Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann

Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal - August  Niemann


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sowohl wie der ihn begleitende Knabe so traurig aussahen, das war bei näherer Betrachtung leicht zu erkennen. Die linke Hand des Reiters hing bewegungslos an seiner Seite herab, und die Zügel lagen in der rechten. Dazu war diese gelähmte Hand mit einer Binde umwunden, welche von Blut gefärbt war, wie aus einer frischen Wunde. Außerdem aber war die Bluse auf der Brust mit dunkelroten Flecken reichlich bedeckt, und es war zu erkennen, daß auch hier, so nahe dem Sitze des Lebens, die Geschosse der Feinde bedrohlich gewirkt hatten. Auf diese Flecke und auf das Antlitz des verwundeten Mannes richteten sich die Blicke des besorgten Knaben an seiner Seite. Er hielt sich dicht am Pferde und war bereit, dem Vater eine Stütze zu sein, falls dieser etwa, vom Blutverlust geschwächt, nicht mehr imstande sein sollte, sich allein im Sattel zu halten. Er war ein kräftiger Knabe, dem Vater ähnlich an Gestalt. Unter seinem Hute hervor wallten blonde Locken bis auf den Kragen seiner Bluse herab und umrahmten ein frisches Gesicht mit hellen blauen Augen. Er war gleich dem Vater umgürtet und trug ein Waidmesser an der Hüfte, doch weiter keine Waffen. Ebenso trug er die hohen Stiefel, in welche die weiten Beinkleider hineingesteckt waren, doch keine Sporen.

      »Wir werden unsern Marsch nicht lange mehr fortsetzen können, ich fühle mich zu schwach, mein Junge,« sagte in holländischer Sprache der Vater. »Und wer weiß, ob diese schwarzen Teufel uns nicht doch überholen, wenn sie die Richtung entdecken, in der wir ihnen entwischt sind. Aber ich weiß ein Versteck hier in dieser Gegend, dort wollen wir uns verbergen. Es ist mir um dich zu thun, Pieter Maritz, mein guter Sohn, denn was mich betrifft, so fühle ich wohl, daß es mit mir zu Ende geht.«

      Indem der Reiter diese Worte mit schwacher Stimme sprach, lenkte er sein Pferd seitwärts nach dem Abhange des Berges zur Linken hin, in ein Dickicht. Das von der Sommerhitze verbrannte, lange, braune Gras, welches unter den Hufen des Pferdes und den Füßen des Knaben knisterte, hörte hier auf, und der Boden war mit frischen grünen Gewächsen bedeckt. Im Schatten hoher Agaven, deren gelbe Blumen hoch über dem Kopfe des Reiters leuchteten, hatte sich die Erde von dem letzten Gewitterguß feucht erhalten, und brennend rote Pelargonien, sowie die schirmförmigen, himmelblauen Blütenrispen der Kaplilie schimmerten zwischen dem Grün. Der Reiter richtete einen forschenden Blick auf die Gestalt der Felsen, deren rotbraune Flächen zwischen den Büschen hindurchschienen, und trieb das Pferd tiefer in das unwegsame Dickicht hinein. Kaktusbüsche von mannigfaltiger Gestalt, mit furchtbaren Stacheln bewaffnet, versperrten hier und dort den Weg und nötigten zu Umwegen, Schlingpflanzen zogen sich von Busch zu Busch und erschwerten das Vorwärtskommen. Endlich aber war die gesuchte Stelle erreicht. Eine mit grünem Moose überzogene Felswand zeigte sich dem Blicke. Hierher schien die Sonne nicht, denn sie richtete ihre Strahlen auf die andere Seite des Gebirges, und die Felswand lag im Schatten. Ein erfrischender Hauch ging von ihr aus, so daß das Pferd den Kopf erhob und mit den heißen Nüstern durstig schnupperte. Silberhelles Wasser rann in unzähligen Tropfen die Moosdecke hinab und bahnte sich einen Weg nach dem Thale hin.

      Der wunde Mann hielt das Pferd an und sah mit schwermütiger Miene rings um sich. Es war hier ganz still, nur das leise Rieseln des Wassers war vernehmbar, und aus der Ferne tönte von dem verlassenen Dickicht her der Ruf eines Pavians, der auf Wachtposten vor seiner Herde stehen und die Nähe des Menschen gewittert haben mochte.

      »Lange Jahre ist es her, daß ich zuletzt hier war,« sagte der Verwundete leise, »und ich hatte nicht gedacht, daß ich diesen Ort wiedersehen sollte.«

