Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann

Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal - August  Niemann


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Außer Andries Buurman, der in der Höhle von Makapanspoort sein Leben ausgehaucht hatte, war noch ein anderer tapferer Mann im Kampfe tot geblieben, und drei Buern lagen an ihren Wunden danieder. Klaas Buurman, der Bruder des Andries und Oheim des Knaben Pieter Maritz, ließ sich von seinem Neffen erzählen, was geschehen war, und führte ihn dann zu einem der großen Wagen, wo die Familie des Verstorbenen wohnte. Hier lagen des Knaben jüngere Geschwister, eine stattliche Schar von fünf Knaben und drei Mädchen, in sanftem Schlummer unter der schirmenden, hochgewölbten Decke, neben dem Wagen aber war eine Frau von starkem Wuchse eifrig beschäftigt, für die Zugochsen zu sorgen. Zwei Schwarze in wollenen Hemden mit nackten Armen und Beinen gingen ihr dabei gehorsam zur Hand, schütteten den Tieren Heu vor, gaben ihnen Wasser und wuschen ihnen die vom Joche wund gedrückten starken Nacken. So erfüllte die wackere Gattin außer den Pflichten der Mutter auch die des Hausherrn.

      Als sie ihren ältesten Sohn mit den Waffen und dem Pferde des Vaters in Begleitung des Klaas langsam und mit bekümmerter Miene herankommen sah, ging sie ihnen festen Schrittes entgegen, strich das lange goldblonde Haar vom Gesichte zurück und blickte ihren Sohn fragend an. Sie hörte die traurige Botschaft, und die Thränen rannen ihr langsam und schwer über die Wangen herab. Währenddessen drängten sich die schwarzen Dienstboten heran, indem sie die Ochsen und den Wagen verließen, wechselten Blicke untereinander und murmelten: »Der Baas ist tot, der Baas ist tot.«

      »Elisabeth, dein Mann ist tot,« sagte Klaas Buurman, indem er der bekümmerten Frau seine breite Hand auf die Schulter legte, »aber vergiß nicht, daß ich sein Bruder bin. Ich will auch dein Bruder sein.«

      Die Frau drückte ihm die Hand, und dann umarmte sie ihren Knaben und weinte an seinem Halse. Endlich richtete sie sich auf, wischte die Thränen ab und sagte: »Pieter Maritz, das Pferd ist müde.«

      Der Knabe führte das Tier zur Seite und versorgte es, die Frau schickte die Schwarzen an die Arbeit zurück und legte selbst mit Hand an, Klaas aber wandte sich zu seinem eigenen Wagen.

      Pieter Maritz hatte sich einen Haufen von Büschen neben dem Lager zurecht gelegt, das er für Jager aus Stroh und Blättern bereitet hatte, und streckte sich neben dem Pferde aus. Er sah noch eine kurze Weile die Sterne über seinem Kopfe schimmern, dann aber schlief er ein und wachte nicht eher auf, als bis der Himmel wieder hell geworden war. Er hörte ein Gewirr von Stimmen und drohende Worte, und als er sich aufrichtete, sah er, daß in einiger Entfernung schwarze Diener des Buernlagers zwei andere Schwarze gleichsam als Gefangene mit sich führten. Er konnte diese beiden Gefangenen leicht schon an ihrem Äußern als Fremde erkennen. Denn die Diener der Buern gingen zwar mit nackten Beinen, aber trugen blaue, rote oder schmutzig weiße Wollenhemden, die beiden Männer in ihrer Mitte aber waren völlig nackt, bis auf einen schmalen Lendengurt. Pieter Maritz sprang von seinem Lager auf und näherte sich neugierig der Gruppe. Er sah nun noch deutlicher, daß die beiden Gefangenen von einem fremden Stamme sein mußten. Sie waren dunkelfarbig, von hohem, schlankem Wuchs und stolzem Aussehen. Ihr Haar war sehr künstlich in krause Löckchen zusammengedreht und mit steifem Fett fest gehalten, ihr Körper war weniger dick mit Öl und Butter eingerieben, als er es sonst bei den Kaffern gesehen hatte, und ihr Benehmen war von einer gewissen Würde, so daß der Knabe dachte, es müßten vornehme Leute unter ihrem Volke sein. Er begleitete den lärmenden Haufen bis zum Mittelpunkte des Lagers, welches jetzt mit dem Anbruch des Tages zu erwachen anfing, und sah, daß sich mehrere ältere Buern versammelt hatten und, auf ihre Büchsen gestützt, das Herankommen der Schwarzen erwarteten.

      Mit vielem Geschrei und offenbar im Gefühle der eigenen großen Wichtigkeit berichteten die schwarzen Diener, daß sie diese beiden Fremden in der Nähe des Wagens des Missionars entdeckt hätten und daß es sicherlich Spione seien. Hierauf richtete der älteste unter den anwesenden Buern einige Fragen an die Fremden, aber diese antworteten nicht, verstanden augenscheinlich die holländische Sprache nicht und zeigten nur mit den Händen nach dem Wagen des Missionars, wobei sie durch Gebärden zu zeigen suchten, daß sie zu ihm gehörten.

