Butler Parker 184 – Kriminalroman. Günter Dönges
wahrgenommen. Er gab Gas und ließ seinen Wagen nach vorn schießen. Sein kurzer Blick in den Rückspiegel informierte ihn, daß der Verfolger augenblicklich reagierte. Der Fahrer sorgte sich, den Anschluß zu verpassen.
Parker bog plötzlich nach links ab und befand sich in einer Straße, die kaum breiter war als ein normaler Wagen. Auf der linken Seite gab es einen hohen Bauzaun aus Brettern und Bohlen, auf der rechten befand sich die Ziegelrückwand eines ehemaligen Lagerschuppens.
Der Ford folgte.
Der Fahrer witterte wohl seinerseits eine Möglichkeit, sich endlich mit Parker anlegen zu können. Er wurde schneller und näherte sich dem Heck des hochbeinigen Monstrums.
Als der Wagen sich auf bedrohlichen Abstand herangeschoben hatte, legte Parker einen der unscheinbar aussehenden Kipphebel auf dem Armaturenbrett nach unten und blickte dann in den Rückspiegel.
Es war schon recht beachtlich, was da passierte ...
Aus unter dem Wagenboden versteckt angebrachten Düsen schoß eine rabenschwarze Wolke auf die Fahrbahn und hüllte den flaschengrünen Ford augenblicklich ein. Parker, der die Zusammensetzung der Wolke kannte, wußte, wie es weiterging.
Ruß und Fettpartikel legten sich auf die Windschutzscheibe des folgenden Wagens und bildete eine klebrige Schicht, die auch mit den Scheibenwischern nicht zu entfernen war. Der Fahrer sah plötzlich nichts mehr und mußte eine Vollbremsung riskieren.
Der Butler hörte das Kreischen von Blech und Splittern von Glas. Die Scheinwerfer des Ford, die nur als schwache Lichtpunkte durch die Rußwolke zu sehen waren, existierten plötzlich nicht mehr.
»Treffer«, sagte Mike Rander lakonisch. »Manche Fahrer passen aber auch wirklich nicht auf, Parker.«
»Man kann nur hoffen, Sir, daß der Fahrer sich angeschnallt hatte«, antwortete der Butler. Er stieg aus und blieb am fast scharf abgezirkelten Rand der schwarzen, fettigen Rußwolke stehen, die sich bereits langsam senkte.
Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis man deutlich ein aufdringliches Husten hörte. Dann erschien der Fahrer des Ford, rieb sich die Augen und tastete an der Bretterwand entlang. Sein Gesicht war schwarz.
»Kann man davon ausgehen, daß Sie sich nicht verletzt haben?« erkundigte sich der Butler, um dann sofort den Standort zu wechseln. Der Angesprochene reagierte wenig freundlich. Er langte unter sein Jackett, doch die Bewegung fiel im Zeitlupentempo aus.
Mühsam förderte der Ford-Fahrer eine Automatic hervor, die er allerdings nicht sonderlich lange in der Hand hielt. Parker schlug sie nämlich mit dem Bambusgriff seines Schirmes zu Boden.
»Zu wem und wohin sollte man Sie bringen?« fragte Josuah Parker dann gemessen. »Sie benötigen mit Sicherheit Betreuung.«
»Sie ... Sie haben mich reingelegt«, beschwerte sich der Mann ohne großen Nachdruck.
»Unterhalten Sie sich über dieses Thema tunlichst mit Ihrem Auftraggeber«, schlug der Butler weiter vor. »Wohin soll man Sie also bringen?«
»Zu Butch Hazelman«, lautete die Antwort, bevor der Ford-Fahrer in sich zusammenrutschte.
»Kennen Sie einen Butch Hazelman, Parker?« wollte Mike Rander wissen.
»Flüchtig, Sir«, erwiderte Parker. »Mister Hazelman vertreibt Werbeartikel aller Art. Seine Verkaufsmethoden sind bemerkenswert.«
»Wie wäre es denn mit einer kleinen Andeutung, Parker?« Rander lächelte. Parkers Hinweis versprach einiges.
»Wer nicht kauft, setzt bald kaum noch etwas um, Sir«, erläuterte Josuah Parker. »Mister Hazelman verkauft seine Artikel, ob man sie nun braucht oder nicht.«
»Dann paßt dieser Knabe doch ins allgemeine Bild, wie?«
»Durchaus, Sir, er ist für jede Nötigung und Erpressung gut, wenn man so sagen darf.«
*
Nach einer halben Stunde erreichten sie das Haus, in dem Hazelmans Firma untergebracht war. Es handelte sich um einen Backsteinbau, der verfallen aussah. Im Erdgeschoß befanden sich die Firmenräume, deren Fenster mit Blenden versehen waren. Auf einem kleinen Parkplatz davor standen einige Wagen. Ins Auge fiel ein Bentley.
