Dr. Daniel Paket 1 – Arztroman. Marie Francoise
Wenninger sehr unterstützt.«
»Wie bitte?« fragte Kerstin erstaunt.
Dr. Daniel nickte. »Sie haben richtig gehört, Frau Wenger. Gegen diese Art der Empfängnisregelung hat nicht einmal die Kirche etwas einzuwenden.« Dann stand er auf. »So, und jetzt muß ich Sie mir mal ansehen. Wenn Sie bitte ins Untersuchungszimmer hinübergehen und sich freimachen. Ich komme in einer Minute nach.«
Dr. Daniel hielt sein Versprechen und betrat kurz nach Kerstin den Raum. Die Untersuchung bewies, daß Kerstins Gefühl nicht getrogen hatte. Die Entzündung war abgeklungen und auch der Abstrich, den Dr. Daniel zur Sicherheit noch einmal nahm, war negativ.
»Alles in Ordnung, Frau Wenger«, meinte Dr. Daniel dann. »Sie können sich wieder ankleiden.«
Kerstin atmete auf. Obwohl sie keine Beschwerden mehr hatte, war sie die leise Angst, daß sich am Abstrich wieder Veränderungen zeigen könnten, nicht so ganz losgeworden.
»Normalerweise müßten Sie erst in einem Jahr zur normalen Krebsvorsorgeuntersuchung kommen«, meinte Dr. Daniel. »Ich würde Ihnen allerdings empfehlen, mich in einem halben Jahr wieder aufzusuchen. Eine Routineuntersuchung zwischendurch kann nie schaden.«
Kerstin lächelte. »Da haben Sie recht, Herr Doktor. Und ich werde auch ganz bestimmt kommen.« Dann reichte sie ihm die Hand. »Vielen Dank.«
»Wofür denn? Ich habe nichts Außergewöhnliches getan.«
»Doch, Herr Doktor, Sie nehmen sich noch Zeit für Ihre Patientinnen, und das ist heutzutage sehr selten.«
*
»Frau Hartwig, heute kann ich Ihnen eine freudige Mitteilung machen«, erklärte Dr. Bernd Kastner und sah dabei aus, als hätte man ihm die Butter vom Brot gestohlen. »Sie werden morgen entlassen.«
»Wirklich? Das ist aber schön.«
Doch glücklich sah Susanne bei diesen Worten auch nicht gerade aus.
»Die abschließende Untersuchung wird vom Chefarzt persönlich durchgeführt«, erklärte Dr. Kastner und ging dabei sehr betont auf Distanz. »Ich werde zwar auch anwesend sein, aber…« Und plötzlich konnte er sich nicht mehr zurückhalten. »Susanne, darf ich Sie wiedersehen?«
Die junge Frau wußte nicht, ob sie glücklich oder überrascht sein sollte. Vermutlich war sie beides.
»Herr Dr. Kastner… das ist… ich weiß gar nicht…«, stammelte sie, und dann verlor sie den Faden endgültig.
»Heißt das… ja?« fragte Dr. Kastner vorsichtig.
Susanne nickte nur. Sie brachte kein Wort mehr hervor. In ihrem Kopf herrschte ein heilloses Durcheinander. Schon seit sie in die Klinik gekommen war, war sie in den gutaussehenden Arzt verliebt, andererseits hatte sie sich doch geschworen, nie wieder einem Mann ihr Herz zu schenken… und dann war da auch noch Stefanie.
Dr. Kastner schien ihre Gedanken erraten zu haben.
