Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel. Johann Karl Wezel

Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel - Johann Karl Wezel


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Gott so liebhätte und dir noch mehr solche Eichenreiser bescherte! – Ich hab ihrer schon zwölfe.

       EUPH

      Was helfen sie dir? – Wenn du ihrer tausend hättest: Du mußt doch arbeiten.

       MART

      Darum arbeit ich eben; um unter einer schönen Birke zu liegen, wenn ich tot bin, darum arbeit ich. – Arbeitet ihr denn nicht?

       EUPH

      Unsre Arbeit ist das Vergnügen. Wir geben und nehmen Visiten – das ist Beschäftigung genug!

       MART

      Also seid ihr nur zur Visite in der Welt? – Hm! Schnakisch!

       EUPH

      Ja, guter Martin, das sind alles Dinge über deinen Horizont. Du kennst die große Welt nicht; dein Gefühl ist für ihre Annehmlichkeiten zu stumpf.

       MART

      Ja, aber was habt ihr denn am Ende davon, wenn ihr alle Tage Visiten gegeben habt und alle Leute gelobt habt?

       EUPH

      Titel, Rang, Ehre –

       MART

      So? wahrhaftig? – Je nu, freilich! solche wie ihr kann unsereins nicht bekommen; – ich bin Flurwächter – wenn ich viel Eichenreiser verdiene, so wird's schon weitergehn.

       EUPH

      Um immer mehr zu arbeiten?

       MART

      Was nützt mir denn sonst der Titel? – Itzt halt ich die Grenzen von bösem Gesindel rein; verdien ich mir einen höhern Titel, so werd ich schon etwas Nützlicheres zu tun bekommen.

       EUPH

      Schon wieder gemeine Begriffe! – Ein Titel muß bessere Equipagen, mehr Komplimente, mehr Bediente, mehr Visiten verschaffen, sonst taugt er nichts. Tue noch so viel Nützliches – was ist das? – Du hast Arbeit dabei und weiter nichts.

       MART

      Ei, ei! – Wenn ich's bis zum Dorfaufseher bringe, so lieg ich nach meinem Tode an der langen Mauer und bekomme zwei Birken auf mein Grab.

       EUPH

      Ach, mit deinen Birken! – Was du in deinem Leben genießest, ist dein; alles andre ist Grille, Einbildung. – Arbeite so viel, als nötig ist, um nicht Hunger zu leiden; pflege dich und laß sich einen Platz an der langen Mauer erarbeiten, wer Phantast genug dazu ist! – Sei glücklich –

       MART

      Das bin ich! – und will es noch mehr werden, wenn ich mehr Gutes tue.

      »Bleibe du bei deinen Grundsätzen!« fiel ihm Eupator ins Wort. »Sie werden dich gewiß so glücklich machen, als du sein kannst.«

      »Das hoff ich!« sagte Martin mit zuversichtlichem Tone und kehrte, nachdem er von Eupatorn ein kleines Geschenk bekommen hatte, zu seiner Arbeit mit fröhlichem Mute zurück.

      »Sehen Sie!« sagte Eupator, vor Freude ganz außer sich gesetzt, »ich habe gewonnen. So denken, so handeln alle, die meine Kinder sind; denn dafür hält sich ein jeder, der mir angehört.«

      Euphorb, der sein Vergnügen merkte, stellte sich so erstaunt, als wenn er aus dem obersten Wolkenraume herabgefallen wäre, gab vor, daß er kaum seinen Augen und seinen Ohren trauen könne, erhub Eupators Anstalten als Wunderwerke und versicherte, daß sie in den nächsten Gesellschaften bei Hofe und in der Stadt, in der Antichambre und bei Visiten sein einziges Gespräch sein sollten und daß er gewiß nicht unterlassen würde, bei der ersten Aufwartung seinem und Eupators Herrn die höchste Idee davon zu machen. Eupator, so stark er sonst wider den Eindruck der Schmeicheleien verwahrt war, glaubte diesmal alles Wort für Wort und wurde so heiter als ein junges Mädchen, dem die Eltern zu wissen tun, daß es nun Zeit sei, sich nach einem Manne für sie umzusehen. Um Euphorbens Erstaunen bis zur Bestürzung zu erhöhen, versprach er, ihm einen jungen Mann zu zeigen, den der vorhin gesprochne Martin, vermöge seiner flurwächterlichen Pflicht, wegen eines Diebstahls eingeführt habe und der durch seine politische Bekehrungsmethode in kurzer Zeit mit den Grundsätzen seines Staates so vertraut worden sei, als wenn er sie aus Mutterleibe mitgebracht hätte. Es versteht sich, daß Euphorb vor Ungeduld brannte, dieses herrliche Früchtchen seiner klugen Anstalten kennenzulernen – und dieses war niemand als unser Philosoph.

