Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel. Johann Karl Wezel

Die wichtigsten Werke von Johann Karl Wezel - Johann Karl Wezel


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freundlich nach den Bewegungsgründen, die ihn angetrieben hätten, seine Ehre einem schändlichen Vorteile aufzuopfern. – »Der Hunger«, war seine runde Antwort. Auf etliche andre Fragen folgte die Erzählung der bisher ausgestandnen Drangseligkeiten, die ihn seinem Examinator viel wichtiger machten, und noch mehr tat dieses sein Geständnis, daß er nichtsdestoweniger beständig glücklich gewesen sei. Der Mann stattete einen Bericht bei Eupatorn ab, der ihn nach der Bekanntschaft seines Gefangnen begierig machte. Er ließ ihn vor sich kommen und hörte mit Erstaunen Grundsätze, die man nach seinem Bedünken nirgends als in seiner Monarchie lernen und ausüben konnte. Wem sollte ein solcher Mensch nicht gefallen? Hätte Eupator gleich weniger Eigenliebe als ein Hofmann und ein Philosoph, so müßte er ihn schon deswegen als einen würdigen vortrefflichen Mann betrachten, weil er so denkt wie er; aber der menschenfreundliche Monarchienbauer wurde von einem noch höheren Interesse regiert; er schrieb diese Gleichförmigkeit der Denkungsart mit derjenigen, die er in seinem Staate herrschend machen wollte, lediglich dem Unterrichte zu, der ihm während seiner Gefangenschaft erteilt worden war, ob ihn gleich eine kurze Überlegung belehren konnte, daß sich in so kurzer Zeit die Denkungsart eines Menschen nicht so in eine Form zwingen lasse, als wenn sie gleich bei der Geburt hineingegossen wäre – aber um des Himmels willen! wer wird eine solche freudestörende Untersuchung einer menschlichen Eigenliebe zumuten? – Ohne zu bemerken, daß der Delinquent seinen Glauben an eine ununterbrochne Glückseligkeit von einer Zeit datierte, wo er weder Eupatorn noch seine Monarchie kannte, dachte er nur daran, daß dieses der erste Beweis von der Güte seiner Kriminalanstalten sei und ihm in Zukunft noch mehrere glückliche Erfolge verspreche – dachte dies, freute sich herzlich darüber, bekam eine wahre Liebe für den Mann, dessen schnelle Bekehrung ihm diese Freude verursacht hatte, und nahm ihn feierlich zu einem Mitgliede seines Staates und zu seinem Lieblinge auf. Wer ihn in dieser menschenfreundlichen Illusion hätte stören wollen, der wäre wert gewesen – welche Strafe erkenne ich ihm nur zu? – Wenn doch glücklicherweise alles von Menschen wimmelte, die auf den Zug ihrer Eigenliebe Gutes täten und sich einbildeten, es um des Guten willen zu tun! – Wer aus einer gutmeinenden stolzen Schwäche die Vorstellung nicht ertragen kann, daß es doch im Grunde die Eigenliebe ist, die ihn dazu hinzog, den wollen wir in dieser Illusion nicht stören; nur halte er es nicht für gefährlich oder eine Blasphemie wider die Tugend, wenn andre ehrliche Leute stark genug sind, die Zergliederung ihrer Handlungen und Triebe bis auf den letzten Grad zu verfolgen, zu dem sie durchdringen können, und sich nicht schämen, zu gestehn, daß das Maschinenwerk ihrer Tugend auf die Art in Bewegung gesetzt wird, wie es die Natur anlegte. Auch dürfen sie nicht denken, daß sie dadurch unter diese Scharfsichtigern herabgesetzt werden, und noch viel weniger dürfen diese Scharfsichtigern jene, die in einem gewissen Falle es weniger sind, unter sich erniedrigen wollen; der Mensch muß allemal, wenn er lebhaft und mit Feuer handeln soll, in einem gewissen Grade nach Illusion handeln, und der Mann, der es einsieht, wie vielen Anteil die Eigenliebe an unsern guten Handlungen hat, tut vielleicht viel Gutes und Nützliches um des Ruhms willen und sieht nicht ein, daß zur Begierde nach Ruhm die größte Illusion gehört – und darf es auch nicht einsehn, wenigstens bis auf einen gewissen Punkt nicht! – Ein menschliches Wesen, das alle Illusion, das heißt, wo ein Klumpen dunkler unentwickelter Ideen auf die Federn unsrer Tätigkeit zudrücken, ganz aufheben wollte oder nie darein geraten könnte, wäre ein untätiger Dummkopf oder ein untätiger stoischer Weise.

      Mag doch also Eupator immerhin durch die Illusion seiner Eigenliebe verführt werden, meinen Helden zu lieben und ihn sogar hochzuschätzen; ich lobe ihn darum nicht weniger und ehre den Mann, dessen Eigenliebe eine so wohltätige menschenfreundliche Richtung bekommen hat.

