Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann

Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal - August  Niemann


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bessere Sitten, denn wenn sie eine Beute teilen, fressen die alten Tiere zuerst, und die jungen warten, bis jene satt sind. Ist aber ein Löwe zu alt und schwach, um mit auf die Jagd zu gehen, so bringen ihm seine Kinder das Futter.«

      »Glaubst du, daß die Löwen dies mit Verstand und Überlegung thun?« fragte der Missionar.

      Molihabantschi sah ihn verwundert an. »Die Löwen sind sehr klug,« erwiderte er. »Ich sah einen Löwen, welcher auf einem Felsen am Flußufer lauerte, um Zebras zu fangen, welche zur Tränke gingen. Er wollte auf das letzte Tier der Herde springen, aber versah sich und sprang zu kurz, so daß die Zebras flohen und er keines davon bekam. Da beguckte er sich die Stelle, von wo er gesprungen war, und machte den Satz mehreremale, bis dieser weit genug war. Dann kamen noch zwei Löwen zu ihm und sie gingen zusammen auf und ab, wobei er ihnen die Stelle zeigte, wo die Zebras zu trinken pflegten. Sie sprachen dabei laut miteinander, doch konnte ich kein Wort verstehen, obschon sie stark brüllten.«

      Pieter Maritz und der Missionar wußten, daß die Kaffernvölker glauben, die Tiere sprächen miteinander, und sie lachten nicht über die Erzählung des Zulu. Sie schritten weiter im Thale hin und kamen zu ihrer Freude an ein Gewässer. Zwar war es nur ein Teich, der nicht im Fließen war und trübe aussah, aber sie waren glücklich. Der Missionar beschloß, hier Rast zu halten.

      »Ich habe die Absicht, mich nach Botschabelo, der Missionsstation, zu begeben,« sagte er zu dem Knaben. »Ich dachte diesen Platz in zwei Tagen zu erreichen, werde nun aber drei Tage auf den Weg verwenden müssen. Denn ich bringe die Ochsen heute nicht mehr weiter, vor allem aber wüßte ich nicht, wie ich die arme alte Frau fortbringen sollte, ohne daß der Wagen hierher kommt. Wir wollen umkehren und den Wagen holen.«

      Während dieser Worte ging der Missionar an das Wasser hinab, und er sowohl wie seine Begleiter und die beiden Pferde labten sich an einem Trunk. Pieter Maritz glaubte zu bemerken, daß die Zulus aufmerksam geworden wären, als sie den Namen Botschabelo hörten, doch achtete er nicht weiter darauf, weil sich ihm jetzt ein wunderlicher Anblick bot. Ein großer Vogel erhob sich auf dem jenseitigen Ufer, der einen dunklen Gegenstand in seinen Krallen trug. Er flog gerade empor und ließ dann das Ding, welches er trug, zu Boden fallen, auf die Steine, welche dort zerstreut lagen. Alsdann schoß er selbst herab, packte den Gegenstand von neuem und wiederholte dasselbe Spiel, indem er ihn aus der Höhe fallen ließ. Pieter Maritz ritt, da er sich dies nicht erklären konnte, eilig um den Teich herum, und bei seinem Herannahen ward der Vogel scheu und flog davon, ohne das Ding mitzunehmen, mit welchem er beschäftigt war. Der Knabe erreichte die Steine und sah, daß es eine Schildkröte war, welche der Raubvogel erbeutet hatte. Sie lag dort mit zerbrochenem Schilde, und der Vogel hatte sie auf die Steine geworfen, um sich ihres Fleisches bemächtigen zu können. Mehrere zerbrochene Schilder von Schildkröten lagen außerdem umher. Der Knabe hob das Tier auf, welches wohl fünfzehn Pfund wiegen mochte, und nahm es mit sich als einen Beitrag zum Abendessen.

      Dann kehrten die Reisenden zurück, um den Wagen zu holen. Sie kamen an der Stelle vorüber, wo das alte Weib saß, und fanden es wieder mit dem Kopfe auf den Knieen in seiner hockenden Lage. Sie gingen ruhig vorüber, um es nicht von neuem zu ängstigen, und stiegen wieder über den Hügel, welcher in die Ebene führte. Hier herrschte eine unendliche Glut, und die freie Fläche dort unten glich einem riesigen Herde, von welchem Hitze emporstrahlt. Sie blickten nach dem Wagen hin, der eine halbe Wegstunde entfernt sein mußte, aber anstatt der dunklen Gruppe, die sie vorhin beim Umschauen von dem Hügel aus gesehen, bot sich ihnen ein anderes und wunderbares Bild.

      Sie sahen einen See vor sich ausgebreitet, dessen heller Spiegel erfrischend glänzte, und dessen Ufer in lieblichster Weise mit schwankenden, vom Winde bewegten Bäumen eingefaßt waren. Schlanke Palmen, Tamarisken und Agaven wiegten ihre graziösen Blattflächen und hellen Blüten, und zwischen ihnen erhoben sich weiße Landhäuser und phantastische, spitze Türme mit goldenen Kuppeln.

