Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal. August Niemann

Pieter Maritz, der Buernsohn von Transvaal - August  Niemann


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habe einen kleinen Streifzug durch diese Gegend gemacht, weil es bei uns hieß, das Land sei nicht ganz sicher. Man spricht von ein paar schwarzen Kerlen — Titus Afrikaner und Fledermaus heißen sie, wenn ich nicht irre —, die hier umhervagabondieren. Es würde eine heilsame Lehre sein, wenn wir einmal den einen oder den anderen der Niggers aufknüpften.«

      Während er so sprach, hatte sich die Thüre geöffnet, und der Soldat mit den goldenen Abzeichen auf dem Ärmel war hereingetreten. Er pflanzte sich gerade vor dem Leutnant in strammer Haltung hin, legte die Hand an den Helm und sagte: »Ich habe Eurer Herrlichkeit zu melden, daß die Mannschaft und die Pferde untergebracht sind. Haben Eure Herrlichkeit noch weitere Befehle?«

      »Es ist gut, Wachtmeister,« antwortete der Leutnant, »ich danke Ihnen.«

      Der Unteroffizier zauderte zu gehen.

      »Es wäre wohl gut, einen Posten auszustellen,« sagte er dann. »Wenn Eure Herrlichkeit befehlen, werde ich eine Vedette an den Rand des Thales postieren.«

      »Ach lassen Sie das,« erwiderte Lord Adolphus Fitzherbert. »Wozu sollen wir die Leute müde machen? Was soll hier bei Niggern und Bauern passieren?«

      Der Wachtmeister machte kehrt und marschierte sporenklirrend ab. Pieter Maritz wunderte sich, daß hier der alte erfahrene Kriegsmann von einem unerfahrenen Jüngling Befehle erhalte, während bei den Buern der Ältere das Kommando hatte. Er war unbekannt mit den Unterschieden von Rang und Stand.

      »Sind Sie schon lange in Afrika, Mylord?« fragte der Superintendent.

      »Ich bin erst vor vierzehn Tagen aus England gekommen,« antwortete der junge Offizier.

      »Es sind ziemlich viel neue Truppen gelandet, soviel ich weiß.«

      »Ja,« sagte der Leutnant, »die Transvaal-Buern machen uns mehr Plackerei, als sie wert sind. Nun wir sie einmal beherrschen, müssen wir sie auch beschützen. Sie möchten uns sonst von den Niggers aufgefressen werden.«

      Pieter Maritz konnte sich bei diesen Worten nicht mehr halten. Er sprang auf und rief dem Engländer zu: »Wenn du die Transvaal-Buern kenntest, so würdest du das nicht sagen. Weder von den Niggern noch auch von euch Engländern werden sie gefressen werden.«

      »Das ist wohl einer von ihnen, ein echter Bauernjunge!« sagte der Lord höhnisch. »Mache, daß du hinauskommst, Schlingel.«

      Wenn nicht in dieser Sekunde der alte Missionar den Knaben am Arm ergriffen und festgehalten hätte, so würde es einen schlimmen Auftritt gegeben haben. Denn Pieter Maritz war so sehr außer sich, daß er den Offizier thätlich angreifen wollte. Aber der Missionar brachte ihn bald zur Ruhe.

      »Was willst du thun, Unbesonnener?« sagte er in holländischer Sprache. »Willst du das Haus deiner Wirte in Gefahr bringen? Halte dich ruhig, die Demut ist die erste Tugend des Christen.«

      Pieter Maritz ließ sich widerstandslos von dem verehrten Manne hinausführen, obgleich das Blut ihm in den Adern kochte. Draußen stand er schwer atmend still und starrte dem Missionar ratlos in das Gesicht. Das Gefühl der erlittenen Beleidigung stritt in ihm mit dem Wunsche, gehorsam und gut zu sein.

      »Du bist brav,« sprach der Missionar, der den Zwiespalt der Gefühle in des Knaben Brust begriff. »Ich freue mich, daß du mir folgst, denn sich selbst zu besiegen ist die größte Heldenthat. Wir müssen vorsichtig sein, daß wir nicht den Bestand unserer Station gefährden. Dieser unerfahrene und unbesonnene Fant, der die Dragoner befehligt, könnte uns, wenn ihm Widriges begegnete, in ein schlechtes Licht bei der britischen Regierung bringen, die doch einmal unsere Obrigkeit ist und Gewalt über uns hat.«

      »Es ist aber sehr schwer, sich so etwas gefallen zu lassen,« antwortete Pieter Maritz. »Dergleichen ist mir noch niemals begegnet.«

      Der Missionar zuckte die Achseln. »Du bist auch noch jung,« sagte er, »und du kennst noch nicht den Übermut der Großen der Erde. Dieser junge Mann ist ein Lord, das heißt, er ist aus einer sehr vornehmen englischen Familie, und die vornehmen Engländer sind den Königen gleich, da sie die Ersten sind in einem Staate, der über viele große und reiche Länder gebietet. Aber freilich, du weißt ja auch nicht, was ein König ist.«

