Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann
Schilde.«
»Ich beschwöre Euch, Baas, laßt diese Leute in Frieden,« entgegnete der Missionar. »Sie sind Abgesandte Tschetschwajos, des mächtigen Zulukönigs, und sie haben friedliche Absichten. Sie sind ausgesandt, um sich nach dem Christentum zu erkundigen, und ich erkenne die Liebe Jesu Christi darin, daß er das Herz des wilden Tschetschwajo gelenkt hat.«
Der Baas schüttelte den Kopf, nahm die kurze Thonpfeife aus dem Munde, strich den grauen Bart und sagte mit grimmigem Lächeln: »Tschetschwajo wird sich wenig um das Christentum bekümmern, alter Freund, es ist ihm um Raub und Mord zu thun, und diese Leute sind seine Spione. Auch hat er Missionare in seinem eigenen Lande, bei denen er genug über das Christentum erfahren kann, wenn er sich wirklich um dergleichen kümmerte. Aber es ist das alles ganz gleichgültig. Entweder sind diese beiden Männer Spione, und dann müssen sie tot geschossen werden, oder sie sind es nicht, und dann gebietet die Vorsicht, sie tot zu schießen, ehe sie es werden können. Denn es ist besser, diese Pfefferköpfe sterben, als daß Menschenblut vergossen wird.«
»O, ich bitte Euch, hört auf das Wort eines Mannes, der ein halbes Jahrhundert lang in diesem Lande dem Evangelium diente,« sagte der Missionar. »Sind denn die Schwarzen keine Menschen? Ihr seid nun in böser Stimmung, weil Ihr mit den Schwarzen erst gestern habt kämpfen müssen. Aber auch ich könnte in böser Stimmung sein, denn sie haben mir das Haus niedergebrannt, darin ich zehn Jahre lang ein Lehrer der Liebe war, und sie haben mir meine Gärten und Pflanzungen verwüstet. Doch wäre ich nicht wert, ein Diener Christi zu sein, wenn Groll gegen die Unwissenden und Ungläubigen in mein Herz eindringen könnte. So sollt auch Ihr gedenken, daß Ihr Christi Diener seid, denn Ihr seid Christen unter den Heiden und ein lebendiges Vorbild. Dazu sind diese Männer von einem andern Stamme und haben Euer Blut nicht vergossen.«
»Wie könnt Ihr das sagen?« entgegnete der Baas. »Sie sind vom Volke der Zulus, die beständig unsere Grenzen belästigen und mit denen unsere Brüder im Osten beständig Krieg führen. Eben dieses Zuluvolk war es, das uns vor zwei Jahren auf Anstiften der Engländer angriff und den Engländern zu einem Siege verhalf, den sie allein sicherlich nicht errungen hätten. Diese beiden sind nichts als Spione, die ausgesandt sind, um zu erforschen, wo der beste Angriffspunkt für Tschetschwajos wilde Horden ist. Dazu reden sie englisch, und das ist der deutlichste Beweis, daß sie unsere Feinde sind. Laßt uns denn nicht mehr viel Worte verschwenden, sondern ein Ende machen mit diesen Halunken. Zwei schwarze Teufel weniger macht zwei Feinde weniger, wie die Zeitläufte nun einmal sind.«
Die Buern machten von neuem ihre Gewehre fertig, denn das Ansehen und die Meinung ihres Ältesten überwog den Eindruck der Worte des Missionars. Dieser aber stellte sich den Mündungen entgegen und erhob von neuem seine Stimme.
»Diese Leute reden englisch, weil sie mit englischen Handelsleuten hierher gereist sind, und sie haben diese Sprache erst auf der Reise gelernt. Sie haben Hunderte von Meilen durchwandert, um die Stationen der Mission zu besuchen. Sie werden nach ihrer Rückkehr den gesegneten Samen des göttlichen Wortes im Lande der Finsternis verbreiten. Ihr begeht ein schweres Verbrechen, wenn Ihr der Lehre des Evangeliums hindernd in den Weg tretet und das Blut von Männern vergießt, die der Herr zu Trägern seines Wortes bestimmt hat.«
»Sind sie Christen geworden?« fragte Baas van der Goot.
