Im Sonnenwinkel Staffel 5 – Familienroman. Patricia Vandenberg
Püppi«, sagte Malwine gerührt.
»Bis mal wieder eine Kleine an deinem Rockzipfel hängt«, lächelte Katja.
»Es wird ein Junge, das weiß ich ganz gewiss«, behauptete Malwine.
*
Sie sollte recht behalten. Acht Monate später schenkte Katja einem gesunden kräftigen Sohn das Leben. Er sollte den Namen Sebastian erhalten, wie sein Vater und sein Großvater.
Mit Jan und Malwine wartete auch Gerlinde ungeduldig auf seinen ersten Schrei. Sie war nicht nur ein paar Wochen in Kanada geblieben, sondern gleich ein paar Monate und erst jetzt zurückgekommen, um auch ihr drittes Enkelkind in den Arm zu nehmen.
Sie war noch immer hübsch anzuschauen, fast hübscher als früher, da ihre Züge weich und gelöst waren. Sie erzählte Malwine von Tim und Jessica, während sie im Wartezimmer der Klinik saßen. Malwine war auch mit ihr versöhnt. Es gab überhaupt nichts mehr, was sie noch aggressiv stimmen konnte.
Manchmal schaute sie zum Fenster hinaus und zum Himmel empor und dachte, wie glücklich Sebastian gewesen wäre, diesen Tag zu erleben. Es war ihm nicht vergönnt gewesen, aber in seinem Sohn, der sein Lebenswerk wieder zu altem Ansehen gebracht hatte, und in seinem Enkel, der nun sein Erdendasein mit kräftiger Stimme begann, würde er weiterleben. Jan kam hereingestürzt.
»Es ist ein Junge!«, rief er und umarmte Malwine und seine Schwiegermutter gleichzeitig. »Katja geht es gut. Ich habe schon mit ihr gesprochen. Wollt ihr ihn sehen?«
Natürlich wollten sie das. Sie konnten es schon gar nicht mehr erwarten. Und sie ließen sich lange Zeit, ihn ganz genau zu betrachten, den kleinen, den jüngsten Sebastian Roden, während Jan seine Katja in den Armen hielt und ihr Gesicht mit zärtlichen Küssen bedeckte.
Ein glücklicher Vater und eine bezaubernde Mutter, deren Augen wie Sterne strahlten.
*
»Katja hat einen Sohn«, rief Inge Auerbach Bambi zu, als sie aus der Schule kam.
»Das ist aber fein. Hoffentlich kriegt Stella nun auch einen, sonst ist sie enttäuscht«, meinte Bambi.
»Ach wo! Es ist doch ganz gleich, was es ist«, sagte Inge Auerbach. »Ich möchte ja auch nicht, dass du ein Junge bist, Bambilein.«
»Bei uns ist es ja auch gut verteilt«, bemerkte Bambi. »Zwei Buben und zwei Mädchen, aber wenn man nur Mädchen kriegt, ist es doch nicht so schön. Hat Stella geschrieben? Geht es ihr gut? Müssen wir uns keine Sorgen mehr machen, Mami?«
»Nein, mein Kleines. Noch ein paar Wochen, dann wissen wir auch genau, ob es ein Junge oder ein Mädchen ist.«
»Vorsichtshalber haben wir ja alles in Weiß gekauft. Möchtest du noch viele Enkelkinder haben, Mami?«
»Ein paar Dutzend, wenn es sein muss«, lächelte Inge Auerbach.
Bambi nickte. »Und alle so niedlich wie Henrik. Wie heißt denn Katjas Sohn?«
»Sebastian.«
»Onkel Sebastian würde sich sehr freuen«, äußerte Bambi nachdenklich.
»Ihn hast du wohl immer noch nicht vergessen«, meinte Inge.
»Solche Menschen kann man nicht vergessen«, erklärte Bambi tiefsinnig.
»Ich kann mich noch ganz genau an ihn erinnern. Er hätte auch ein kleines Mädchen sehr gern gehabt. Aber das werden sie wohl auch noch kriegen.«
Und auch diese Voraussage ging in Erfüllung.
Es verging nur ein knappes Jahr bis dahin, und Bambi hatte die ganz große Freude, dass dieses kleine Mädchen auf ihren Namen getauft wurde.
Pamela!
»Ob sie sie auch mal Bambi nennen?«, fragte sie.
»Wundern würde es mich nicht«, erwiderte Inge. »Dich kann man ja auch nicht so schnell vergessen, mein Schatz.«
Aber die kleine Pamela war für Malwine dann wieder eine Püppi. Eine Mutter von zwei Kindern konnte man ja schlecht noch so rufen.