      Staunend sahen sie diesen reizenden Anblick, welcher ein Paradies vor ihre brennenden Augen hinzauberte, und langsam schritten sie den Hügel hinab darauf zu. Da löste sich ein langer Zug von Menschen und Tieren von dem Gestade des lockenden Sees los und kam ihnen entgegen. Reiter und Fußgänger mit wallenden Mänteln und langen Speeren kamen daher, über ihren Häuptern flatterten Fahnen und ihre Waffen blitzten. Aber nach und nach, wie die Reisenden vorwärts kamen, wuchsen die vordersten Reiter des ihnen entgegenkommenden Zuges zu Riesen an. Ihre Lanzenspitzen reichten bis zum Himmel, und ihre Rosse wurden größer wie Giraffen und Elefanten. Sie gingen noch weiter vor, in Staunen verloren, und nun wurden die Gestalten und der See blässer und blässer, der wundersame Schimmer, welcher das Land verklärte, ward zu einem gelblichen, durchsichtigen Nebel, und endlich war alles verschwunden, und sie fanden sich in der glühenden gelben Sandwüste, den Wagen mit den verschmachtenden Ochsen gerade vor sich.

      Es hatte sich ihnen, wie der Missionar erklärte, eine Luftspiegelung, eine Fata Morgana gezeigt, welche zuweilen entsteht, wenn die Hitze der Sonnenstrahlen von der flachen Erde zurückgeworfen wird.

      Der letzte Rest aus dem Wasserfasse ward jetzt unter die Ochsen verteilt, um ihnen neuen Mut zu geben, und obwohl ein jedes Tier nur einen Zug thun durfte, war die Wirkung doch sehr belebend. Dann ging es vom Wege seitwärts ab nach dem hügeligen Lande. Die Ochsen merkten, daß es zur Rast ging, sie setzten ihre letzte Kraft daran und kamen stöhnend über den Hügel in das Thal. Aber als sie den Platz erreichten, wo die alte Frau sein mußte, da fanden sie ihren Körper zwar wieder, aber für jede Hilfe war es zu spät, denn die Seele war entflohen. Die Umschlingung ihrer Kniee mit den Armen hatte sich gelöst, ihr Kopf war nach rückwärts gefallen, und kein Atem bewegte mehr die Brust und die Lippen.

      Da sprach der Missionar ein Gebet, und die schwarzen Diener schaufelten eine Grube in den Sand und legten den mageren Leib hinein. Dann ging es wieder vorwärts. Mühsam wühlten sich die Ochsen durch den tiefen Sand des Thales nach den noch entfernt stehenden Bäumen und Büschen hin, welche den Ort des Teiches erkennen ließen. Sie ließen die Köpfe hängen und schnoben aus tiefster Brust.

      Mit einem Male begann ein Wind dem Zuge entgegenzuwehen, der einen seltsam frischen Hauch mit sich führte. Der Wind blies aus Nordost und er hatte eine Art von Beigeschmack wie von frischem Grase. Die Ochsen erhoben ihre Köpfe, sogen die Luft mit Begierde ein, und drangen schneller vor. Sie schüttelten die Joche, als seien sie ungeduldig, nicht ungehindert laufen zu können. Wenige Minuten später ward der Wind stärker, und ein sonderbares Heulen begleitete seinen Gang über die Hügel hin. Zugleich veränderte sich die Beleuchtung. Die Reisenden blickten sich um, da es war, als rücke ein Schatten von hinten her über den Himmel weg, und sie sahen, daß die kleinen zarten Wolken, welche um Mittag dicht über dem Horizont gestanden hatten, nun heraufgezogen waren und gleich Schneebergen, ganz weiß mit einem leichten, gelben Saume, dem Winde entgegeneilten.

      Nun entstand plötzlich eine Totenstille. Es war, als begegneten sich der Wind und die Schneeberge zu einem Kampfe und rüsteten sich schweigend. Die Ochsen standen still, kein Schlag brachte sie vorwärts, sie zitterten und bohrten ihre Hufe in den Boden.

      »Schirrt sie ab!« rief der Missionar. »Ein Gewitter kommt!«

      Alsbald stürzten sich die Schwarzen auf das Gespann, lösten die Jochhölzer ab und ließen das Zugseil fallen. Während sie so arbeiteten, zeigte der Himmel eine auffallende Veränderung. Die großen, den Schneebergen ähnlichen Wolken zogen mit scharf umrissenen Formen noch immer in der Richtung nach Nordosten, aber ihnen gegenüber waren, ohne daß man sagen konnte, woher sie kamen, andere Wolken entstanden, welche den entgegengesetzten Weg zogen. Diese gingen tiefer über der Erde hin und glichen losem Wasserdampf, der keine bestimmte Gestalt annimmt, sondern schleierartig wallt. Beide Wolkenschichten zogen mit großer Schnelligkeit gegeneinander und untereinander, und das Sonnenlicht verschwand vollständig. Es ward dunkel und noch immer dauerte die unheimliche Stille. Da, auf einen Schlag, brach ein gewaltiges Wetter los. Es sah aus, als sprängen Blitze in mannigfacher Form, im Zickzack, schräg hin und auch in Bogenlinien, von der Erde empor nach dem Himmel. Dann sah es wieder aus, als fiele eine feurige Kette in Stücken von den Wolken herab. Die Blitze fielen so häufig, daß oft zwanzig in einer Minute zu zählen waren, und ein Donner erschütterte die Luft, der Schlag auf Schlag mit solcher Kraft rollte, daß die Erde unter den Füßen der Reisenden bebte. Dies


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