegten lebhaft sein Herz. Er sah mit Sehnsucht nach den fernen blauen Bergen hinüber und es war ihm wie dem Vogel, der seine Schwingen hebt, um in ferne Länder zu ziehen. Seine Einbildungskraft spiegelte ihm vor, daß sich ihm Gelegenheit bieten würde, ruhmreiche Dinge zu vollführen, so daß bei seiner späteren Rückkehr die Gemeinde mit Bewunderung auf ihn blicken und seine Altersgenossen ehrfurchtsvoll flüstern würden: »Das ist Pieter Maritz, der für sein Vaterland große Dinge gethan hat.«

      Der Missionar hatte seinen Aufbruch für den vierten Tag festgesetzt, und Pieter Maritz hatte sich vorgenommen, falls der alte Mann nichts sage, sich einfach dem Zuge anzuschließen und herzlich zu bitten. Die ganze Versammlung der Brüder von Botschabelo nebst den Frauen und Mädchen saß am Abend vor der geplanten Abreise beim Essen zusammen, und eben war das Tischgebet gesprochen worden, als sich draußen ein großer Lärm erhob. Schreien und Jauchzen vieler Stimmen drang in das große Gemach, und alsbald kamen mehrere schwarze Diener hereingelaufen und meldeten in höchster Aufregung, daß fremde Krieger den Berg heraufgezogen kämen.

      Die Brüder erhoben sich bestürzt von ihren Sitzen und ließen das Abendessen stehen, um vor die Thür zu treten; der erste aber, der draußen war, um zu sehen, was es gebe, war Pieter Maritz. Da hatte er einen Anblick, der sein Herz laut klopfen machte und ihn voll Bewunderung regungslos auf die Stelle bannte.

      Ein Zug von Reitern kam die Straße bergauf geritten, wie er deren noch nie gesehen hatte. In den Strahlen der niedrig stehenden Sonne funkelten Waffen, glänzendes Lederzeug und der metallene Beschlag von weiß leuchtenden Helmen. Die Reiter waren in scharlachrote Röcke gekleidet, trugen hohe blanke Stiefel, ritten auf sehr schönen, großen Pferden und sahen so stolz und prächtig aus, wie Pieter Maritz niemals gedacht hatte, daß Krieger aussehen könnten. Er zählte ihrer vierundzwanzig, die zu dreien in einer Reihe ritten, ihnen voran kam ein blutjunger Mann, der das Kommando führte, und hinterher ritt ein bärtiger Soldat, der durch goldene Streifen auf dem Ärmel seines Rockes ausgezeichnet war.

       Der Zug hatte den tiefsten Eindruck auf die ganze Gemeinde von Botschabelo gemacht. Es war niemand daheim geblieben, sondern alt und jung, Männer, Weiber und Kinder waren herbeigelaufen, schrieen vor Entzücken und zugleich vor Furcht und drängten sich so auf dem Wege, daß die Reiter nur in langsamem Schritte vorwärts kamen und sich in acht nehmen mußten, die neugierigen, tanzenden und schreienden Schwarzen nicht durch die Hufe ihrer Pferde zu Boden treten zu lassen.

      Vor dem Versammlungshause angekommen, hielt der jugendliche Führer der Reiterschar sein Roß an, und da Pieter Maritz gerade neben ihm stand, wandte er sich an diesen und fragte, wer hier der Älteste sei und über die Gemeinde zu befehlen habe. Er sprach englisch, und Pieter Maritz verstand diese Sprache sehr gut, aber die Frage ward in so hochmütigem Tone und in einer so besondern Sprechweise gestellt, daß Pieter Maritz nur verwundert in das fragende Gesicht sah und nachdachte, warum dieser junge Krieger wohl so sehr durch die Nase spräche.

      »Kann der Bauernlümmel nicht antworten oder will er nicht?« rief der Engländer.

      Pieter Maritz wurde ganz rot vor Zorn und Scham und faßte unwillkürlich nach der Seite, wo er den Hirschfänger zu tragen pflegte. Aber er war ohne Waffen, wie er sich zu Tisch gesetzt hatte.

      »Ob der Bursche nur wenigstens den Hut vom Kopfe thut!« rief der Engländer von neuem. »Es ist sehr notwendig, diesem Volke Manieren beizubringen.«

      In diesem Augenblicke aber, ehe sich der Streit noch verschärfen konnte, kam der Superintendent heran und sagte, daß er der Vertreter der Missionsstation wie überhaupt der deutschen Kirchen in Transvaal sei. Der Engländer grüßte hierauf sehr höflich, obwohl immer noch mit der Miene der Herablassung, und sagte, er sei Lord Adolphus Fitzherbert, Leutnant und Kommandant einer Patrouille von der Dragonergarde Ihrer Majestät der Königin. Er beanspruche Quartier für eine Nacht in Botschabelo.

      Der Superintendent gab hierauf Anweisungen, den Dragonern Wohnung und ihren Pferden Stallung zu geben, die Reiter stiegen ab, und der Leutnant ging mit den Missionaren in das Speisezimmer, wo die Schüsseln noch unangerührt standen. Er legte Helm, Pallasch und Revolver, auch das goldglänzende Bandelier mit der silbernen Patrontasche ab, setzte sich mit seinen Wirten zu Tisch und ließ es sich gut schmecken.

       Pieter Maritz hatte tiefen Groll gegen den Fremden im Herzen und betrachtete ihn vom Ende des Tisches aus mit schrägen Blicken aus den Augenwinkeln. Der Engländer hatte den Ehrenplatz neben dem Superintendenten und benahm sich so fein und vornehm, daß Pieter Maritz nicht wußte, ob er mehr hassen oder mehr bewundern sollte. Dem Ansehen nach war der Leutnant nur wenige Jahre älter als der Buernsohn. Er hatte ein längliches, blasses Gesicht mit grauen Augen, zierlich geschwungene Augenbrauen und einen kleinen, schwachen Anflug von Bart auf der Oberlippe, und sein dunkles Haar war kurz geschnitten und zurückgekämmt. Seine Hände waren schmal und schneeweiß, mit rötlich schimmernden Nägeln, so daß Pieter Maritz in Verwirrung seine eigenen Hände betrachtete, welche niemals in Schafleder oder Ziegenleder gehüllt gewesen, braun von Farbe und hart wie Horn waren. An Wuchs war der Engländer wohl einen Kopf höher als Pieter Maritz, aber dieser dachte, wenn er sich mit dem übermütigen Jüngling einmal im Ringkampfe messen dürfte, so wollte er ihn in der Mitte durchbrechen.

      Als das Essen vorüber war, wurden dem Gast zu Ehren einige Flaschen Wein auf den Tisch gesetzt, die Frauen entfernten sich, und die Männer fingen an, von Politik zu sprechen, da die Brüder sehr gespannt waren, zu erfahren, was die unerwartete und nie vorher hier erblickte Erscheinung britischen Militärs zu bedeuten habe.

      Lord Adolphus Fitzherbert lehnte sich behaglich auf seinem Stuhle zurück, schlug die Beine übereinander, welche mit Stulpenstiefeln von Glanzleder bekleidet waren, zog aus der Brusttasche seines scharlachroten, goldgestickten Waffenrocks ein goldenes Etui hervor, auf welchem ein Wappen graviert war, und nahm


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