      Er ließ das Pferd wieder angehen und lenkte eine kurze Strecke weit längs der Felswand hin, bis sich in dieser eine Kluft eröffnete. In diese ritt er hinein, und der Knabe hielt sich dicht an seiner Seite. Auf beiden Seiten stiegen die Felsen schroff empor, und ihre Moosbekleidung ward von einem schräg und schmal hereinfallenden Sonnenblick wie mit Gold übergossen. Jetzt zeigte sich in der Kluft ein schmaler Einschnitt in der Wand zur Rechten, kaum breit genug, um Pferd und Reiter hindurchzulassen. Hier hinein ging der Weg. In der Dämmerung, die hier herrschte, ward es dem Knaben, der jetzt dem Pferde folgte, nicht leicht, die Gegenstände ringsum zu erkennen, doch schritt er dicht hinter dem Tiere weiter. Er bemerkte zur rechten Seite einen tiefen Schlund, der schwarz und unabsehbar, wie ein Brunnen, nur mit weit größerer Öffnung, sich hinabsenkte, zur linken Seite dagegen eröffnete sich gleich darauf eine breite mächtige Halle. Auch hier herrschte ein dämmerndes Licht, welches vom Himmel herab durch irgend welche Spalten oder Löcher hereinfallen mußte, und nur undeutlich zeichneten sich an der hohen Wölbung lange spitze Zacken von Tropfstein ab, welche wie Zieraten herabhingen. Von der Halle aus ging es in eine schräg abfallende Höhle, die mit Schutt und Geröll bedeckt war, und an deren Ende führte ein schmaler Eingang in eine zweite hochgewölbte natürliche Halle. Hier war der Boden mit Wasser bedeckt, welches dem Knaben anfänglich bis über die Knöchel reichte. Das Wasser wurde tiefer, je weiter die Flüchtigen in den Berg hinein vordrangen, und es ging dem Pferde bis über die Kniee, als der Reiter zur Seite und aufwärts lenkte, um eine neue Höhle zu erreichen, welche höher lag. Diese bildete einen weiten Saal von etwa dreißig Fuß Höhe, und man blickte von hier aus in eine lange Reihe von anderen ähnlichen Gewölben, deren Ende nicht abzusehen war. Es schien dem Knaben, als befinde er sich in einem unterirdischen Palaste, von dem er wohl die Großmutter in ihren Märchen hatte erzählen hören, und voll Staunen blickte er in den dämmerigen Räumen umher. Ein sonderbares Glitzern und Flimmern, wie von vielen geschliffenen Glasflächen, erfüllte diese unter der Oberfläche des Berges befindlichen Säle und war in der Ferne noch heller als an dem Orte, wo sein Vater jetzt das Pferd anhielt. Doch nicht ohne Schaudern gewahrte der Knabe eine Menge von Gegenständen, die den Boden bedeckten. Es waren gebleichte Knochen in großer Zahl. Hier starrte der Schädel eines Menschen mit leeren Augenhöhlen empor, und daneben lagen lange weiße Arm- und Beinröhren, deren Fleisch, und Blut vor vielen Jahren schon dahingeschwunden war. Dort lag ein ganzer Haufen von Knochen wirr durcheinander. Auch Schädel von Ochsen, an deren Stirn die langen, gewundenen spitzigen Hörner emporragten, lagen zwischen den Gebeinen der Menschen umher. Neben den Gerippen aber waren es noch andere Gegenstände, welche die Aufmerksamkeit des Knaben erregten. Da lagen zerbrochene Wurfspieße und Streitäxte, Bogen und Pfeile, dazu geflochtene Matten, Thonkrüge, Trinkflaschen der Kaffern, Tabaksdosen, allerhand Schmuckstücke, wie Halsketten von Tigerzähnen und kupferne Armringe, auch Mäntel von Fell und sonstige Gegenstände, welche von den afrikanischen Stämmen getragen werden. Das lag alles in wüster Unordnung durcheinander und machte auf den Knaben einen schauerlichen Eindruck. Denn diese unterirdischen Höhlen erschienen ihm wie die Grabstätte eines ganzen Volkes, und der Schimmer der Tropfsteingebilde an der Decke machte den Greuel am Boden nur noch deutlicher.

      Auch auf den Vater selbst wirkte dieser Ort mit der Gewalt von etwas Unheimlichem, und als der Sohn ihm fragend ins Gesicht sah, schüttelte er den Kopf und wies nach einer Ecke der Höhle hin, wo sich eine kleinere Abteilung, einer Nische gleich, befand und wo dichtes Moos die Erde bedeckte, aber keine jener schrecklichen Überbleibsel lagen.

      Mühsam stieg er alsdann, von dem Knaben gestützt, vom Pferde und ging wankenden Schrittes, auf dessen Schulter gelehnt, nach der bezeichneten Nische, die wie mit grünem Teppich bekleidet war. Dort breitete Pieter Maritz den Mantel, welchen er vom Rücken des Pferdes genommen hatte, auf dem Boden aus, nahm dem Vater die Büchse und den Patronengurt ab und half ihm sich niederzulegen. Stöhnend sank der gewaltige Mann hin und flüsterte mit trockenen, fieberheißen Lippen: »Wasser.«

      Pieter Maritz blickte sich um und sah, daß das Pferd, welches sich selbst überlassen geblieben war, seinem Instinkt folgend, dem Geruche frischen Wassers nachgegangen war und am andern Ende der Höhle mit niedergebeugtem Kopfe trank. Er ergriff eine der am Boden liegenden Trinkflaschen und ging eben dorthin, wo ein Quell aus dem Felsen hervorrieselte und ein schmales Bächlein bildete, das abwärts nach jener Höhle lief, durch welche sie gekommen waren. Hier spülte er die Trinkflasche sorgfältig rein, füllte sie und brachte den Trank seinem nach Labung lechzenden Vater. Dieser trank mit begierigen Zügen und sank dann mit einem Seufzer der Erleichterung auf sein Lager zurück. Der Knabe kniete neben ihm nieder und betrachtete traurig sein bleiches Gesicht.

      »Wir sind hier sicher vor Verfolgung,« hub der Verwundete nach einer Weile an. »Kein Kaffer wird sich hierher wagen, denn sie fürchten sich vor den Toten. Ein furchtbarer Kampf war hier vor mehr als zwanzig Jahren. Ich war mit dabei. Hier in dieser Höhle hatten sich Tausende von Schwarzen eingeschlossen, um sich gegen uns zu verteidigen,


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