»Man scheint noch zu arbeiten, oder was immer man sich darunter vorstellt«, meinte der Anwalt. Durch die Innenblenden schimmerte Licht. »Hazelman wartet sicher auf seinen Mitarbeiter.«
»Man wird ihm Grüße von ihm übermitteln, Sir«, erwiderte der Butler, der ausstieg und dann mit Mike Rander zum Eingang schritt.
Parker benutzte sein kleines Spezialbesteck, um das Türschloß zu öffnen. Ihm kam es darauf an, unangemeldet zu erscheinen. Der Moment der Überraschung sollte auf seiner Seite sein.
Mike Rander schaute interessiert-fasziniert zu, wie schnell und geschickt der Butler hantierte. Die kleinen Haken und schmalen Metallzungen schienen unter seinen schwarz behandschuhten Fingern ihr Eigenleben zu führen. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis Josuah Parker die Tür spaltbreit aufdrücken konnte.
»Kompliment, Parker«, lobte der Anwalt. »Von Ihnen kann selbst noch ein Schlosser lernen.«
»Die Basis-Konstruktion dieser Türschlösser ist gefährlich simpel, Sir«, sagte Parker. »Man geniert sich fast, solche Zylinderschlösser zu öffnen.«
»Ich brauchte dazu eine Stange Dynamit«, erwiderte Rander ironisch und drückte die Tür vollends auf. Er blickte in einen Vorraum, an den sich eine Art Lichthof anschloß.
In diesem Lichthof standen zwei Schreibtische und waren Wandregale befestigt. Es gab zwei Glasvitrinen, in denen die Werbeartikel der Firma ausgestellt waren. Personal war weit und breit nicht zu sehen.
Die beiden Männer erreichten den Lichthof und bogen danach in einen zweiten Korridor ein, an dessen Ende eine Tür weit geöffnet war. Man hörte Stimmen, Lachen und leise Musik.
Zwei junge Männer hatten sich in einer Ecke breitgemacht und tranken Bier aus Dosen. Als sie Rander und Parker erblickten, erstarrten sie erst mal. Als sie dann aufsprangen, zeigte der Anwalt ihnen die Automatic des Ford-Fahrers.
Daraufhin nahmen die beiden jungen Männer sofort wieder Platz und hoben blitzschnell die Arme.
»Wo steckt denn der gute Hazelman?« wollte Mike Rander wissen.
»Wer ... Wer sind Sie?« fragte einer der beiden Männer mit leicht belegter Stimme.
»Geschäftsfreunde«, gab Rander zurück. »Also, wo steckt Hazelman?«
»Der is’ oben in seiner Wohnung«, lautete die Antwort. »Soll ich mal kurz anrufen und ihm Bescheid sagen?«
»Tun Sie’s, falls Sie einen Notarzt beschäftigen wollen«, schlug der Anwalt vor. Er bediente sich des Slangs, wie er in der Unterwelt-Szene gesprochen wurde.
»Auf welche Art und Weise ist die erwähnte Privatwohnung zu erreichen?« schaltete Josuah Parker sich ein.
»Treppenhaus«, lautete die Antwort. »Da drüben vom Korridor aus.«
»Der Chef wird sauer sein, wenn Sie da so einfach reinplatzen«, warnte der Gangster nervös und wartete auf seine Chance, die beiden Besucher attackieren zu können. Allein sein Blick verriet ihn. Der junge Mann schielte immer wieder hinunter zum Seitenteil seines Schreibtisches. In einem der Fächer lag mit Sicherheit eine Schußwaffe, die er liebend gern an sich genommen hätte.
Parker gab ihm eine Chance und sah zur Seite. In diesem Augenblick warf der Mann sich vor und langte gleichzeitig in das Seitenfach. Dann jaulte er allerdings getroffen auf, als der bleigefüllte Bambusgriff Parkers seinen Unterarm traf. Der Gangster bekam steife Muskeln und Finger und war nicht mehr in der Lage, nach der Schußwaffe zu greifen.
»Sie dürfen versichert sein, daß meiner Wenigkeit dies außerordentlich peinlich ist«, entschuldigte sich der Butler. »Im Grund sollte man auf Gewaltakte jeder Art voll und ganz verzichten.«
Der Gangster hörte nicht recht zu, blickte auf