Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann

Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal - August  Niemann


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Rat hielten, was sie thun sollten. Pieter Maritz hatte wohl Lust, dem größten unter ihnen, einem wild aussehenden Burschen, der ihn zähnefletschend von einem Stein herab ansah, zum Abschied eins auf den Pelz zu brennen, und zweimal war sein Zeigefinger schon im Begriff, an den Drücker zu rühren, aber er sagte sich: Ich bin davongekommen, ich will dankbar sein. Er zog den Kolben von der Backe herunter, warf das Gewehr über den Rücken und ergriff die Zügel, als Jager jetzt aus dem Thal ins Freie trat und alsbald in eine schnellere Gangart fiel.

      Auch dem Pferde war angst gewesen. Der Schweiß lief ihm vom Körper herab, obwohl es der vielen Steine und verschlungenen Wurzeln wegen hatte im Schritt gehen müssen. Sobald es jetzt auf die freie Ebene kam, schnob es tief und kräftig, hob den Kopf und setzte sich in den schnellsten Galopp. Pieter Maritz drückte den Hut fester auf den Kopf, beugte sich vor und ließ Jager laufen, wie er laufen wollte. Das Tier bewahrte die Schnelligkeit, durch die es berühmt war und die ihm den Namen Jager verschafft hatte, da es auf der Jagd das Wild von fern witterte, ehe noch der Reiter es erblicken konnte, und selbst die Antilope und den Strauß überholte. Wie die Windsbraut fegte Jager mit seiner leichten Last über die Ebene dahin.

      Aber die Sonne neigte sich zum Untergange. Ihre schrägen Strahlen übergossen das Land mit rotgoldenem Lichte und ließen das Heidekraut, über welches die Hufe des Rosses dahineilten, weithin, soweit das Auge blickte, wie einen roten Teppich erscheinen. Der Schatten von Roß und Reiter war riesengroß angewachsen und begleitete den eiligen Ritt gleich einer am Boden hinfliegenden sonderbar gestalteten Wolke. Jetzt sank die Sonne unter den Horizont, und mit einem Schlage verbreitete sich völlige Finsternis über Himmel und Erde. Pieter Maritz spähte sorgenvoll umher. Was sollte er beginnen? Sollte er das Pferd anhalten und auf freier Ebene die Nacht verbringen? Aber schon hörte er in der Ferne den Ruf der Schakale und Hyänen, welche ihre Schlupfwinkel verließen, um ihrer Beute nachzugehen. Sollte er versuchen, beim Schein der jetzt am Himmel hell aufleuchtenden Sterne ein Gebüsch zu erreichen, wo er hoffen durfte, ein Feuer anzünden zu können, um die Raubtiere während der Nacht fern zu halten? Aber er fürchtete, durch den Schein des Feuers etwa umherstreifende Kaffern herbeizulocken, die ihm, dem einzelnen Knaben, gefährlich werden konnten. Er beschloß nichts zu thun, sondern im Sattel zu bleiben und sich ganz der Führung des Pferdes zu überlassen. Jager war mit Einbruch der Dunkelheit in Schritt verfallen und verschnaufte von dem meilenweiten schnellen Lauf. Er ging vorsichtig weiter und spitzte die Ohren. Der Knabe zog ein Stück getrocknetes Antilopenfleisch aus der Tasche und aß. Er hatte seit dem Morgen nichts genossen, und nur die Aufregung des ereignisreichen Tages hatte seinen Hunger betäubt. Jetzt aß er mit gierigem Appetit das ganze Fleisch, welches er bei sich trug, und trank dazu von dem Wasser, das er vorsichtigerweise in der Trinkflasche aus der Höhle mitgenommen hatte.

      Währenddessen erhellte sich die Nacht immer mehr, die Sterne funkelten mit Brillantlicht, und die Mondsichel erschien in reiner silberner Klarheit über der schwarzen runden Linie, die im Osten die Erde vom Himmel abschnitt. Aber während das Licht dem Geiste des Knaben Beruhigung einflößte, wurde er zugleich auch darauf aufmerksam, daß die Wüste lebendiger wurde. Das entfernte Heulen und lachende Bellen der Hyänen und Schakale, welches ein seinem Ohre wohlbekannter Ton war, verstärkte sich und schien näher zu kommen. Auch Jager mußte diese unheimlichen Laute vernommen und verstanden haben. Er schnob kräftiger, und sein Gang ward unruhig. Er stutzte zu Zeiten und schnupperte, als wollte er die Luft nach Anzeichen von Gefahr durchforschen, und setzte sich dann mit hoch emporgehobenen Füßen wieder in Bewegung.

