Im Sonnenwinkel Staffel 5 – Familienroman. Patricia Vandenberg

Im Sonnenwinkel Staffel 5 – Familienroman - Patricia Vandenberg


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Wehmut. Vielleicht war es auch Entsagung, denn der Gedanke, dass ihre Liebe von Anbeginn zum Verzicht verdammt war, ließ sie nicht los.

      Es war einfach gewesen, dem kranken Arndt diese Liebe zu gestehen, mit der sie ihm Zuversicht geben wollte und das Gefühl, nicht allein zu sein.

      Nun wurde ihr mit jedem Tag mehr bewusst, welch einen dornigen Pfad sie da beschritten hatte, obgleich sie auch wusste, dass sie ihn nicht mehr verlassen konnte und wollte.

      *

      Eines Morgens – fast vierzehn Tage waren vergangen seit der Nacht, in der Arndt krank zurückgekommen war – traf ein Brief für ihn ein, von dem Veronica mehr Notiz nahm als von der übrigen Post, die für ihn gekommen war. Der Absender war ein Professor Bernreuter.

      Nicht wie sonst brachte Veronica Arndt die Post, sondern sie schickte Otti, die ihre Überraschung darüber nicht verbergen konnte.

      Veronica ging mit den Kindern in den Park. Die Sonne schien hell, der Himmel war wolkenlos, und der See glitzerte wie ein riesiger Diamant.

      »Da droben wohnt Bambi«, sagte Martina, über den See deutend. »Jetzt weiß ich genau, wo ihr Haus steht.«

      Steffi war nicht bei ihnen. Veronica schaute sich suchend nach ihr um, und da kam sie angelaufen. Mit geröteten Wangen und glänzenden Augen streckte sie Veronica die Hand entgegen.

      »Schau. Roni, Veilchen, drei Veilchen!«, sprudelte es über ihre Lippen.

      »Für dich. Eins für jeden von uns.«

      Drei Veilchen, für jedes Kind eins, so wollte sie es, und für Veronica war es ein kostbares Geschenk. Steffi hatte nicht vergessen, dass sie einmal gesagt hatte, Veilchen waren ihre Lieblingsblumen.

      »Für Papi hättest du aber auch eins pflücken müssen«, sagte Tini.

      »Es waren aber nur drei aufgeblüht«, erwiderte Steffi.

      Sollte man das symbolisch nehmen? Unwillkürlich ließ Veronica ihren Blick zu Arndts Fenster wandern, und dort stand er und schaute auf sie herab. Er stand da und winkte ihr, bittend, dass sie zu ihm kommen solle. Sie verstand es, aber sie zögerte. Sie dachte an den Brief, und ihr Herz zog sich zusammen.

      »Papi will was von dir«, äußerte Martina unbefangen.

      »Oder ihr sollt zu ihm kommen«, entgegnete Veronica verhalten.

      »Glaub ich nicht«, meinte Steffi. »Er redet gern mal mit dir allein.«

      »Paul setzt Salatpflänzchen, da helfen wir ihm lieber«, sagte Martina. »Wir sind schon brav, Roni, du kannst ruhig gehen.«

      Warum bin ich plötzlich feige, fragte sich Veronica. Wovor habe ich Angst? Dass ich mich überschätzt habe? Erwartete ich insgeheim doch mehr, als Arndt mir geben kann?

      Als sie sein Zimmer betrat, lehnte er noch immer am Fenster. Er sah sie mit einem verlorenen Ausdruck an.

      »Warum hast du Otti mit diesem Brief geschickt?«, fragte er unumwunden.

      »Weil ich feige war«, gab Veronica zu.

      »Du bist nicht feige. Vielleicht denkst du über manches jetzt klarer, Roni, und das wäre gut für mich.« Seine Stimme wollte ihm nicht richtig gehorchen. »Zwischen uns soll alles klar sein. Das ist das einzige, was ich wirklich wünschen kann. Man kann nicht die Augen verschließen vor Tatsachen. Professor Bernreuter hat mir geschrieben, weil ich nicht gekommen bin. Ich hätte ihm wohl mitteilen sollen, dass ich krank war. Erstaunlicherweise scheint mein Fernbleiben jedoch eine belebende Wirkung auf Gillian zu haben.« Er sprach schleppend, dann aber fuhr er überstürzt fort: »Bernreuter schreibt, ihr sei genau bewusst geworden, dass die Zeit überschritten sei, und dass sie verblüffend klare Äußerungen tat. Willst du es lesen?«

      Veronica schüttelte den Kopf.

