Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann

Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal - August  Niemann


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erhellten die Scene. Sie sprangen nicht mehr zwischen Himmel und Erde auf und nieder, sondern wälzten sich gleichsam am Boden hin wie feurige Schlangen, die in ganzen Herden sich daherringelten. Ohne Aufhören brüllte dazu der Donner.

      Pieter Maritz war vom Pferde gestiegen und hielt das zitternde Tier am Zügel. Er blickte zum Wagen hin und sah keinen der Ochsen mehr. Als der Sturm losbrach, die Blitze zuckten und der Donner grollte, waren sie voller Entsetzen davongestürmt. Der heulende Wind trieb das losgerissene Verdeck einem Segel gleich empor und ließ es wie eine riesige Fahne flattern. Die farbigen Diener waren unter den Wagen gekrochen und hockten dort in angstvoller Stellung. Neben dem Wagen stand der Missionar. Er hielt gleich dem Knaben sein Pferd am Zügel und blickte in einer andächtigen Stellung mit über der Brust gefalteten Händen zu dem von Blitzen erleuchteten Himmel auf. Sein von weißem Haar und Bart umgebenes Antlitz erschien dem Knaben unbeschreiblich ehrwürdig. Nur für Augenblicke war dies Bild dem Knaben sichtbar, alsdann ward es wieder in Finsternis getaucht. Denn die Wolken hingen so niedrig zur Erde herab und gossen solche Regenschauer nieder, daß nur die Blitze Licht geben konnten. Jetzt huschte etwas ungemein Schnelles heran, es glich einem Trupp von Schweinen mit hoch gebogenen Rücken, doch wie es dicht neben dem Knaben vorüberkam, sah er, daß es ein Rudel Hyänen war. Ihre unheimlichen Gestalten verschwanden so schnell wie sie erschienen waren. Die Tiere waren in Angst und dachten nur an Flucht vor dem Unwetter, wie auch die Pferde vor dem Anblick der gefährlichen Bestien zu dieser Stunde nicht scheuten, sondern unter dem stärkeren Eindruck der entfesselten Elemente standen.

      Die Wassergüsse hatten schon nach kurzer Zeit den Boden völlig aufgeweicht. Sie spülten den losen Sand von den Hügeln herunter und ließen die kleineren Steine mitrollen. Diese von den Höhen fließenden Bäche sammelten sich in den Thälern, und bald rann ein Strom von mehreren Fuß Tiefe durch die Niederungen, wo die Reisenden sich befanden und spülte bis an die Achse des Wagens. Der Missionar und Pieter Maritz mußten mit ihren Pferden seitwärts die Höhe hinansteigen, um außerhalb der Fluten zu sein, und in Schreck und Furcht schlossen sich ihnen die Diener an, welche das Wasser unter dem Wagen hervorgetrieben hatte. Wären die Hügel höher und die Tiefen abschüssiger gewesen, so wäre der Wagen fortgespült worden. Es war ein Glück, daß die unebene Bildung des Bodens nur in geringem Maße vorhanden war. So war es auch ein Glück, daß die Ochsen vom Wagen abgeschirrt waren, denn sie hätten gewiß beim Leuchten der Blitze und dem furchtbaren Krachen der Donnerschläge in wilder Flucht den Wagen mit sich gerissen und wären mit ihm zu Grunde gegangen. So durften die Reisenden hoffen, die versprengten Tiere nach dem Aufhören des Gewitters wiederzufinden.

      Der heftige Zorn der drohenden Wolken hielt nicht lange an, bald hörten Blitz und Donner auf, die schwarzen Wolken trennten sich und ließen die Sonne wieder durchscheinen. Doch zogen die Wolken nicht völlig vorüber, sondern nach kurzer Helligkeit gab es neue Güsse, und dieses Wetter hielt an, bis die Sonne untergegangen und die Nacht hereingebrochen war. Dann klärte sich der Himmel auf, der Mond und die Sterne gossen ihr mildes, weißes Licht über das Land aus.

      Die Reisenden hatten bis jetzt zusammengedrängt am Hügel gestanden, von Nässe triefend, frierend und ohne imstande zu sein, irgend etwas zu unternehmen. Doch verloren sich jetzt mit zauberhafter Schnelligkeit die Wasserfluten. Der Erdboden schien sie plötzlich eingesogen zu haben, sobald neuer Zufluß aufhörte. Nun machten sich der Missionar und seine Begleiter sofort auf, um nach den Ochsen zu sehen. Sie schritten beim Mondlicht vorwärts in dem Thale und erreichten die Stelle, wo sie am Nachmittage den Teich gefunden hatten. Aber wie war die Scene verändert! Ein großer See war an der Stelle jenes Teiches, seine Wellen schlugen weit über die ehemaligen Ufer hinaus und bespülten die Bäume, welche vorhin hoch emporgeragt hatten, bis zur halben Höhe des Stammes. Von den Ochsen war nichts zu sehen. Sollten sie in diesen See geraten und ertrunken sein?

