Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann

Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal - August  Niemann


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die Zähne auf die Unterlippe. »Ich kehre nicht zurück,« sagte er.

      »Wie? Du kehrst nicht zurück? Sehnst du dich denn nicht, deine Mutter und deine Geschwister wiederzusehen?«

      Der Knabe schwieg.

      »Oder ist es dir bedenklich, allein zurückzureiten? Wenn das ist, so will ich dich mitnehmen, bis uns Reisende begegnen, die nach Norden ziehen. Aber ich glaube nicht, daß du zu furchtsam bist, um den Weg allein zu machen.«

      Pieter Maritz lächelte verächtlich und schüttelte von neuem den Kopf.

      »Nun dann,« sagte der Missionar, »ich weiß es, was dich bedrückt. Nicht aus Fürsorge für mich gab Baas van der Goot dir den Auftrag, mich zu begleiten. Ist es nicht so? Es war das Mißtrauen der Buern, was dich zu mir führte, und das Verschwinden der Zulus ist es, was dich beunruhigt.«

      Pieter Maritz sah dem alten Manne jetzt in das Gesicht. Er erkannte freundliche Teilnahme und einen milden Ernst in diesem Antlitz, und seine Zurückhaltung schmolz unter dem Blicke dieses Dieners Gottes.

      »Ja,« sagte er. »Ich sollte die Zulus überwachen, aber nun sind sie fort, und ich kann nie wieder heimkehren.«

      »Du kannst nie wieder heimkehren? Und warum nicht?«

      »Weil ich mich zu sehr schämen würde. Ich kann keine Antwort geben, wenn ich gefragt werde, wie ich meinen Auftrag vollführt habe.«

      »Sag du, wie es in Wahrheit ist, daß die Zulus in einem schrecklichen Sturm und Gewitter geflohen sind und daß du keine Schuld daran trägst, weil du genug damit zu thun hattest, für dich selbst zu sorgen.«

      Der Knabe zuckte die Achseln. »Ich würde es nicht sagen können,« erwiderte er. »Die Zulus sind fort, und ich sollte sie doch überwachen. Ich werde nie wieder heimkehren.«

      Der Missionar bemühte sich, den Knaben auf andere Gedanken zu bringen. Er sprach davon, daß Baas van der Goot nichts Unmögliches verlangt haben könne, er versprach dem Knaben ein Schreiben mitzugeben, worin berichtet würde, auf welche Weise die Zulus verschwunden seien, er ermahnte den Knaben, lieber selbst eine Strafe auf sich zu nehmen als sich in falscher Scham trotzig zu verbeißen. Aber es war alles umsonst. Pieter Maritz hörte ruhig zu, aber schüttelte nur den Kopf und blieb bei seinem Vorsatz.

      »Behaltet mich bei Euch, Mynheer,« sagte er zuletzt. »Euch habe ich gern, und bei Euch möchte ich bleiben. Vielleicht findet sich eine Gelegenheit für mich, meinem Vaterlande einen Dienst zu erweisen, der meinen Fehler wieder gut macht. Dann kann ich zurückkehren, sonst aber will ich es nicht.«

      Der Missionar gab es auf, weiter in ihn zu dringen. »Dieser Knabe hat einen eisernen Kopf,« sagte er sich, »und je mehr Widerstand er findet, desto mehr besteht er auf seinem Willen. Aber er wird sich besinnen, wenn die erste Aufregung vorüber ist und sein Gemüt wieder ruhig wird.«

      »Bedenke nur eins, Pieter Maritz,« sprach er zuletzt, »das Leid, welches dem Menschen aus seinem eigenen trotzigen und doch verzagten Herzen entsteht, ist größer als alles Leid, welches die göttlichen Fügungen über ihn verhängen.«

      Damit wandte sich der Missionar zu Christian, der jetzt mit den ersten der wiedergefundenen Ochsen zurückkam, Pieter Maritz aber stieg in den Sattel und ritt aus, um den Schwarzen zu helfen. Die Ochsen waren weit verstreut, und es war ein schreckhaftes Wesen in sie gefahren. Sie waren nicht wie sonst in einem Trupp vereint, um auf die Ankunft der Schwarzen ruhig zu warten, sondern sie liefen unruhig zu zweien und dreien umher und scheuten bei dem Herannahen der Menschen. Denn während der Nacht waren wilde Tiere zwischen sie gefallen, und zwei von ihnen konnten überhaupt nicht aufgefunden werden, von zwei andern aber lagen die traurigen Überbleibsel, abgenagte Knochen und die Köpfe mit den Hörnern, auf dem Sande.