Es war ihr ganzes Glück, ihre Püppi im Arm halten zu können, und wenn dann der kleine Sebastian »Lalli« rief, blieb kein Wunsch offen für sie.
Und auch Gerlindes Leben war ausgefüllt. Ein halbes Jahr war sie in Kanada, das andere in Deutschland. Das größte Glück bedeutete es für sie, als Michael mit seiner Familie mit ihr kam und Tim voller Eifersucht zu dem kleinen Sebastian sagte: »Ist unsere Granny!«
»Uns auch!«, brüllte der jüngste Roden.
Dazu konnten Jan und Katja, Michael und Daisy nur noch lachen. Ihr Leben war ungetrübt, während Heinz Roden noch immer ruhelos durch die Welt irrte.
Veronica Hellwege sah den Arzt, der ihr eben mit nüchternen Worten eröffnet hatte, dass sie ihren rechten Arm nie mehr voll gebrauchen könnte, entsetzt an.
»Ich bin Pianistin, Herr Doktor«, sagte sie bebend.
Dr. Berger musterte sie jetzt mit mehr Interesse.
Er hatte erst gestern die Vertretung des Chefarztes des Hohenborner Krankenhauses übernommen und sah Veronica zum ersten Mal.
»Es tut mir sehr leid, gnädiges Fräulein«, äußerte er verlegen, und dabei überlegte er, dass der Chefarzt sich wohl davor gedrückt hatte, ihr selbst diese Eröffnung zu machen. »Es könnte immerhin sein, dass der Arm mit der Zeit wieder kräftiger wird. Der Bruch ist soweit gut verheilt«, schwächte er seine erste Bemerkung ab.
Veronica senkte den Kopf. Was nützte das. Sie musste Geld verdienen, sehr dringend sogar, sonst würde ihr am Ende nichts weiter übrigbleiben, als ihr Elternhaus am Sternsee zu verkaufen. Der Unterhalt des großen Anwesens war zu kostspielig, und ihr Musikstudium hatte einen großen Teil ihres Barvermögens aufgezehrt.
Niedergeschlagen trat sie den Heimweg an. Sie dachte jetzt nicht nur an sich, sondern auch an das treue Hausmeisterehepaar Paul und Ottilie Muhr. Was sollte aus ihnen werden? Viele Jahre waren sie bei ihren Eltern angestellt gewesen. Jetzt waren sie in dem Alter, wo ein Fremder sie kaum noch übernehmen wurde.
Veronica hatte sich um nichts kümmern können und fühlte sich den Anforderungen, die jetzt an sie gestellt wurden, auch nicht gewachsen.
Wer konnte ihr mit Rat und Tat zur Seite stehen? Wem konnte sie vertrauen, nachdem sie von Robert Harrer so schmählich enttäuscht worden war?
Jetzt nur nicht auch daran noch denken, mahnte sie sich. Irgend etwas muss geschehen. Das Leben geht weiter. Ich kann nicht einfach kapitulieren.
Da fiel ihr Dr. Rückert ein, der Rechtsanwalt, mit dem ihr Vater sehr gut bekannt gewesen war.
Veronica konnte sich auch noch erinnern, wo er wohnte, obgleich ihr der Name der Straße entfallen war. Sechs Jahre war sie kaum noch am Sternsee gewesen, und Hohenborn hatte sich seither sehr verändert, aber sie fand das Haus, in dem Dr. Heinz Rückert wohnte.
Rosmarie Rückert, die Frau des Anwalts, öffnete ihr die Tür. Forschend betrachtete sie das eigenwillige Gesicht der jungen Dame.
Dann rief sie aus: »Veronica Hellwege!«
»Sie kennen mich noch, Frau Rückert?«, fragte Veronica.
»Sie haben sich gar nicht sehr verändert«, erwiderte Rosmarie lächelnd. »Das ist aber eine hübsche Überraschung. Wie geht es Ihnen?
»Nicht so besonders«, sagte Veronica beklommen. »Ich befinde mich in einer ziemlich heiklen Situation und hätte gern Ihren Mann gesprochen.«
»Er ist noch auf dem Gericht«, erklärte Rosmarie, »aber er muss bald kommen. Bitte, treten Sie doch ein. Wir können uns ein bisschen unterhalten. Ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen.«
Bei diesem freundlichen Empfang wich Veronicas Beklommenheit. Sie folgte Frau Rückert in das geschmackvoll