Dr. Daniel Paket 1 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Paket 1 – Arztroman - Marie Francoise


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      Karina nickte. »Papa hat mal darüber gesprochen. Er starb nach einem Unfall in der CHEMCO, nicht wahr?«

      »Richtig, aber er hätte nicht sterben müssen, wenn eine Klinik in der Nähe gewesen wäre«, erklärte Dr. Metzler ernst. »Aber das nächste qualifizierte Krankenhaus war in München, und den Transport dorthin hat mein Vater nicht überlebt.«

      Karina schwieg betroffen.

      »Siehst du, und das ist der Grund, warum ich diese Klinik bauen will«, fuhr Dr. Metzler fort. »Wenn es in meiner Macht steht, dann soll hier in Steinhausen nie mehr ein Mensch ums Leben kommen, nur weil kein geeignetes Krankenhaus in der Nähe ist.« Er schwieg einen Moment, bevor er voller Entschlossenheit hinzufügte: »Und so wahr ich Wolfgang Metzler heiße – diese Klinik wird gebaut werden.«

      Karinas Augen begannen zu leuchten. In diesem Augenblick erschien ihr Wolfang wie der Ritter mit dem Flammenschwert, der die ganze Welt erobern wollte. Und sie wußte, daß sie nie wieder einen Mann so lieben würde wie ihn.

      »Ich wünsche dir, daß du deine Pläne verwirklichen kannst«, meinte Karina, und dabei kam ihr unwillkürlich der Gedanke, daß Wolfgang wohl viel zu sehr Arzt war, als daß er einen Gedanken an sein Privatleben und an eine Ehe verschwenden würde. Trotzdem überlegte sie fieberhaft, wie sie das Gespräch in diese Richtung lenken könnte. Sie mußte wissen, wie er zu Liebe und Ehe stand.

      »Was sagt deine Frau eigentlich zu deinem Ehrgeiz?« fragte sie schließlich.

      Dr. Metzler lächelte. »Sag bloß, du weiß nicht, daß ich noch ledig bin.« Dann wurde er ernst. »In meinem Leben gibt es keine Frau, und vermutlich wird es niemals eine geben. Ich brauche meine ganze Energie, um einen Klinikbau zu finanzieren und beim hiesigen Gemeinderat durchzusetzen. Und wenn ich das geschafft habe, wird mein Leben dieser Klinik gehören. So etwas kann ich keiner Frau zumuten.«

      Obwohl sie mit einer ähnlichen Antwort gerechnet hatte, gaben diese Worte Karina einen Stich. Aber noch war sie nicht bereit aufzugeben.

      »Auch nicht, wenn sie Ärztin wäre und an deiner Seite arbeiten würde?«

      Sinnend blickte Dr. Metzler auf den See hinaus.

      »Ich weiß es nicht«, gestand er dann. »Vielleicht…«

      In diesem Moment stand Karinas Entschluß fest. Sie würde ihre Jura-Studium aufgeben und Ärztin werden – auch wenn damit nur der Hauch einer Chance bestand, Wolfgang einmal für sich zu gewinnen.

      *

      Es dauerte zwei Wochen, bis Rainer Bergmann wieder von seinem Vater hörte. Und dann war es auch nur ein Brief – ohne Anrede und ohne Unterschrift. Er enthielt lediglich einen Satz.

      Nimm die Firma, und mach damit, was Du willst.

      Kopfschüttelnd las Rainer die wenigen Worte und reichte das Blatt dann seiner Frau.

      »Das ist doch wieder typisch für meinen Vater«, erklärte er.

      Auch Anke las den Brief, der im Grund gar keiner war, dann sah sie zu ihrem Mann auf.

      »Vielleicht hätten wir doch nicht einfach ausziehen dürfen«, meinte sie. »Sicher ist er sehr gekränkt und traurig.«

      »Gekränkt – ja, traurig ist er mit Sicherheit nicht«, berichtigte Rainer. »Ich kenne meinen Vater… das heißt, nach dem Vorschlag, den er dir im Krankenhaus unterbreitet hat, habe ich ihn erst wirklich kennengelernt. Er schreckt vor nichts zurück, und ich will ehrlich sein, Anke – in der Villa hätte ich Tag und Nacht Angst um unser Kind. Mein Vater ist ein rücksichtsloser und eiskalter Mensch, und er wird sich niemals ändern.«

      Anke senkte den Kopf und betrachtete ihr Baby, das zufrieden vor sich hin nuckelte. Claudia war ein so liebenswertes Kind mit runden Pausbäckchen und den strahlend blauen Augen ihrer Mutter. Konnte es wirklich einen Menschen geben, der fähig war, dem natürlichen Charme eines Babys zu widerstehen? So etwas war für Anke unvorstellbar, und sie war sicher, daß Martin Bergmann da keine Ausnahme machte.

