Dr. Daniel Paket 1 – Arztroman. Marie Francoise
sich, daß diese Geschichte für eine Weile Tagesgespräch in Steinhausen gewesen war. »Soviel ich gehört habe, haben Sie das damals in die Wege geleitet.«
»Na ja, so ungefähr«, wich Dr. Daniel aus. Er ließ sich nicht gern für etwas loben, was für ihn selbstverständlich war.
»Allerdings weiß ich nicht, was die ganze Sache mit mir zu tun hat«, meinte Rainer.
»Das Haus von Frau Deichmann steht nach wie vor leer«, erklärte Dr. Daniel. »Ursprünglich wollte sie es vermieten, hat es dann allerdings aus irgendeinem Grund doch nicht getan. Wenn Sie wollen, spreche ich mal mit ihr. Vielleicht stellt sie Ihnen das Haus zumindest vorübergehend zur Verfügung.«
»Das würden Sie wirklich…«, begann Rainer und wagte dabei kaum, an sein Glück zu glauben.
»Natürlich«, stimmte Dr. Daniel sofort zu. »Ich kenne Frau Deichmann schon sehr lange, und ich weiß, wie hilfsbereit sie ist. Es wird sicher keine Schwierigkeiten geben.«
Rainer seufzte. »Wenn das klappen würde, dann wäre eine schwere Last von mir genommen.«
»Das kann ich mir vorstellen«, meinte Dr. Daniel. »Aber auch wenn Frau Deichmann Ihnen das Haus wider Erwarten nicht zur Verfügung stellen kann, dürfen Sie den Kopf nicht hängen lassen. Irgendeine Lösung wird sich schon finden lassen.«
*
Karina Daniel und Markus Wagner hatten einen schönen Abend verbracht. Die Lohengrin-Aufführung hatte beide tief beeindruckt, und so wollte keiner von ihnen schon nach Hause gehen. Sie entschlossen sich also kurzerhand, den Abend in einem kleinen, gemütlichen Weinlokal ausklingen zu lassen.
»Ich nehme an, das war unser letzter gemeinsamer Abend«, erklärte Markus, nachdem der Ober den bestellten Wein serviert hatte.
Erschrocken blickte Karina auf. Sie hatte dieses Thema heute eigentlich doch nicht anschneiden wollen. Dazu waren die vergangenen Stunden einfach zu schön gewesen, doch da Markus nun selbst damit anfing, gab es für sie kein Ausweichen mehr.
»Markus«, murmelte sie verlegen. »Wie… wie kommst du darauf?«
»Ich bin nicht blind, Karina«, entgegnete er ernst. »Was in den letzten Wochen zwischen uns abgelaufen ist, war schon keine Beziehung mehr. Und seit einer Woche merke ich, daß du dich noch mehr von mir zurückziehst – wenn das überhaupt noch möglich ist.« Er schwieg einen Moment. »Gibt es einen anderen Mann?«
Karina seufzte. »Ja und nein. Weißt du, Markus, ich wollte dieses Wochenende auch mit dir sprechen, allerdings hätte ich es nicht gerade heute getan. Der Abend war so schön…«
»Wenigstens das«, meine Markus, und Karina glaubte, ein wenig Bitterkeit aus seiner Stimme herausgehört zu haben. »Dann hatte unsere Freundschaft wenigstens einen schönen Ausklang.«
»Ich wollte dir niemals weh tun, Markus«, beteuerte Karina. »Gut, ich gebe zu, daß ich mir in letzter Zeit meiner Gefühle nicht mehr ganz sicher war, aber… das hätte sich vielleicht wieder gegeben. Doch jetzt… ja, es gibt einen anderen Mann, allerdings nicht so, wie du es dir vorstellst.« Sie atmete tief durch, bevor sie zu erzählen begann. »Letztes Wochenende war ich bei meinem Vater in Steinhausen. Und da habe ich jemanden kennengelernt… nur ganz flüchtig, aber… es war ein so einschneidendes Erlebnis, daß ich…«
»Liebe auf den ersten Blick«, fiel Markus ihr ins Wort. »Glaubst du wirklich, daß es das gibt?« Er schüttelte den Kopf. »Dieser andere Mann sieht vermutlich blendend aus, und das ist der Grund, weshalb du dich in ihn verliebt hast.«
»Nein, Markus, so ist es nicht«, wehrte Karina ab. »Wolfgang ist in Steinhausen geboren und aufgewachsen, dann hat er Medizin studiert und ist ins Ausland gegangen. Damals war ich noch nicht ganz zehn Jahre alt. Als er jetzt zurückgekommen ist und meinen Vater besucht hat…« Sie stockte, versuchte das, was sie gefühlt hatte, zu beschreiben. »Er hat mich angeschaut und… was da in mir vorging, war so gewaltig, daß es mir anfangs Angst machte. Ich hatte so etwas noch nie erlebt, und ich weiß, daß Wolfgang der einzige Mann ist, der mir je etwas bedeuten wird.«