      Mit einem Male erscholl ein neuer Ton über die Wildnis dahin, welcher für kurze Zeit alle übrigen verstummen machte. Er klang aus weiter Ferne und war nicht laut, aber es war eine erschütternde Kraft in der Art und Weise seines Klanges. Es war wie ein Donner aus einer fernen Wolke, ein langhin hallender tiefer Klang. Jager stemmte im Schrecken seine vier Füße fest gegen den Boden und bog sich zusammen. Pieter Maritz fühlte, wie des Pferdes Flanken zitterten. Es hatte die Stimme des Löwen erkannt. Dann sprang es mit einem ungeheuren Satze vorwärts, so daß der Knabe seiner ganzen Reitkunst bedurfte, um sich im Sattel zu erhalten, und flog in erneutem Galopp über den Boden hin. Seine Müdigkeit schien völlig verschwunden zu sein, die Angst gab ihm Flügel, und schneller noch als vorhin jagten seine Hufe über das Heidekraut. Noch einmal und ein drittes Mal erklang nach langen Pausen der fürchterliche Ton, welcher die Stimmen der schwächeren Raubtiere zum Schweigen brachte, und das Brüllen schien näher zu kommen. Kein Spornstreich hätte Jagers Eile so beschleunigen können. Pieter Maritz ließ ihm die Zügel und überließ sich völlig dem Instinkt des edlen Tieres. Er bemerkte, daß es eine bestimmte Richtung festhielt und selbst in seiner Angst nicht von ihr abirrte. Pfeilgerade lief es nach Südosten, wie der Knabe an dem Stande der Sonne gemerkt hatte und jetzt an der Stellung der Sternbilder sah. So wurde Meile nach Meile zurückgelegt, die Nachtluft pfiff durch des Knaben Locken und ließ die weiche Mähne und den langen Schweif des Rosses nach rückwärts flattern. Sollte es immerfort, ohne das Ziel zu erreichen, so weitergehen, bis Erschöpfung dem Rennen ein Ende machte?

      Da wurde der Knabe auf einen Schimmer aufmerksam, der gerade vor ihm mit mattem, rötlichem Schein den Himmel färbte. Der Schimmer war nahe über der Erde und verlor sich nach oben in einem weißlichen Streifen, gleich einer leichten Wolke. Er ward immer deutlicher, je weiter der Ritt ging, und frohe Hoffnung ließ des Knaben Herz lebhafter pochen. Er erkannte, daß der rote Schein nur von einem großen Feuer ausgehen konnte, und wo das Feuer war, da mußten auch Menschen sein. Seine Hoffnung täuschte ihn nicht. Bald sah er deutlich die roten Flammen mehrerer Lagerfeuer und den Qualm und Rauch brennender Rhenosterbüsche gen Himmel steigen.

      Er jauchzte vor Freude, als er näher kam. Das treue kluge Tier hatte ihn zu den Seinigen zurückgetragen. In einem großen Kreise standen wohl zwanzig riesige Wagen mit hell schimmernden runden Verdecken, zahllose langhörnige Ochsen waren teils an diesen Wagen festgebunden und teils in einem von Stricken umzäunten Pferch versammelt. Mehrere Feuer inmitten der Wagenburg loderten empor, und ihr rotes Licht, welches bald hell flammte und bald einen düstern Schein aus erstickendem Rauch warf, erhellte den ganzen Umkreis.

      Pieter Maritz drängte sein Pferd zwischen dem Vieh hindurch in den Kreis der Wagen und sah an dem größten der Feuer eine zahlreiche Versammlung von Buern, Männer und Frauen, darunter auch seine eigene Familie lautlos versammelt. Sie hörten der Abendandacht zu, welche ein stattlicher Mann mit unbedecktem, weißem Haupte und langem, weißem Bart hielt. Pieter Maritz kannte diesen Mann nicht, hörte aber an seiner Aussprache des Holländischen, daß es ein Deutscher sein müsse. Als Kanzel diente dem Prediger der Vorderkasten einer der großen Wagen, so daß er über der schweigenden und andächtigen Gemeinde stand. Sein ehrwürdiges Antlitz war vom Feuerschein hell beleuchtet. Er sprach über die Verwüstung, die der letzte Kampf angerichtet habe, und tröstete seine Zuhörer über ihre Verluste. Zuletzt stimmte er mit starker Stimme und dem Ausdruck unerschütterlicher Zuversicht eine Hymne an und sang:

      Für eine Zeitlang wohl mag Satan siegen,

       Sein finstres Reich hält er für sicher dann,

       Gerechter Männer Bitten unterliegen,

       Des Himmels frohe Botschaft langt nicht an.

       Doch harr' im Glauben aus, bald wird ersprießen

       Das Samenkorn, das zu ersticken schien,

       Von Zions Höhen wird ein Regen fließen

       und fruchtbar durch das Land der Dürre ziehn.

       Dann lacht die Flur und wird mit Grün sich schmücken

       Jehovahs Preis das bange Herz beglücken.

       Die Gesandten des Zulukönigs

       Inhaltsverzeichnis

      Als sich nach der Beendigung des nächtlichen Gottesdienstes unter den Familien der hier versammelten Buern die Nachricht


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