       Inhaltsverzeichnis

      Sobald sie vom Spaziergange zurückkamen, wurde er herbeigeholt. Euphorb, ein Kenner von schönen Formen, hatte zwar alle Mühe, ein hervorbrechendes Lachen bei seiner Erblickung zu unterdrücken, doch faßte er geschwind alle seine Ernsthaftigkeit zusammen, um ein ähnliches Examen mit ihm anzustellen, hörte seine Geschichte, bewunderte sie, weil sie Eupator bewunderte, und wußte schon die nächste Minute kein Wort mehr davon. – Knaut hielt wahrhaftig, mit aller angebornen und erworbnen Philosophie, Euphorbs Anfälle nicht so standhaft aus als Martin mit seinem erlernten eingeprägten Gefühle von Ehre. Die Sache ist: Die Ehrbegierde des letztern war durch Übung und Gewohnheit auf einen bestimmten Punkt geheftet, hatte einen bestimmten Gang darnach empfangen, den sie nicht wieder verlassen konnte; hingegen Knauts Verlangen nach Ruhm war eine gesammelte Quelle, die allenthalben einen Durchgang sucht, von einer Stelle zur andern läuft, um durchzubrechen, und nur einen Druck vom Zufalle erwartet, um den Fuß des Berges zu zerreißen und durch die gemachte Öffnung hervorzuströmen; hat der Bach, den sie bildet, einmal sich sein Bette gemacht, dann ist sein Lauf bestimmt, und nur eine heftige Wirkung der Natur zwingt ihn, seine Richtung zu ändern. Solange bei unserm Philosophen dieser Durchbruch seiner Ruhmbegierde, die Richtung ihres Laufes nicht nach einem gewissen Gegenstande bestimmt ist, so irrt sie auf jeden Schlag äußrer Reizungen von einer Seite des Herzens zur andern; laßt nur einmal einen durchdringenden Schlag geschehen, so geht ihr ganzer Strom unaufgehalten dahin, wo er die Öffnung machte.

      Diese Ursache war es, warum er Euphorben zwar mutig versicherte, daß er beständig glücklich sei – wiewohl er dies mit einem seufzenden Akzente sagte –, daß das Glück nur in der Einbildung bestehe, daß der höchste Gipfel des Glücks Ruhm und Ehre sei – ei sieh doch! ein neuer Zusatz zu seinem System! –, daß man sich über andre emporschwingen müsse; so weit ging zwar alles gut, allein da ihn Euphorb seine Methode, Ehre zu gewinnen, lehrte; da er ihm die Torheit aller der Helden und großen Männer bewies, die Knauts Ruhmbegierde angezündet hatten, die handgreifliche Torheit, sein Leben und Ruhe tausend Beschwerlichkeiten der Arbeit aufzuopfern, um eine Ehre nach dem Tode zu erjagen, die sie nicht selbst empfanden; da er ihm den angenehmem Blumenweg des feinen Weltmannes zeigte, der auf ebnen Pfaden, in lustreichen Auen, unter den lachendsten Gegenständen, unter den anmutigsten Veränderungen tanzend und singend zu einer Ehre dahinhüpft, die ihn mit einem unmittelbaren Genüsse beseligt – da, da stutzte die Philosophie meines Helden, seine Empfindung, seine Begierde nach Superiorität schwankte, und es kam ihm wirklich der Gedanke, völlig ausgedacht, ein: Das scheint wohl nicht übel! – Wenn du – auf einem solchen Wege – das letzte stotterte er bei sich, gleichsam als wenn ihn eine geheime Scham für sich selbst zurückhielt, sich diesen Wunsch so geradezu ins Gesicht zu sagen; und diese Scham war nicht etwa Scham der Tugend – dieses Wort, das an sich, im rechten Verstande, das reellste Ding auf unserm Planeten, aber in dem Kopfe und Munde der meisten Philosophen, Dichter und Redner eine von der Einbildungskraft aufgeschwellte strotzende Idee oder eine schöne ideenleere Phrase ist, wovon meinem Philosophen der gute Selmann sehr viel bisweilen ziemlich Deklamatorisches vorgeredet hatte, war bei Mangel an Nahrung aus seinem Gehirne weggedünstet; das Wort hielt sich wohl noch unter seinen Ideen auf – welcher Mensch hat es nicht in dem Plunderkasten seines Gedächtnisses liegen? –, aber es lag einsam in einem Winkel,


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