»Ein Naturereignis sozusagen«, murmelte Markus. »Er muß ein ganzes Stück älter sein als du.«
Karina nickte. »Siebzehn Jahre. Und ich habe keine Ahnung, ob ich bei ihm jemals eine Chance haben werde, aber nach allem, was in mir vorgeht, kann ich mit dir nicht so weitermachen wie bisher. Markus, ich mag dich. Ich mag dich von Herzen gern, aber Liebe… Liebe ist einfach mehr. Das weiß ich jetzt.«
*
Stefan Daniel wartete, bis sein Vater zu Bett gegangen war, dann stand er auf und verließ leise sein Zimmer. Eigentlich hatte er sich ja gestern schon passende Tabletten holen wollen, doch der heiße Tee, den er hatte trinken müssen, und wohl auch das Fieber hatten ihn so müde gemacht, daß er nicht mehr aus dem Bett gekommen war. Den ganzen Samstag über war dann sein Vater ständig im Haus gewesen, so daß Stefan nicht heimlich an den Arzneischrank hatte gehen können, und so hatte er bis zum Abend warten müssen. Daß sich seine Erkältungsbeschwerden inzwischen schon gebessert hatten, nahm er gar nicht zur Kenntnis.
Barfuß schlich er jetzt die Treppe hinunter und in Irenes Arbeitszimmer, denn dort hing auch der Arzneikasten. Stefan schaltete das Licht ein, dann trat er zu dem kleinen Wandschränkchen, öffnete es und überflog die Namen der ordentlich aufgereihten Medikamente.
»Du kannst dir die Mühe sparen.«
Die tiefe Stimme seines Vaters ließ Stefan erschrocken herumfahren.
»Ich habe keine Antibiotika im Haus«, fuhr Dr. Daniel ungerührt fort. »Und solltest du mit dem Gedanken spielen, nachher in die Praxis hinunterzugehen, so kann ich dir gleich sagen, daß auch dieser Weg umsonst ist. Ich verschreibe derartige Medikamente nur, wenn es unbedingt nötig ist.«
Stefan schluckte. Er fühlte sich wie ein kleiner Junge, der bei etwas Verbotenem ertappt worden war.
»Und jetzt leg dich wieder ins Bett«, erklärte Dr. Daniel. »Wenn du hier barfuß herumläufst, dürfte das für deine Erkältung nicht gerade gut sein.«
Stefan gehorchte wortlos, und erst als er wieder in seinem Bett lag, konnte er sich zu einer Frage aufraffen.
»Papa, ich verstehe das einfach nicht. Warum verweigerst du mir ein Medikament, das mir helfen könnte?«
Dr. Daniel setzte sich zu ihm »Tut dein Hals noch sehr weh?«
»Nein, eigentlich nicht«, entgegnete Stefan widerwillig, dann sah er seinen Vater fordernd an. »Du hast meine Frage nicht beantwortet.«
»Ich weiß, aber hab’ ein bißchen Geduld, mein Junge. Du bekommst deine Antwort schon noch.« Er stand auf, holte das Fieberthermometer und kontrollierte Stefans Temperatur.
»Das Fieber ist seit gestern stetig gesunken«, stellte er fest, »und soviel ich mitbekommen habe, hast du heute den ganzen Nachmittag nicht mehr gehustet. Die Quarkwickel und der Tee haben deine Beschwerden also gelindert, und alles übrige macht dein Körper von sich aus.«
»Aber mit ein paar Penicillin-Tabletten wäre ich schon längst gesund«, wandte Stefan störrisch ein.
Dr. Daniel schüttele den Kopf. »Ich denke, du bist ein angehender Mediziner. Da solltest du eigentlich wissen, daß Antibiotika nur Bakterien angreifen. Gegen Virusinfektionen, wie du dir eine geholt hast, und vor allem gegen Fieber sind sie völlig wirkungslos. Außerdem solltest du gelernt haben, daß man als Arzt Antibiotika nur dann verschreiben soll, wenn es unbedingt nötig ist. In deinem Fall ist es absolut nicht nötig, Stefan.«
Beschämt senkte der junge Mann den Blick.
»Ich glaube, damit ist auch deine Frage von vorhin beantwortet«, fügte Dr. Daniel hinzu, dann stand er auf. »So, und jetzt solltest du versuchen zu schlafen.« Er lächelte seinen Sohn an. »Schlaf ist immer noch die beste Medizin – auch für einen angehenden Arzt.«
»Manchmal ist es wirklich nicht einfach, dich zum Vater zu haben«, grummelte Stefan.
Dr.