      »Vielleicht wird sie doch gesund«, bemerkte sie leise. »Vielleicht wird noch alles gut für dich und die Kinder.«

      »Für die Kinder?«, wiederholte er bitter. »Sie hasst die Kinder, weil es Mädchen sind. Glaubst du, Steffi könnte das vergessen? Die Kinder vermissen sie nicht, sie fragen nicht nach ihr, das weißt du doch selbst. Es klingt hart, aber sie sind froh, dass sie nicht da ist, und sie wollen auch gar nichts von ihr wissen. Und dann, Roni, auch für mich hat sich manches verändert, das weißt du so gut wie ich. Auch das lässt sich nicht wegreden.«

      »Aber wir wollen nicht darüber reden, Arndt«, meinte sie leise.

      »Das wird kaum zu umgehen sein. Du bedeutest mir zu viel, als dass ich es totschweigen könnte. Ich könnte für Gillian niemals mehr das empfinden, was früher war. Ich sehe aber auch keine Lösung. Es ist eine schreckliche Situation.«

      »Du darfst nicht verzweifeln, Arndt«, sagte Veronica bittend. »Du richtest dich zugrunde.«

      »Die Umstände werden mich zugrunde richten«, äußerte er deprimiert.

      Es war keine Phrase. Veronica fühlte es.

      »Und dass du damit nun auch noch belastet wirst, macht alles schlimmer«, stieß er hervor.

      »Das darfst du nicht denken, Arndt. Wir können Freunde sein. Ich kann weiter für die Kinder sorgen, das bedeutet viel für mich.«

      »Es ist schwer, Roni, sehr schwer. Wie soll ich nur neben die herleben, ohne Hoffnung auf eine Erfüllung? Du ahnst wohl gar nicht, wie schwer das für mich ist.«

      Doch, sie ahnte es, als er sie jetzt mit einem Aufstöhnen an sich zog und sein Kopf auf ihre Schulter herabsank.

      »Und eines Tages werde ich dich ganz verlieren, an einen anderen Mann«, flüsterte er.

      »Nein, das wirst du nie, Arndt!«

      »Dein Leben darf nicht auch noch zerstört werden«, sagte er heiser.

      »Davon kann nicht die Rede sein. Resigniere doch nicht! Bitte, denk an die Kinder! Sie brauchen dich doch so nötig!«

      »Dich brauchen sie nötiger. Wenn ich so sehe, wie sie an dir hängen und wie lieb du mit ihnen bist …« Er unterbrach sich. »Vorhin, als Steffi zu dir lief, so habe ich sie nie gesehen.«

      »Sie hat mir drei Veilchen gebracht. Für jedes Kind eines«, erzählte Veronica.

      »Aber keines für mich«, bemerkte er dumpf.

      »Es waren nur drei erblüht.«

      »Verzeih mir, Roni, ich bin innerlich so zerrissen, so voller zwiespältiger Empfindungen. Ich kann nicht mehr denken und nicht mehr arbeiten.«

      »Du warst sehr krank. Es wird alles wiederkommen, Arndt. Wann wirst du wieder zu Gillian fahren?«

      »Ich weiß es nicht. Ich werde Professor Bernreuter anrufen.« Er sah Veronica lange an. »Was bist du für eine Frau. Du sprichst von Gillian, als würde sie dazugehören.«

      »Das ist doch wohl auch so. Sie ist krank, dafür kann sie nichts. Jeder hat sein Schicksal, und das Schicksal des anderen darf einem nicht gleichgültig sein. Vielleicht hat die Vorsehung uns zusammengeführt, damit ich dir das deine tragen helfe. Auch so kann man Liebe beweisen.«

      Es mochten große Worte sein, aber sie kamen ihr aus dem Herzen.

      »Du bist noch so jung, Roni«, flüsterte Arndt.

      »Nur an Jahren«, erwiderte sie mit einem flüchtigen Lächeln.

      *

      Es verging noch eine Woche, bis Arndt kräftig genug war, um zum Sanatorium fahren zu können. Er hatte mit Professor Bernreuter telefoniert, aber darüber nichts gesagt.

      Er ging mit Veronica und den Kindern viel spazieren, und manchmal saßen sie abends noch beieinander, aber sie vermieden es, Gillian zu erwähnen. Und doch schien sie da zu sein, unsichtbar und doch stark genug, die Gefühle, die sie bewegten, zum Schweigen zu bringen.

      Als Arndt äußerte, dass er am Wochenende wegfahren würde, wurde zum ersten Mal bei den Kindern ein Protest laut.


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