Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann
schien durch die Fenster herein. Er las langsam und bedächtig, und alle hörten voll Andacht zu. Dann klappte er das Buch zu, und das Essen ging an. Die Familie saß um den Tisch herum, und die farbigen Mädchen bedienten. Ein jeder hatte einen Teller, aber nur die Gäste außer dem Hausherrn und der Hausfrau hatten Messer und Gabel. Die Söhne zogen ihr Taschenmesser hervor, wetzten es an der Schuhsohle und zerschnitten damit ihr Fleisch. Gewaltige Haufen des köstlichen Maisbreies vertilgten sie alle. Zum Nachtisch boten die Dienerinnen herrliche Früchte an: Apfelsinen, Pfirsiche, Feigen und Weintrauben. Zum Beschlusse ward den Männern wieder ein Zoopje eingeschenkt und hierauf das Dankgebet gesprochen.
Herrlich schliefen in dieser Nacht die Reisenden in wirklichen Betten.
Ehe sie am folgenden Morgen weiter zogen, führte der gastfreie Baas sie noch in seinen Besitzungen umher und zeigte ihnen mit besonderem Stolze seine Straußenzucht. Er hatte an hundert dieser großen Vögel auf einem weiten Platze eingezäumt. Die Tiere schritten mit ihren langen Beinen und Hälsen gravitätisch einher und schauten neugierig nach dem Besuche aus.
»Ehedem war es nötig, die Tiere zu jagen,« erzählte der Buer, »und die Jagd war mühsam, weil die Vögel sehr scharf sehen und flink auf den Beinen sind. Die Kaffern hatten eine hübsche Manier, sie zu jagen. Sie strichen ihre Beine weiß an, nahmen einen Sattel auf die Schultern, der mit Straußenfedern besteckt war, und hielten einen Stock über ihren Kopf, an dem ein Straußenhals und Straußenkopf befestigt war. In der andern Hand hielten sie Bogen und Pfeil. So schlichen sie an die Herde heran, und wahrhaftig, sie machten es so listig, daß Sie selbst, Mynheer, auf zwei-, dreihundert Schritte nicht gesehen hätten, ob ein wirklicher Strauß oder ein Pfefferkopf herankam. Aber die Tiere wurden allmählich selten, und Straußenjagd wurde ein schlechtes Geschäft. Nun züchte ich sie, und wir ziehen ihnen die besten Federn aus. Freilich haben sie es nicht gern, weil es weh thut, und zwei starke Schepsels haben ihre Not, den Vogel zu halten, während der dritte ihm die Federn ausreißt. Aber sie werden gut bezahlt. Ein Pfund von den guten weißen Federn ist am Kap seine 35 bis 40 Pfund Sterling wert. Dazu gehören etwa hundert Federn. Jedes von den männlichen Tieren trägt ein Kleid, das seine 10 Pfund Sterling wert ist, die Weibchen sind freilich nur den sechsten Teil davon wert.«
Nach einem reichlichen Frühstück von Kaffee, Maisbrei und Ziegenfleisch machten sich die Reisenden von neuem auf den Weg und schieden von ihrem Wirt mit freundlichem Wunsche einer guten Gesundheit, aber ohne zu danken, nach der Sitte des gastfreien Landes. Kaatje, die jüngste Tochter, brachte noch einen Binsenkorb mit Apfelsinen an den Wagen, dann schrie Kobus: »Treck!« und die Ochsen zogen an.
Zwei Tage ging es weiter, und eine Nacht dazwischen hielten die Reisenden wieder bei einem Buern Rast, dann erblickte Pieter Maritz am Abend des zweiten Tages den Turm der hoch gelegenen Kirche von Botschabelo. Langsam ging es den gewundenen Weg bergauf, und dann lag die vom Missionar Merensky gegründete Station dicht vor des Knaben Augen. Auf dem Gipfel des Berges war eine kleine Festung erbaut, welche den Ansiedelungen Schutz gegen feindliche Angriffe gewähren sollte und auch wirklich gegen die Häuptlinge Sekukuni und Mapoch gewährt hatte. Die kleine Festung war zu Ehren des Königs von Preußen, nachmaligen deutschen Kaisers, Fort Wilhelm genannt worden und schloß die Missionsgebäude in sich. Rund herum zog sich draußen ein Kranz von Kaffernhütten, und diese waren von Kaffernfamilien bewohnt, welche das Evangelium angenommen hatten und einen Teil der um die Mission versammelten Gemeinde bildeten. Weiter unten im Thale lagen zahlreichere Hütten, und hier hatte sich der Hauptstamm der Gemeinde angesiedelt, ein aus drei verschiedenen Kafferstämmen, den Basutos, Bakopas und Bapedis zusammengesetzter Volkshaufe von mehr als 1000 Köpfen, Männern, Frauen und Kindern. So sah Pieter Maritz denn auch sehr verschiedenartige Gesichtsbildungen und Färbungen unter dem Volke, daß sich draußen um die Hütten herumtrieb. Zum größten Teil waren es Kinder und alte Weiber, während die Männer und jüngeren Weiber noch auf dem Felde beschäftigt und abwesend waren. Viele Kinder mit gewaltig dicken Bäuchen krochen nackt im Sande umher, und die Weiber, welche daheim geblieben waren, beschäftigten sich mit den einfachen häuslichen Verrichtungen, in denen dies arme Volk von seinen christlichen Lehrern unterwiesen worden war.
