Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann
mir alle verrosten!« rief er. »Und der feine Rollenkanaster!« hub er von neuem an, indem er von dem Kasten zu einer kleinen Tonne ging. »Hu, wie naß ist der Tabak! Wird ihn keiner mehr rauchen wollen, ist das ganze Aroma pleite gegangen!«
Doch nun ergriff der Smaus wirksame Maßregeln, seinen Schaden möglichst gering werden zu lassen. Er ließ alle seine durchnäßten Zeuge an dem Gebüsch zum Trocknen aufhängen, und es gewährte einen wunderlichen Anblick, das Ufer mit den bunten Stoffen und Blusen, Beinkleidern und Frauenkleidern behängt zu sehen. Tabak und Salz legte er in die Sonne und die Nägel trocknete er mit einem wollenen Tuche ab.
Bei alledem ließ er seine schwarzen Augen unaufhörlich hin und her rollen, von einem zum andern, um zu sehen, ob ihm keiner der Fremden etwas entwendete. Besonders hatte er die Schepsels in Obacht.
»Wartet nur, ihr sollt kriegen,« rief er. »Ihr habt mir geholfen, und ich will es euch lohnen, aber wartet nur, Geduld müßt ihr haben.«
Aber die Schepsels waren listig. Kobus hatte mit scharfem Blicke ein Fäßchen entdeckt, welches der Smaus vorsichtig mit dem Fuße verstohlenerweise hinter einen Kaktusbusch gerollt hatte, und kam mit dem Fäßchen angeschleppt, gleich als wollte er es retten. Während der schwer geprüfte Jude sich eben die Schweißtropfen von der Stirne wischte und seufzend dem Missionar erzählte, er habe schon seit vorgestern mittag hier am Flusse gewartet, weil derselbe vom Regen so sehr angeschwollen sei, daß er mit dem Wagen nicht durchgekonnt habe, machte sich Kobus in sonderbarer Weise mit dem Fäßchen zu thun, und plötzlich zeigte es sich, daß es nicht mehr dicht hielt. Kobus hielt ein Blechgefäß darunter und fing alsbald an zu trinken. Kaum hatten dies die andern Diener bemerkt, als sie alle Arbeit stehen und liegen ließen und sich auf das Fäßchen stürzten.
»Zoopje, Zoopje!« schrieen sie und hielten die Hände unter, um den stark duftenden Schnaps aufzufangen, der aus dem leck gewordenen Fasse lief.
Vergeblich rannte der bestürzte Jude auf sie zu und bat sie ihm den Schnaps nicht auszutrinken, vergeblich schalt er. Auch der Missionar erhob umsonst seine Stimme, um die Farbigen vom Trunke wegzuscheuchen. Die Schepsels ließen ihn reden, aber tranken weiter. Nur die Gesandten des Zulukönigs standen vornehm beiseite und blickten voll Verachtung auf die Scene. Da ergriff der Jude den Sjambock und ließ ihn auf die Rücken seiner Diener und der Diener des Missionars niedersausen. Die Schepsels zuckten und wanden sich, aber sie hörten nicht auf zu trinken. Das betäubende Getränk half ihnen über die Schmerzen der Rhinozerospeitsche hinweg, und sie standen erst auf, als sie satt waren. Nun waren sie überaus lustig, lachten laut und sangen, wandten sich mit tausend Bitten um Verzeihung an ihre Herren, beteuerten mit lallenden Zungen, daß sie nur hätten retten wollen, weil das Faß ja doch entzwei gewesen sei, und tanzten mit ungeheuerlichen Sprüngen umher. Nach und nach aber wurden sie müde, und einer nach dem andern sank im Grase nieder, um zu schlafen.
Währenddessen war es spät am Nachmittage geworden. Die Hilfe, welche der Zug des Missionars dem Handelsmann gebracht, hatte viel Zeit gekostet. Es wäre unmöglich gewesen, die Furt zu passieren, bevor nicht der Wagen des Smaus aus derselben entfernt worden wäre, und der gute Wille, dem Nächsten in der Not zu helfen, ging hier mit der Notwendigkeit, den Weg frei zu machen, Hand in Hand. Aber mehrere Stunden waren darüber verflossen, und es war nun nicht mehr an Fortsetzung der Reise zu denken, weil die Diener unfähig waren, ihren Dienst zu thun. Der Missionar beschloß, sich den Umständen zu fügen, und auch dem Smaus blieb nichts anderes übrig, als sich in das Schicksal zu finden. Die Herren selbst mußten sich unter Beistand des Knaben und der beiden Zulus dazu bequemen, die Ochsen auszuspannen und das Abendessen zu bereiten.