      Ein unheimliches Brüllen erhob sich jetzt in der Nachbarschaft und ließ erkennen, daß die Löwen aus ihren Höhlen hervorgekommen waren und nach Beute ausgingen. Es war wegen der Nacht und wegen der Raubtiere nicht ratsam, auf eine fernere Suche nach den Ochsen auszugehen. Der Missionar beschloß, nach dem Wagen zurückzukehren und in demselben zu übernachten. Ein Feuer konnte nicht angezündet werden, da alle Gegenstände, alles Holz, alle Büsche völlig naß waren.

      Mit einem Male fiel es Pieter Maritz auf, daß Humbati und Molihabantschi nicht zu sehen waren. Ein Schrecken fuhr durch seine Glieder.

      »Wo sind die Zulus?« rief er.

      Niemand konnte ihm Auskunft geben.

      »Sie werden einen sichern Unterschlupf gefunden haben,« sagte der Missionar. »Diese Leute sind mit der Natur vertrauter als wir.«

      Der Knabe sagte nichts, aber er glaubte nicht, daß sie noch in der Nähe wären. Große Sorge überfiel ihn. Er konnte nicht umherreiten, um sie zu suchen. Wohin hätte er reiten sollen? — Die farbigen Diener befestigten das Zeltdach über dem Wagen, und der Missionar mit seinen Begleitern krochen hinein.

      »Ich werde Wache stehen,« sagte der Knabe, und getreulich hielt er, die Büchse im Arme, Wache während der Nacht. Er spähte unaufhörlich umher, ob er etwas hörte oder sähe, was ihn beruhigen könnte, denn ihn folterte die Befürchtung, seinen Auftrag schlecht vollführt zu haben. Aber nur die Stimmen der Nachttiere, das Heulen der Panther und Hyänen und das Brüllen der Löwen, durchbrach die Stille. Nur einmal glaubte er Molihabantschi vor sich zu sehen. Er erblickte plötzlich funkelnde Augen in der Nähe, die ihm Ähnlichkeit mit dem Blick dieses Kriegers zu haben schienen, und er hoffte für eine Sekunde, in der dunkeln Gestalt, die dort auftauchte, den Zulu zu erkennen. Aber im nächsten Augenblick sah er deutlicher. Die Augen gehörten einer großen Hyäne an, und noch mehrere andere Paar blitzender Augen tauchten auf. Die Tiere hatten sich heimlich und still herangeschlichen, ohne daß die übermüdeten Pferde, die im Stehen, an den Wagen angebunden, schliefen, es bemerkt hatten.

      Pieter Maritz nahm die große Hyäne aufs Korn, und als der Schuß krachte, wälzte sie sich tödlich getroffen am Boden; die andern flohen, aber noch zweimal fuhr die mörderische Kugel in das Rudel hinein und streckte noch zwei der Tiere auf der Flucht nieder. Erschrocken fuhren die Schläfer empor, aber legten sich bald wieder nieder, als der Knabe sie beruhigte. Dann ward es still umher, der Knall der menschlichen Waffe hatte die Wildnis beruhigt.

      Doch des Knaben blaue Augen ruhten nicht. Sie blickten nach den verschwundenen Gesandten des Zulukönigs aus.

       Die Missionsstation Botschabelo

       Inhaltsverzeichnis

      »Du bist so traurig, mein Sohn, was hast du? Irgend eine Sorge drückt dich nieder.« So sprach voll Teilnahme der Missionar am Morgen nach dem Sturm zu Pieter Maritz.

      Der Knabe stand schweigend auf die Büchse gelehnt neben seinem Pferde und vermied das Auge des alten Mannes, indem er fernhin über das Land blickte, welches nun im Glanze der Morgensonne strahlte, als hätte kein finsterer Schrecken und kein Donnergetose sein heiteres Antlitz je beschattet. Er war allein mit dem Missionar, die schwarzen Diener waren unterwegs, um die Zugtiere zu suchen.

      »Du antwortest nicht,« fuhr der fromme Mann fort. »Und doch würde es dein Herz erleichtern, wenn du sprächest. Ich sehe es dir an, daß du einen Kummer hast. Du bist nicht, wie du die früheren Tage warest. Deine sonst so hellen blauen Augen sind trübe, und es ist wohl nicht die schlaflose Nacht allein, die dich so müde macht.«

      Der Knabe schüttelte die blonden Locken mit trotzigem Ausdruck und erwiderte nichts.

      »Du bist mir auf der Reise ein angenehmer Begleiter gewesen,« sagte der Missionar von neuem, »und ich danke dem Baas van der Goot für seine Fürsorge, mir eine so gut treffende Büchse zur Gesellschaft mitzugeben. Aber ich fürchte, daß du dich grämst, so lange fortzubleiben von deiner


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