      Bereits am nächsten Morgen setzte sie den Entschluß, den sie am Tag zuvor gefaßt hatte, in die Tat um. Sie packte Claudia in den Kinderwagen und spazierte mit ihr quer durch Steinhausen bis zur riesigen Bergmann-Villa. Auf ihr Klingeln öffnete der Butler Johann.

      »Ich möchte meinen Schwiegervater besuchen«, erklärte Anke und versuchte dabei, das Unbehagen zu unterdrücken, das sie immer empfand, wenn sie in das unbewegte Gesicht des Butlers blickte.

      Johann deutete eine Verbeugung an und entschwand lautlos wie immer. Keine zwei Minuten darauf kam Martin Bergmann mit energischen Schritten durch die weitläufige Halle und blieb unter der Eingangstür stehen.

      »Ich habe dir schon einmal gesagt, daß du mit deinem Balg die Schwelle dieses Hauses nicht übertreten wirst!« herrschte er seine Schwiegertochter an.

      Erschrocken wich Anke einen Schritt zurück, während das Baby im Kinderwagen zu weinen begann. Die laute, herrische Stimme hatte es erschreckt.

      »Vater.« Anke mußte sich zwingen, dieses Wort auszusprechen. »Ich bitte dich, Vater. Claudia ist dein Enkelkind, und sie ist…

      »Sie ist ein Mädchen«, fiel Martin Bergmann ihr barsch ins Wort. »Hättest du sie gegen einen Jungen eingetauscht, wäre alles in Ordnung. Und jetzt verschwinde.«

      »Rainer hatte recht«, erklärte Anke leise. »Ich habe ihm nicht geglaubt, weil ich dachte, daß sogar in dir ein guter Kern schlummern müßte. Aber ich habe mich geirrt.»

      Damit drehte sie sich um und ging mit dem Kinderwagen die breite Hofeinfahrt hinunter. Sie hörte, wie die Haustür ins Schloß geworfen wurde, und zuckte unwillkürlich zusammen.

      »Der Weg war umsonst.«

      Rainers Stimme ließ sie erschrocken herumfahren. Sie starrte ihn an wie ein Gespenst. Da legte er liebevoll einen Arm um ihre Schultern.

      »Nach unserem gestrigen Gespräch habe ich gespürt, was in dir vorging«, gestand Rainer. »Aber ich wußte auch, wie dieser Besuch hier ausgehen würde, da wollte ich dich nicht allein lassen.«

      Anke lehnte sich an ihn. »Ich bin froh, daß du da bist, Rainer. Und ich bin froh, daß du nicht so bist wie er.«

      Rainer lächelte. »Wenn ich so wäre wie mein Vater, dann hätte ich dich nicht zur Frau bekommen.« Er küßte sie. »Ich liebe dich, Anke, und daran wird sich niemals etwas ändern.«

      *

      Nachdem Rainer Bergmann nun wirklich Chef der CHEMCO war, wurden die Reparaturarbeiten wiederaufgenommen. Teile der Fabrik konnten sogar schon wieder gefahrlos in Betrieb genommen werden, und die streikenden Arbeiter kehrten ausnahmslos ins Werk zurück. Diejenigen, in deren Labors und Arbeitsräumen noch Reparturen durchgeführt wurden, übernahmen in der Zwischenzeit andere Tätigkeiten, um ihrem Chef zu zeigen, daß er sich auch auf sie verlassen konnte.

      Das einzige Problem war jetzt noch der Werksarzt. Rainer wußte, daß er trotz der neuen Sicherheitsvorkehrungen einen erstklassigen Arzt brauchen würde, denn frei von Gefahren war ein Chemiewerk nie. Und wenn es zu einem Unfall kam, dann mußte ein fähiger Mediziner zur Stelle sein.

      Als er wieder einmal mit Anke über dieses Problem sprach, fiel ihr der junge Mann ein, der sie damals, als Claudias Geburt unmittelbar bevorgestanden hatte, in die Klinik von Dr. Sommer gefahren hatte.

      »Warum fragst du deinen Freund nicht?» erkundige sie sich. Nachdenklich runzelte sie die Stirn. »Wolfgang hieß er doch, oder?«

      »Wolfgang Metzler?« widerholte Rainer, dann schüttelte er den Kopf. »Der würde keinen Fuß in die CHEMCO setzen – jedenfalls nicht als Angestellter. Sein Vater ist vor mehr als zwanzig Jahren in unserem Werk ums Leben gekommen«

      »Na und?« entgegnete Anke. »Gerade das müßte für ihn doch ein Grund sein, als Werksarzt bei dir zu arbeiten. Damit könnte er nach einem Unfall doch den größten Schaden verhindern.«

      »Nicht unbedingt«, schränkte Rainer ein.


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