      Hier ist es, wo ich zu denen zurückzukommen versprach, die den Eigennutz als das einzige Schwungrad des menschlichen Herzens ansehn. Wir wollten uns miteinander vergleichen, und es soll auch geschehen. Ohne Zweifel haben wir einerlei Idee im Kopfe und nur zweierlei Worte. – Helvetius tat vielen Leuten einen großen Gefallen, daß er das Interesse zur allgemeinen bewegenden Kraft bei der Freundschaft, dem Patriotismus und jeder tugendhaften Handlung erhub; man verstund das Wort in der eingeschränkten Bedeutung, in welcher es seine Feinde, die Jesuiten, nahmen; ein jeder fand die Behauptung des Philosophen in diesem Sinne durch seine eigne Denkungsart bestätigt und freute sich, den niedrigen gewinnsüchtigen Eigennutz, den alle Philosophen tadelten, durch einen Philosophen so geadelt zu sehn; Helvetius wurde ihr Mann, ihr Kabinettsphilosoph, weil er nach ihrer falschen Einbildung ihre Denkungsart predigte. Darum ist er, deucht mich, der Busenfreund einiger Weltleute geworden, die keinem Weltweisen außer ihm die Ehre ihrer Freundschaft gönnen; die Gunst verschiedener Philosophen war er gewiß den vielen Wahrheiten schuldig, die er – freilich unter einer Menge Sophistereien – mit einem Feuer sagt, das allein schon einsichtsvolle empfindende Leser hinreißen muß.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Versöhnung war zustande, und – was mich noch mehr freut – mein Held auf das beste wieder versorgt, der Liebling eines wahrhaftig guten und großen Mannes, der Mitbürger einer Monarchie, wo das oberste Gesetz befiehlt, sich glücklich zu dünken, und zwar beständig.

      Eupator wünschte wohl keine großen Gesellschaften und bedurfte sie auch nicht, weil ihn die Einrichtung, Verbesserung und Regierung seines kleinen Staates genugsam beschäftigte, um der Langeweile keinen Platz zu lassen; allein welcher Mensch kann nachdenken und kein Vergnügen daran finden, die Resultate seines Nachsinnens andern mitzuteilen? Deswegen war ihm unser Philosoph doppelt wert: Er hörte gelassen seine Spekulationen an, billigte sie oder schwieg und – widersprach nie. In diesen Unterhaltungen predigte ihm Eupator unaufhörlich von den großen Leidenschaften, dem Bestreben nach Ruhm und Ehre; bewies ihm aus Geschichte und Erfahrung, daß Staaten nur alsdann groß und glücklich gewesen wären, wenn diese beiden Flammen in der Brust ihrer Bürger gebrannt hätten; daß durch ihre Wärme jede politische Tugend erweckt und zur Reife gebracht werde; daß ein Mensch durch sie über die Menschheit sich erhebe und ohne sie unter dem Haufen alltäglicher Menschen verliere – und eine Menge ähnlicher Phrasen des politischen und philosophischen Rednerstils; alles war in seinen Reden, beides Ideen und Ausdruck, mit der wärmsten Begeisterung befeuert.

      Es gibt Mystiker, nicht bloß in der hochheiligen Theologie, sondern in allen Künsten und Wissenschaften; besonders sind die politischen und philosophischen die häufigsten – Männer, die aus ihrer bilderreichen Phantasie ein System von hochtönenden betäubenden Redensarten zusammengesetzt haben, die Kopf und Herz so begeistern wie der Dampf, den die Priesterin auf dem Dreifuße des Apolls durch einen bekannten Kanal in sich anlangen ließ. Eupator war ein Muster eines solchen politischen Mystikers; er überschüttete seinen Liebling mit einer solchen Menge rauschender Deklamationen, daß er so sinnlos dastund, als wenn er durch alle Öffnungen des Körpers unterirdischen Dampf eingesogen hätte. Ruhm war ihm eine Idee, die er zwar ehemals gedacht hatte, aber doch nur dem Worte nach, ohne daß eine Empfindung damit vergesellschaftet war; doch itzt wurde sie mit einer pompösen Begleitung in seiner Phantasie eingeführt; und ein solcher feierlicher prächtiger Einzug geschieht nie, ohne daß die Empfindung mit dazu gezogen wird. Er mußte seinem Patrone täglich in den Abendstunden auf dem Spaziergange Geschichten großer Patrioten, der alten Republiken, begeisternder Taten, großer Weltweisen und Staatsmänner vorlesen, worinne der enthusiastische Geist der Ruhmbegierde gleichsam atmete und, wo er fehlte, ersetzte ihn Eupator, der wirklich, wie man hieraus abnehmen kann, für jedes Große und Erhabne auf das lebhafteste empfand und in einer griechischen Republik ein Themistokles oder vielmehr ein Solon geworden wäre, und dieses umso viel gewisser, da der Geist der Monarchie, unter welcher er beständig vor seiner Entfliehung aus der Welt lebte und die nur durch den Namen sich vom Despotismus in den letzten Jahren seiner öffentlichen Geschäftigkeit unterschied, sein republikanisches Gefühl nicht niedergedrückt hatte. – »Der Mensch muß sich aus dem Staube emporarbeiten«, sagte er oft, » es sei, wie es wolle; hat uns die Natur keine Flügel gegeben, so müssen wir, wie Dädalus, sie selbst uns zubereiten; fällt man mit ihnen – on tombe noblement. Nicht schimmernder Tand, nicht die Werkzeuge des Luxus und der kindischen Eitelkeit, nicht Kleider, Möbeln, Bedienung muß den Geist etliche Stufen über seine Sphäre erheben: Ehre, Ruhm muß ihn mit Adlerflügeln zur Unsterblichkeit


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