       Als der um vier Häupter verringerte Zug endlich angeschirrt war, ließ der Missionar die Richtung vom vergangenen Tage wieder einschlagen, und Pieter Maritz, der bis jetzt hinterher geritten war, nahm von nun an die Spitze und führte. Nach einer Stunde Weges fing die Landschaft an, belebter und schöner zu werden, Ansiedelungen von Menschen zeigten sich, und zwischen Waldstücken und den von der Natur allein angelegten Blumengärten tauchten bebaute Felder, auf denen Kaffee, Zucker, Baumwolle, Reis, Mais und Weizen gezogen wurden, und hier und da zerstreute Häuser auf. Man war im Kreise Lydenburg zwischen den Flüssen, die sich in den Elefantenfluß ergießen, und Feldwege, welche auf häufigern menschlichen Verkehr hindeuteten, erleichterten die Reise.

      Gegen Abend näherte sich der Zug einem großen Gehöft, wo der Missionar die Nacht über zu bleiben beschloß. Mehrere niedrige Häuser standen hier inmitten einer weiten grünen Fläche, welche von vielen kleinen Bächen durchrieselt wurde. Diese Bäche, welche Felder und Gärten bewässerten, waren von Menschenhand angelegt, indem ein nahes Flüßchen durch einen Querdamm angestaut und seitwärts in künstlich gegrabene Betten geleitet worden war. Mauern aus übereinander getürmten Bruchsteinen umgaben die Gärten, aus denen goldfarbige Orangen in glänzendem, lederartigem Laubwerk schimmerten. Innerhalb von Zäunen weidete zahlreiches Vieh, und die Gestalten schwarzer Knechte wandelten umher.

      Pieter Maritz ritt dem Wagen voraus, gerade auf das Wohnhaus zu, welches weiß getüncht mit dem schnörkelig verzierten Vordergiebel aus dem Fruchtgarten hervorblickte und vornehm abstach von den länglichen Lehmhütten der farbigen Dienstleute. Als sie näher kamen, öffnete sich die Hausthür, und ein Mann trat heraus. Er war groß und breit, sein Bart war grau, und im Munde hatte er eine kurze Thonpfeife. Er lehnte sich, die Hände in den Taschen seiner derben Lederhosen, an den Pfosten seiner Thür und musterte die Ankömmlinge.

      »Guten Tag, Oheim!« rief der Knabe nach der Sitte des Landes.

      »Guten Tag, Neffe,« antwortete der Buer, ohne sich zu regen.

      »Wollt Ihr uns die Nacht beherbergen?« fragte Pieter Maritz.

      »Wer seid ihr und wo wollt ihr hin?« fragte der Buer dagegen.

      Jetzt kam der Missionar heran und gab dem Hausherrn Auskunft über Ziel und Zweck der Reise.

      Der Buer reichte dem Missionar die Hand und lud ihn ein, hereinzukommen. Den Schwarzen wies er einen Platz an, wo sie ausspannen könnten.

      Der Missionar und Pieter Maritz traten in die Stube, deren Boden einer Scheunentenne glich und aus Lehm und Kuhmist bestand, die zu einer festen, glatten Masse vereinigt und festgestampft waren. Auf einem der handfesten Holzstühle saß die Frau, welche von den Gästen höflich als Tante begrüßt wurde. Sie war eine behäbige, runde Frau mit rot glänzendem Gesicht und hatte in den Händen eine große silberne Schnupftabaksdose, aus der sie von Zeit zu Zeit bedächtig eine Prise nahm. Neben ihr saß eine erwachsene Tochter, blondlockig und blauäugig, welche den Gruß der Gäste erwiderte, ohne von ihrem Schoß aufzusehen, wo sie ein Paar lederne Beinkleider nähte. Ein Knabe von zehn Jahren saß zu Füßen der Mutter und schnitzte einen Elefanten aus Holz.

      Der Buer ging an einen Schrank, holte eine Flasche und ein Glas hervor und schenkte den Ankömmlingen und sich selbst ein Zoopje zum Willkommen ein. Dann spuckte er höchst kunstvoll durch die halbe Stube hin aus dem Fenster und gab der Frau den Auftrag, für das Abendessen zu sorgen. Sie ging hinaus, und bald darauf kam eine schwarze Dienerin mit einer Schale Wasser und einem Tuche herein. Sie hockte vor dem Missionar nieder und lud ihn ein, sich zu waschen. Nachdem er sich Gesicht, Hände und Füße gewaschen hatte, erwies sie Pieter Maritz denselben Dienst.

      Als dann auf dem großen schweren Tisch die mächtige Schüssel mit Maisbrei dampfte und daneben Rinderbraten und Schaffleisch aufgestellt waren, traten nach und nach sieben erwachsene Söhne herein, die vom Felde kamen, allesamt mit langsamem, gewichtigem Schritte, sechs Fuß hoch, breitschulterig und ungehobelt. Dazu erschienen fünf Töchter, die aus der Küche und dem Garten kamen, tüchtige Mädchen mit roten Gesichtern und breiten harten Händen. Sie traten alle an den Tisch heran und falteten die Hände. Dazu kamen vier schwarze Dienerinnen in roten wollenen Röcken herein und stellten sich bescheiden an die Thür.

      Der Baas setzte sich an das eine Ende des Tisches und lud den Missionar ein, sich neben ihn zu setzen. Auch die Tante setzte sich. Alle andern aber standen.


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