Der Platz war nicht ungeeignet, um dort die Nacht zu verbringen. Das Wichtigste war, daß Wasser in unmittelbarer Nähe war, so daß das Vieh saufen konnte. Dazu wuchs üppiges Gras, untermischt mit herrlichen Kallas und anderen Blumen am Ufer, zum Futter für die Tiere, und das ringsum laufende Dickicht bildete gleichsam einen Zaun, der die Ochsen verhinderte, sich allzu weit zu entfernen. Nur zeigte es sich schwierig, ein größeres Feuer anzuzünden. Hier in der Nähe des Flusses waren alle Gewächse so voll von Saft, daß sie nicht brennen wollten, und die Reisenden mußten sich mit dem kleinen Feuer begnügen, welches ausreichte, um die Speisen zu kochen, durften aber nicht hoffen, während der Nacht ein Lagerfeuer zur Abwehr der wilden Tiere unterhalten zu können. Die Zulus suchten mehrere Arme voll Zweige und Büsche zusammen, welche einigermaßen trocken waren und gingen dem Missionar unter Beobachtung einer gewissen stolzen Würde an die Hand. Der Jude brachte seinerseits Mais und Kaffee herbei, und so wurde eine Mahlzeit hergestellt, welche nach den Mühen des Tages herrlich schmeckte. Dann brach die Nacht herein, und sogleich begannen die hellen Sterne zu schimmern. Die Reisenden saßen im Kreise zusammen um das erlöschende Feuer. Pieter Maritz hatte seine Büchse neben sich liegen, ebenso der Jude, die Zulus lagerten auf ihren Mänteln von Tigerfell, welche sie sich aus dem Wagen herbeigeholt, und hatten ihre Assagaien, die scharfspitzigen Wurfspieße mit leichtem Rohrschaft, zur Hand, nur der Missionar, der unbewaffnet durch die Wildnis zog, auf Gott allein vertrauend, hatte ein Werkzeug der Wissenschaft neben sich, einen Sextanten, mit dem er die Höhe des Sternes Kanopus im Augenblick seines Durchganges durch den Meridian berechnen wollte. Er führte eine kleine Laterne mit Magnesiumdraht mit sich, welche er anzünden wollte, um die Zahlen auf dem Nonius ablesen zu können.
Ehe er jedoch seine Berechnung anfing, war er in ein Gespräch mit Pieter Maritz vertieft, der seine Verwunderung darüber aussprach, wie die farbigen Diener so ganz der Pflicht und der Gefahr der Lage vergessen und sich sinnloser Trunkenheit hätten hingeben können.
»Diese armen Leute sind wie die Kinder,« sagte der Missionar, »und die größte Schuld an ihrem schlechten Benehmen tragen gewissenlose Weiße, welche ihnen den Branntwein ins Land geführt haben.«
Der Smaus rückte auf seinem Lager und schien sich getroffen zu fühlen. »Wollen die Schepsels trinken, so finden sie immer Zoopje,« sagte er. »Bin ich's nicht, der ihn verkauft, so ist's ein anderer. Mache ich nicht das Geschäft, macht's ein anderer.«
»Das ist wohl wahr,« entgegnete der Missionar, »aber es gab eine Zeit, wo diese Leute den Branntwein überhaupt noch nicht kannten. Damals waren sie ein großes Volk, das bis ans Meer hin das ganze Land dicht bewohnte. Nun sind sie verstreut und sind die Knechte der Weißen. Wohl haben sie den Segen der christlichen Predigt erfahren, aber der Teufel säte viel Unkraut unter den Weizen, und die Gewinnsucht der Kolonisten verdarb, was die Prediger Gutes schufen. Ich habe ein altes Buch in meinem Wagen, Pieter Maritz, das will ich dir morgen zu lesen geben, so Gott will. Darin findest du die älteste Geschichte dieses Landes. Es ist zu Anfang des vorigen Jahrhunderts geschrieben, von einem meiner Landsleute, Peter Kolb, der lange Jahre am Kap gelebt hat. Er war von dem preußischen Geheimen Rat Baron von Krosigk im Jahre 1704 dorthin geschickt worden, um wissenschaftliche Untersuchungen anzustellen. Kannst du denn lesen, Pieter Maritz?«
»Jawohl,« erwiderte dieser stolz. »Ich habe schon von meinem zwölften Jahre an, sobald ich ordentlich reiten und schießen gelernt hatte, Unterricht im Lesen, Schreiben und Rechnen gehabt, und ich kann holländische und englische Bücher lesen.«
»Dann wirst du aber dieses Buch doch wohl nicht lesen können. Es ist deutsch geschrieben. Aber ich werde dir daraus erzählen, wenn du etwas von den ersten Thaten der Europäer in Südafrika wissen willst.«
»Es waren Holländer, die zuerst an das Kap kamen,« sagte Pieter Maritz. »Mein Vater hat mir erzählt, daß von Rechts wegen alles Land hier den Holländern gehörte, daß aber die Engländer es uns weggenommen hätten.«
»Zuerst war es ein portugiesischer Seemann, der die weite Fahrt nach der Südspitze von Afrika machte,« erzählte der Missionar. »Er hieß Bartholomeo Diaz und kam im Jahre 1486 mit drei Schiffen nach Sierra Parda, einem Küstenplatz im Lande der Namaquas. Dort richtete er ein Kreuz auf, aber zog bald wieder weiter, weil Stürme seine Schiffe bedrohten und seine Mannschaft unzufrieden war. Dann kam elf Jahre später ein anderer Portugiese, Vasco da Gama, und landete in Natal, begrüßte die dunkelbraunen Eingeborenen, welche Hottentotten genannt wurden, fuhr dann zur Mosselbai, wo er eine Säule mit dem portugiesischen Wappen aufrichtete, blieb aber auch nicht lange, sondern segelte nach Indien. Die Holländer kamen erst viel später, mehr als hundert Jahre nach diesen beiden portugiesischen