      Der Missionar kehrte nach diesen Worten wieder um und ging, nachdem er Pieter Maritz gebeten hatte, das Speisezimmer zu vermeiden, zu der Gesellschaft zurück. Dieser aber wandte sich, durch einen lauten Lärm angezogen, einem andern Teile des Gebäudes zu. Aus Mangel an Raum war den Dragonern ein grüner Rasenplatz inmitten der Häuser als Aufenthaltsort zum Speisen angewiesen worden, und hier saßen sie in fröhlichem Lärm an mehreren gedeckten Tischen. Sie hatten ihre langen schweren Pallasche und Karabiner in die Ecken gestellt und an den Wänden aufgehangen, hatten die weißen Korkhelme, welche sie in den tropischen Klimaten anstatt der gewöhnlichen Helme tragen, beiseite gelegt und ließen sich den Antilopenbraten und das Schöpsenfleisch, welches ihnen in reichen Massen aufgetragen wurde, vortrefflich schmecken. Dazu tranken sie Branntwein und ein leichtes Bier, welches in Botschabelo selbst gebraut war.

       Pieter Maritz fand, daß nicht er allein da war, um sich die Fremden anzusehen. Viel Volk aus dem Dorfe war heraufgekommen, und einige hübsche junge Weiber hatten ihre Halsketten von Tigerzähnen, Glasperlen und kleinen Schildkröten umgehängt, ihre besten Tücher und Röcke umgethan und zeigten sich lachend von ferne, um ebensowohl gesehen zu werden als selbst zu sehen. Es währte auch nicht lange, so wurden sie von den Dragonern hereingerufen, und Pieter Maritz wunderte sich, zu sehen, wie die Krieger mit den schwarzen Mädchen scherzten und Späße trieben, ganz unähnlich dem ehrbaren Benehmen in den Familien und Versammlungen der Buern. Und auch über das jugendliche Aussehen der meisten Dragoner wunderte er sich. Der Wachtmeister zwar war ein starker Mann in den höheren Jahren und glich wohl den Gestalten, die er unter den Seinigen als Krieger kannte, aber viele von den Gemeinen waren junge Leute, welche nicht sehr kräftig aussahen. Pieter Maritz zog sich bald zurück. Er mochte es nicht mit ansehen, wie die fremden Soldaten hier tranken und lachten und thaten, als ob sie die Herren wären. Er besuchte noch den treuen Jager, um sich zu überzeugen, daß die Gesellschaft der Dragonerpferde ihm nichts von seiner Bequemlichkeit raube, und ging dann in seine Kammer in einem der Nebengebäude zwischen den Ställen, um zu schlafen. Noch indem er die Augen schloß, sah er Lord Adolphus Fitzherbert mit den weißen Händen und der hochmütigen Miene vor sich stehen.

      Schon früh am Morgen wachte Pieter Maritz auf und ging alsbald in den Stall, um Jager zu füttern und zu putzen. Es hatte ihm gestern einen kleinen Stich gegeben, daß die Pferde der Engländer blanker aussahen als Jager; aber Jager hatte auch in der letzten Zeit viel durchmachen müssen, Sturm, Regen und glühende Sonne hatten sein Fell sehr mitgenommen. Nun hatte das Pferd sich in Botschabelo erholen können, es sah sehr frisch und munter aus, und Pieter Maritz versuchte, ihm durch eifriges Reiben mit Strohwischen einen schönen Glanz zu geben. Auch Dragoner stellten sich bald darauf im Stalle ein und putzten ebenfalls. Pieter Maritz bekümmerte sich nicht viel um sie, sattelte Jager und ritt hinaus, um sich nach dem Wagen des Missionars umzusehen. Er fand Kobus, Jan und Christian damit beschäftigt, die Zugochsen auf den Wiesen zusammenzutreiben, und kehrte dann nach Fort Wilhelm zurück, fest entschlossen, sich dem Zuge des Missionars zuzugesellen.

       Als er in den Hof der kleinen Festung einritt, sah er, daß die Dragoner sich zum Abmarsch ordneten. Der jugendliche Leutnant hielt zu Pferde vor ihrer Front, und neben ihm standen mehrere der Brüder, welche sich mit ihm unterhielten. Der Leutnant warf einen Blick auf Pieter Maritz und rief plötzlich: »Da ist ja unser ungehobelter Bauernbursche von gestern. Er kann sich heute nützlich machen. Wir haben noch keinen Führer. Gewiß kennt er diese Gegend ganz genau. Komm einmal her, Bursche, du sollst uns führen. Wir wollen auf dem besten Wege nach Pretoria.«

      Pieter Maritz ritt näher, sah dem Engländer voll Trotz ins Auge und sagte: »Wenn ich den Weg auch kennte, so würde ich Euch doch nicht führen.«

      »Oho!« rief der Leutnant. »Das klingt ja wie Widersetzlichkeit. Ich gebe dir hiermit den Befehl, uns zu führen.«

      »Und ich führe Euch nicht,« entgegnete Pieter Maritz. »Niemand hat mir Befehle zu geben, ich bin ein freier Bürger von Transvaal, der südafrikanischen Republik.«


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