Im Versammlungshause auf dem Berge war Erstaunen und Freude unter den Brüdern, als der greise Missionar erschien, und er mußte erzählen, wie es ihm in den Jahren ergangen war, wo er fern im unwirtlichen Norden gelebt hatte. Der Superintendent selber war gegenwärtig und außerdem mehrere Missionare mit ihren Familien. Botschabelo war die größte unter den deutschen Stationen in Südafrika und Sitz der Superintendentur. Es war eine große Freude für den alten Mann, wieder einmal die Töne der Muttersprache zu hören, mit Brüdern im Dienste Gottes zu verkehren und die köstliche Häuslichkeit wiederzusehen, die von deutscher Frauenhand geleitet wird. Auch auf Pieter Maritz machte dies Zusammenleben von Männern, die ihr Leben der Arbeit im Weinberge des Herrn geweiht haben und die alle Freuden der Welt zu opfern gewillt sind, um den Heiden das Evangelium zu predigen, einen tiefen und erhebenden Eindruck. Als sich diesen Abend die Brüder und die Gemeinde in der geräumigen Missionskirche zum Abendgottesdienst versammelten und sich die Kniee so vieler schwarzen Menschen, die dem Christentum gewonnen waren, vor Gott in Andacht beugten, da fühlte der Knabe bei der Stimme des Predigers so mächtig wie noch nie die Gewalt der Lehre, von welcher kein Wort verloren gehen soll, wenn auch Himmel und Erde vergehen.
Beim Abendessen wurde gemeinsam besprochen, wohin der greise Missionar sich nun wohl am besten wenden würde. Denn er war ein feuriger Geist und liebte es mehr, hinaus an die fernsten Grenzen und in die schwierigsten Verhältnisse zu ziehen, als sich dem bequemeren Dienste anzuschließen. Ein jüngerer Bruder war kürzlich aus Natal eingetroffen und erzählte, daß die politische Lage zwischen den Engländern, den Buern und den Zulus sehr unsicher sei.
»England hat seine Herrschaft über die Transvaalbuern verkündigt und gedenkt sie auch zu behaupten,« sagte er. »Aber die Engländer sehen wohl ein, daß sie damit auch verpflichtet sind, die Buern vor den Angriffen der Zulus zu schützen. Ich habe ein Vögelchen pfeifen hören, das sang: Die Engländer rüsten einen Feldzug gegen den übermütigen Tschetschwajo.«
Pieter Maritz, der dabei saß, wurde ganz rot. Die Buern sind Manns genug, sich selbst zu schützen, dachte er. Er konnte nur mit Mühe seine Zunge im Zaum halten, doch sagte er sich, daß es ihm in Gegenwart so ehrwürdiger und gelehrter Leute nicht zustehe, den Mund zu öffnen.
»Wir hier in Botschabelo werden davon wenig berührt werden,« sagte ein anderer Bruder. »Wir liegen weit ab vom Kampfplatz. Wenn nur die Matabeles und Bapedis nicht wieder aufrührerisch werden durch Kriegsgerüchte! Zwar sind Sekukuni und Mapoch gedemütigt, doch ist überall umher unruhiges Volk, denn ihre eiteln Herzen trachten immer nach Neuem und sehnen sich nach Beute. So haben wir jetzt zwar im Norden Ruhe, aber im Osten gefällt es mir nicht.«
»Was ist im Osten?« fragte der alte Missionar.
»In den Drakensbergen wohnt ein Paar gefährlicher Räuber mit großem Anhang,« entgegnete der andere. »Solange sie dort blieben, waren sie uns nicht gefährlich, denn sie waren wohl fünfzehn Meilen von uns entfernt. Aber sie sind frech geworden und haben sich zuzeiten nach Norden hin bis in das Gebiet von Neuschottland gewagt, um Vieh zu stehlen. Ja, sie haben sich in den großen Wäldern zwei Meilen östlich von uns gezeigt.«
»Was sind es für Räuber, und von welchem Stamme sind sie?«
»Das ist eine ganze Geschichte,« erwiderte jener. »Es sind zwei Brüder, welche ehedem Fürsten waren, und sie sind vom Stamme der Basuto. Welchen Namen sie unter ihrem eigenen Volke hatten, weiß ich nicht, die Buern aber haben den ältern Bruder Titus Afrikaner, den jüngeren Fledermaus genannt, und unter diesen Namen sind sie der Schrecken der Kreise Utrecht, Wakkerstroom und Lydenburg geworden. Sie lebten ehedem im Oranjefreistaat, besaßen in ihrer Jugend ihre eigenen großen Herden, schossen ihr eigenes Wild, tranken aus ihren eigenen Bächen und ließen die Musik ihrer heidnischen Gesänge zu dem Winde erklingen, der über die Kalambaberge weht, wie sie im Oranjefreistaat die südwestliche Verlängerung der Drakensberge nennen. Als aber die holländischen Ansiedler an Zahl immer mehr zunahmen und sich des Grundes und Bodens bemächtigten, wo Titus Afrikaner und Fledermaus samt ihren Unterthanen zu jagen und zu weiden gewohnt waren, da zogen die schwarzen Fürsten zuerst weiter nach Norden, und endlich kamen sie in die Abhängigkeit der