Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann
»Jawohl, Baas,« antwortete Pieter Maritz, dem das Herz von Stolz schwoll.
»Du wirst gut aufpassen, und du wirst zu Pferde sein,« fuhr der Älteste fort. »Das ist ein wichtiger und schwieriger Auftrag für deine jungen Jahre, also nimm dich zusammen. Wie und wann du zu uns wieder zurückkehrst, das ist deine Sorge. Knöpfe deine Augen und Ohren also hübsch auf, mein Junge. Warst ja soeben auch schnell bei der Hand, als du den Herrn Missionar herbeiholtest.«
Als Baas van der Goot so gesprochen hatte, ging er mit dem Knaben in den Lagerkreis zurück. Hier herrschte jetzt reges Leben, die Männer sahen nach ihren Waffen und Pferden, Frauen und Mädchen beschäftigten sich mit ihren Haushaltungen, saßen bei den Wagen, wuschen, nähten, melkten die Kühe und bereiteten das Frühstück für die Familien vor, die schwarzen Diener hockten um die Feuer und aßen Maisbrei aus dampfenden Töpfen. Über das alles goß eine hellstrahlende Sonne ihren blendenden Schein aus. Besondere Thätigkeit aber herrschte bei dem Wagen des Missionars. Seine drei schwarzen Diener, Jan, Kobus und Christian, banden die Seile los, mit denen die Hinterbeine der Ochsen zusammengebunden waren und trieben unter lautem Rufen die langhörnigen Tiere in eine Reihe zusammen. Sie hatten zolldicke Ochsenziemer von Rhinozeroshaut, die schrecklichen Sjambocks, in ihren schwarzen Fäusten, und laut schallend fielen die Hiebe, lange Streifen ziehend, auf das Fell der Ochsen. Paarweise ordneten sie die Tiere und schrieen dabei ein jedes mit seinem Namen an; denn alle vierundzwanzig Zugochsen, die zu diesem Wagen gehörten, hatten ihren eigenen Namen, den sie gut kannten. Dann schirrten sie sie paarweise an, indem sie sie an das lange, vorn an der Deichsel befestigte Zugseil heranstellten, welches aus vielen Riemen zusammengeflochten und mit den nötigen Jochhölzern versehen war, die den Tieren auf den Nacken gelegt wurden. Jedes Paar hatte sein bestimmtes Jochholz, einen schweren starken Ast, und wurde an demselben befestigt, indem ein viereckiges Gestell den Hals umfaßte und zugleich das Jochholz mit Stricken an den Hörnern festgebunden wurde.
Während dieser Zurüstungen stand der Missionar im Gespräch mit den beiden Zulus in der Nähe des Wagens. Sie unterredeten sich in der Bantusprache, welche sowohl die Schwarzen als der Missionar verstanden. Dieser kannte, seit langen Jahren in seinem schweren Berufe thätig und vielgewandert, viele Sprachen der schwarzen Völker. Bei dieser Unterredung aber fielen einige Bemerkungen, welche zeigten, daß der Argwohn des Baas van der Goot hinsichtlich der beiden Fremden nicht so ganz unbegründet war.
»Die Buern lieben es nicht, den Ton der englischen Sprache zu hören,« sagte der ältere von ihnen. »Die Engländer aber sind die Feinde der Zulus. Warum wollen nun die Buern die Zulus töten? Haben sie nicht dieselben Feinde wie wir?«
Der Missionar ward durch diese Worte unangenehm betroffen und sah dem Schwarzen prüfend ins Gesicht. Diese Leute hatten, seitdem er mit ihnen zusammen war, noch niemals über solche Dinge gesprochen, sondern nur nach den Lehren der christlichen Religion gefragt. Es schien ihm so, als habe die Aufregung der letzten Stunde und die drohende Todesgefahr ihren Mund gegen ihren Willen aufgeschlossen.