      Aber die Buern sahen dem mit finsterm Gesichte zu, und der älteste unter ihnen, ein Mann mit langem, graugemischtem Barte, sprach nach einer Pause in ruhigem Tone: »Diese beiden fremden Spitzbuben sind sicherlich nicht in guter Absicht hierher gekommen, und da sie nicht sagen können, wer sie sind, so ist es wohl das Einfachste, wenn wir sie tot schießen.«

      Er blickte nach diesen Worten seine Genossen fragend an, und sie nickten ihm zu, um ihm auszudrücken, daß er mit seiner Ansicht auf ihren völligen Beifall rechnen könne.

      Hiermit schien der Urteilsspruch besiegelt zu sein, und zwei von den Buern warfen ihre Büchsen über den Rücken und gaben den Dienern einen Wink, die Gefangenen hinaus aufs freie Feld zu führen. Die Diener aber nahmen diesen Wink mit Freude auf, stießen ein Triumphgeheul aus und begannen die Verurteilten hinwegzuzerren.

      Pieter Maritz konnte dieser Scene nicht ohne das Gefühl des Mitleids für die Fremden zusehen. Er beobachtete die stolze Haltung, welche die schönen, schlanken und geschmeidigen Gestalten auszeichnete, und empfand in seinem Herzen die Neigung, ihnen beizustehen. Doch wagte er nicht, dem ehrwürdigen Ältesten der Gemeinde gegenüber den Mund aufzuthun, und er sah nur traurig zu, wie diese Leute, welche sich nicht verständlich machen konnten, von den Fäusten ihrer gemeineren Landsleute gepackt wurden. Aber nun schien der ältere von den beiden Verurteilten, indem er begriff, daß es sich um Leben und Tod handelte, einen neuen Entschluß gefaßt zu haben. Er stieß die Männer, die ihn hielten, mit einer kraftvollen Bewegung seiner nervigen Arme zurück und richtete dann an den Graubart in englischer Sprache einige Worte, aus denen zu verstehen war, daß er und sein Gefährte unter dem Schutze des Missionars ständen und Gesandte des Zulukönigs seien. Er redete das Englische sehr unvollkommen und mit einer schnalzenden Aussprache, doch war der Sinn seiner Worte klar, und das Wort Zulu traf alle, die es hörten, wie ein Schlag.

      »Zulu!« riefen die Schwarzen voll Verwunderung und mit einer Art von Schrecken. »Zulu!« sagte der Älteste der Buern mit düsterer Miene. »Es sind Zulus, und sie sprechen die Sprache unserer Feinde,« setzte er dann mit heftigem Tone hinzu, »wir wollen sie niederschießen, ehe sie ferneres Unheil anrichten können. Haltet sie fest, Leute, daß sie euch nicht entkommen, und führt sie vor das Lager hinaus.«

      Die Diener griffen von neuem zu, Pieter Maritz aber, von einem unüberwindlichen Mitleid getrieben, lief, so schnell er konnte, davon, um den deutschen Missionar zu benachrichtigen; denn er dachte, daß dieser vielleicht ein rettendes Wort für die armen Leute einlegen könnte. Er war in wenig Augenblicken bei dem Wagen angelangt, schwang sich hinauf, schlug das Verdeck vorn auseinander und sah den Greis in tiefem Schlafe liegen. Er trat an ihn heran und legte die Hand auf seinen Arm. Sofort schlug der Missionar die Augen auf, richtete sich empor und wandte seinen milden Blick auf des Knaben erregtes Gesicht. In kurzen Worten teilte ihm dieser den Vorfall mit, und der Missionar, der die Nacht angekleidet verbracht hatte, stieg alsbald vom Wagen herab und begab sich unter des Knaben Führung dorthin, wo die Gefangenen und ihre Richter waren. Man hatte die beiden Zulus bereits aus dem Ringe der Wagenburg hinausgeführt, und die Buern, ihre Büchsen im Arme, folgten den vorangehenden Schwarzen. Jetzt machten alle Halt, die Diener traten von den Gefangenen zurück, und diese kreuzten die Arme über der Brust und sahen unbewegten Blickes auf die harten, strengen Gesichter der weißen Männer, welche ihre Gewehre schußbereit machten. Sie waren nicht gefesselt, aber sie machten keinen Versuch, zu entfliehen, da sie wohl dachten, daß sie der verfolgenden Kugel doch nicht entgehen könnten, oder auch wohl den trotzigen Sinn und die Todesverachtung ihres Stammes den Weißen gegenüber bewähren wollten.

      In diesem Augenblick war der Missionar bis auf kurze Entfernung herangekommen, und nun streckte er seine Arme gegen die Buern aus und rief laut: »Haltet ein, haltet ein, vergießt nicht das Blut dieser unschuldigen Leute! Im Namen Gottes haltet ein!«

      Der Anblick des ehrwürdigen Mannes, dessen unbedecktes weißes Haupt im Glanz der Morgensonne zu leuchten schien, machte tiefen Eindruck auf alle Versammelten, und der Ton seiner Stimme erschütterte ihre Herzen. Die Buern setzten die Kolben ihrer Büchsen auf den Boden nieder, und die Gefangenen sahen mit hellen, freudigen Augen auf ihren Beschützer. Baas van der Goot aber, der Älteste, sagte mit unzufriedener Stimme zu dem nun herantretenden Missionar: »Warum wollt Ihr uns hindern, diese Taugenichtse aus der Welt


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