»Nein,« sagte der Missionar, »sie sind noch keine Christen, aber ich hoffe, daß sie es noch werden, wenn sie näher mit dem Evangelium bekannt geworden sind.«
Von neuem erschien das grimmige Lächeln auf dem Gesichte des alten Buern. »Mein Freund,« sagte er, »ich will nicht so weit gehen, zu behaupten, daß Ihr uns betrügt, obwohl es klug wäre, in jetziger Zeit sich vor jedermann zu hüten, der nicht von holländischem Blute ist. Ihr seid zwar kein Engländer, doch Ihr seid ein Deutscher. Aber ich behaupte, daß diese schlauen Halunken Euch betrügen. Sie sind ausgeschickt, um die Menge der Büchsen zu zählen, die wir ins Feld führen können.«
»Ihr sagt, ich wäre ein Deutscher,« rief der Missionar eifrig, »aber das darf Euch kein Grund des Argwohns sein. Niemals mischen wir Missionare uns in die Politik, wir halten uns fern von Händeln und vom Streit und sind alle Brüder, mögen wir Holländer, Engländer oder Deutsche sein. Dafür zum Beweise seht hier die heilige Schrift! Dies selbe Buch hat Euerm großen Landsmann van der Kemp gehört, aus seinen Händen ging es in die meines Lehrers, des Engländers Moffat, über, und nun lehre ich aus ihm die heilige Predigt.«
Der Missionar hatte bei diesen Worten ein vergilbtes und durch langen Gebrauch zerschabtes Buch aus der Tasche gezogen und zeigte es den Buern. Er war wohlbekannt mit dem Ansehen, welches gedruckte Schriften bei den in den unwirtlicheren Landstrichen Transvaals umherziehenden Buern noch immer genossen, und rechnete dazu auf den Namen des berühmten Missionars van der Kemp als auf eine Beglaubigung seiner Persönlichkeit. Er hatte sich in seiner klugen Berechnung nicht geirrt. Die Buern drängten sich neugierig zusammen und betrachteten ehrfurchtsvoll das alte Buch, ein Neues Testament in holländischer Sprache. Baas van der Goot griff in seine Tasche und zog ein großes ledernes Futteral hervor, aus welchem er eine ungeheure Brille mit schwarzer Horneinfassung nahm. Diese Brille setzte er auf die Nase und hielt das Buch auf Armslänge von sich ab. Seine Augen waren, wenn sie über den Lauf der Büchse wegsahen, so scharf wie die eines Falken, aber er hielt es der Würde der Sache für angemessen, beim Lesen eine Brille zu gebrauchen.
»Doktor Johann Theodosius van der Kemp, 1799,« las er mit lauter Stimme und dann den mit vergilbter Tinte von des Doktors Hand geschriebenen Spruch: »Eure Lindigkeit lasset kund sein allen Leuten. Der Herr ist nahe.«
Der Spruch des Apostels und der Name des großen holländischen Missionars lenkten den Sinn des Baas auf einen andern Weg. Er klappte das Buch wieder zu, überreichte es ehrerbietig dem Eigentümer, räusperte sich und steckte seine Brille wieder in die Tasche.
»Was gedenkt Ihr zu thun, wenn ich diese Zulus ziehen lasse?« fragte er den Missionar. »Wohin werdet Ihr Euch wenden?«
Der Missionar rief die beiden Schwarzen zu sich heran, um sie durch seine persönliche Nähe besser schützen zu können, und erwiderte: »Ihr wißt, daß ich nur im Drange der Not gestern abend zu Euch stieß, denn mein Beruf ist nicht, mit Kriegsleuten zu ziehen. Ich werde meine Reise nach Südosten fortsetzen, um eine Station zu gründen an irgend einer Stelle, die Gott mir in seiner Gnade als eine günstige bezeichnen wird. Diese beiden Fremden werde ich mit mir nehmen als Gäste, so lange sie bei mir bleiben wollen, oder aber sie in ihre Heimat zurückkehren lassen, wenn sie das vorziehen.« Die Zulus sahen währenddessen den Missionar voll Dankbarkeit an, und ihre Augen funkelten von tiefem, unterdrücktem Gefühl.
»Es ist gut,« sagte der Älteste, »zieht in Frieden.«
»Auch mit Euch sei der Friede Gottes,« sagte der Missionar, indem er segnend seine Hände erhob. Dann wandte er sich und schritt in Begleitung der beiden von ihm geretteten schwarzen Männer dem Lager und seinem Wagen zu.
»Pieter Maritz!« rief Baas van der Goot.
Der Knabe näherte sich dem Ältesten, und dieser ging einige Schritte mit ihm auf die Seite, so daß er, ohne von den andern gehört zu werden, mit ihm reden konnte.
»Pieter Maritz, du wirst jetzt ein großer Junge,« sagte der alte Buer, ihn mit seinem strengen Auge messend. »Du wirst, wie ich denke, auch ein verständiger Junge sein. Dein Vater, Gott habe ihn selig, war einer unserer besten Männer, und deine Mutter ist eine fromme und tapfere Frau. Du wirst nicht aus der Art geschlagen sein, wie ich hoffe.«
Der Knabe errötete bei diesen Worten des Alten und blickte ihm erwartungsvoll fest ins Auge.
»Diese Zulus gefallen mir nicht,« fuhr der Baas fort. »Ich würde gern jemand mitschicken, der den Wagen des Herrn Missionars und die fremden Teufel begleitete. Denn ich möchte wohl sicher sein, daß sie auf guten Wegen bleiben und sich nicht etwa nach unsern Städten im Süden oder auch nach Osten, nach Lydenburg, hinschleichen und dort spionieren. Aber wir können keinen Mann entbehren. Deshalb habe ich daran gedacht, du solltest mitgehen. Ich werde mit deiner Mutter darüber reden. Du sollst den Herrn Missionar und seine Freunde begleiten und achtgeben. Merkst du, daß die Sache nicht richtig ist und daß die