»Die Buern sind Christen gleich den Engländern,« entgegnete er, »und beide Völker sind nicht die Feinde der Zulus, sondern möchten sie glücklich machen, indem sie ihnen die Wahrheit über den großen Gott lehren, der alle Dinge erschaffen hat.«
Über das Antlitz des Zulu glitt ein Lächeln, und er verneigte sich höflich. »Mein Vater redet gewiß die Wahrheit,« sagte er, »aber er hat lange Zeit in einsamer Gegend gewohnt und weiß vielleicht nicht, was an den Grenzen vorgeht. So wissen auch diese Buern es vielleicht nicht, denn sonst würden sie ihre Schießgewehre nicht gegen die Gesandten Tschetschwajos erhoben haben.«
»Ich bekümmere mich nicht um Krieg und Handel,« sagte der Missionar ausweichend. »Ich bin ein Lehrer der frohen Botschaft, welche allen Menschen Frieden verkündigt.«
Der jüngere der Zulus mischte sich jetzt in das Gespräch, um ihm eine andere Wendung zu geben. »Tschetschwajo ist sehr stark,« sagte er. »Er ist der mächtige Elefant, der König der Könige, der König des Himmels. Er wird unserm Vater sehr dankbar sein, wenn er vernimmt, was er für uns gethan hat. Wird unser Vater uns erlauben, ihn ferner zu begleiten? Humbati und Molihabantschi können nicht sicher sein in diesen Landstrichen. Haben sie heute ihr Leben gerettet, so werden sie es morgen verlieren, denn die Buern streifen überall umher und werden sie sicherlich töten.«
»Es wäre mir lieber, ihr ginget euern eigenen Weg,« erwiderte der Missionar. »Seht zu, daß ihr so bald als möglich nach Hause kommt. Ihr seht, wie gefährlich es für euch ist, mit den Buern zusammenzutreffen, und ich bin nicht gewiß, euch immer beschützen zu können.«
Auf den Gesichtern der Zulus drückte sich Bestürzung aus. Sie sahen einander an und schwiegen eine Weile. Dann wandte sich der ältere von den beiden, Humbati, mit einer tiefen Verbeugung wieder an den Missionar und sagte mit demütigem, aber zugleich hofmännischem Wesen: »Mein Vater ist sehr mächtig und sehr gütig. Er wird seine Wohlthat nicht unvollendet lassen wollen. Die Gesandten des großen Königs werden die Güte des christlichen Lehrers zu preisen wissen, und sie werden des Königs Ohr offen finden. Tschetschwajo wird es den Missionaren in seinem Lande entgelten lassen, was unser Vater Gutes thut. Unser Vater möge uns erlauben, unter seinem Schutze weiterzureisen. Wir werden uns in dem rollenden Hause verborgen halten, wenn wir andern Weißen begegnen, oder wir werden unsers Vaters Sklaven sein auf der Reise.«
Der Missionar war unschlüssig, was er antworten sollte, da er ebensowohl wünschte, den Fremden seinen fernern Schutz zu gewähren, als auch fürchtete, in politische Händel verwickelt zu werden. Da näherten sich Baas van der Goot und Pieter Maritz. Der Knabe war mit Patronengurt und Hirschfänger ausgerüstet, trug die Büchse auf dem Rücken und führte Jager gesattelt neben sich her.
»Mein Freund,« sagte der Baas zu dem Missionar, »Ihr seid ein bejahrter Mann, und die schwarzen Schlingel, die Ihr zu Eurer Bedienung und Gesellschaft habt, werden Euch auf der Reise viel Sorge machen, da Ihr allein seid. Ich gebe Euch deshalb diesen jungen Menschen zur Hilfe mit. Er wird ein Auge auf die Schepsels haben und Euch zur Hand sein, wenn Ihr seiner Hilfe bedürfen solltet.«
Der Missionar sah nachdenklich vor sich hin und betrachtete dann den Knaben. Er fühlte die Bedeutung der Worte des Baas und merkte dessen Mißtrauen. Das entschied ihn, die bedrohten Zulumänner in seiner Begleitung zu behalten. Das Aussehen des Knaben gefiel ihm. Er hatte sich darüber gefreut, daß dieser ihn geweckt und herbeigeholt hatte, und war mit der Wahl dieser Begleitung zufrieden.
»Es ist gut,« sagte er, »ich danke Euch für Euere Sorglichkeit um mein Wohl.«
Der Baas ging und der Missionar reichte dem Knaben die Hand. »Wir wollen gute Freunde sein auf unserm Wege,« sagte er lächelnd. Der Knabe zog den Hut und küßte dem ehrwürdigen Geistlichen, dessen freundliches Antlitz ihm Ehrerbietung und Liebe einflößte, die braune, runzlige Hand. Dann schwang er sich in den Sattel und richtete seinen Blick aufmerksam auf die Vorbereitungen zur Abreise und besonders auf die beiden Zulus, welche in vornehmer Ruhe unbeweglich neben dem Wagen standen.
Die Ochsen waren jetzt sämtlich vorgespannt und bildeten, da ihrer zwölf Paare voreinander standen, eine sehr lange Reihe. Doch sah ihre Anschirrung noch sehr unordentlich aus, denn das Zugseil, an welchem sie alle ziehen sollten, lag manchen Tieren auf dem Rücken, bei manchen aber lag es wiederum zwischen dem Gespann am Boden. Es gab keinen gemeinsamen Zügel, sondern die farbigen Diener mußten neben den Tieren gehen und sie mit Peitschen lenken, einer von ihnen saß auf der Vorderkiste des Wagens, um die Hinterochsen anzutreiben. Diesen Platz hatte Kobus eingenommen, und als er sah, daß alle Tiere am Jochholz fest waren, schrie er mit gellender Stimme: »Treck!« Sämtliche Ochsen verstanden den Ruf und legten sich mit den Stirnen ins Geschirr, das harte Seil streifte über ihre Rücken fort, riß einen und den andern herum, der nicht in der rechten Richtung anzog, und setzte die gewaltige Maschine in Bewegung. Der Wagen war wohl vierzehn Fuß lang, vier Fuß breit, schwer aus mächtigem Holze erbaut, mit riesigen, dicken, eisenbeschlagenen Rädern, und glich mit seinem rund gespannten Leinwandzelt in der That einem rollenden Hause, wie der Zulu ihn genannt hatte.
Aber obwohl die Tiere angezogen hatten und nun gemessenen Schrittes vom Lager hinwegwandelten, hörten doch der Lärm und das Geschrei