»Stefanie ist kein Hindernis«, meinte er lächelnd, dann setzte er sich ohne weitere Umstände zu Susanne ans Bett. »Du hast gesagt, daß bei dir und ihrem Vater keine Liebe im Spiel war… und selbst wenn… was vorbei ist, ist vorbei.« Ganz zwanglos war er bei diesen Worten zum vertrauten Du übergegangen. Jetzt beugte er sich vor und berührte sehr sanft Susannes Gesicht. »Außerdem war ich ja zumindest bei ihrer Geburt dabei, und sie hat mich sofort mit ihrem Charme betört.«
Susanne mußte lachen. »Ach so. Du willst mich also nur wegen Stefanie wiedersehen.«
Da sah er ihr ganz tief in die Augen. »Nein, Susanne, ich habe mich auf den ersten Blick in dich verliebt.« Er schüttelte den Kopf. »So etwas ist mir noch nie passiert. Für mich stand immer der Beruf an erster Stelle, aber in den vergangenen zwei Wochen hat mich eine gewisse Patientin sehr viel mehr interessiert.«
Ein wenig zögernd, so, als hätte sie Angst ihn zu berühren, streichelte Susanne durch das dichte, graumelierte Haar des Arztes.
»Ich wollte nie wieder einem Mann vertrauen… oder gar Liebe schenken, aber du…« Sie lächelte. »Du hast meinen Vorsatz vom ersten Tag an gehörig ins Wanken gebracht.«
Zärtlich nahm Dr. Kastner sie in die Arme und küßte sie. »Ich liebe dich, Susanne«, flüsterte er ganz nah an ihrem Ohr.
»Ich liebe dich auch, Bernd«, erwiderte Susanne und hatte dabei das Gefühl, niemals glücklicher gewesen zu sein als in diesem Augenblick.
*
Die Sprechstunde war zu Ende, doch Dr. Daniel machte noch keine Anstalten, sein Zimmer zu verlassen. Er saß auf einem drehbaren Sessel und sah durch das große Fenster, das den Blick auf die Berge freigab. Seit dem langen und auch sehr schmerzvollen Gespräch mit Dr. Sommer fühlte er sich erleichtert, und er war jetzt sicher, mit seiner Rückkehr nach Steinhausen das Richtige getan zu haben.
Er atmete tief durch, dann stand er entschlossen auf und verließ die Praxis, doch diesmal ging er nicht wie sonst immer nach oben in die Wohnung. Sein Weg führte ihn in den großen gepflegten Garten und zu dem Rosenbeet neben dem Gartenhäuschen. Prüfend betrachtete er die zarten Blüten und schnitt nach langem Überlegen drei halberblühte tiefrote Rosen ab.
Er wußte nicht, daß er von seiner Schwester beobachtet wurde. Sie hatte ihn im Garten gesehen, und ursprünglich hatte sie ihn fragen wollen, wann er nun endlich zum Mittagessen kommen wolle. Doch jetzt, nachdem sie ihn bei den Rosen – Christines Lieblingsblumen – gesehen hatte, hatte sich diese Frage für sie erübrigt. Robert Daniel war offensichtlich auf dem Weg zum Friedhof, und Irene wußte, daß sie das Essen noch eine Weile würde warmhalten müssen.
Inzwischen war Dr. Daniel um die Villa herumgegangen und spazierte auf schmalen Pfaden am Dorf vorbei. Hier hatte er die Ruhe, die er suchte, und erst als er die Pfarrkirche mit dem angrenzenden Friedhof unter sich erblickte, wandte er sich nach links und folgte dem leicht anschüssigen Weg.
»Herr Doktor!« wurde er in diesem Augenblick ganz unverhofft angesprochen.
Er drehte sich in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war und sah sich Susanne Hartwig gegenüber. Sie schob den Kinderwagen vor sich her und strahlte dabei wie die Sonne.
»Ich wollte schon längst zu Ihnen kommen«, erklärte sie, »aber Stefanie beansprucht mich fast rund um die Uhr.«
Dr. Daniel schmunzelte. »Jetzt schon? Wie wird das erst in ein paar Monaten sein?«
Susanne lachte. »Das frage ich mich auch. Aber sie ist ja ein solcher Goldspatz, und ich könnte mir ein Leben ohne sie schon gar nicht mehr vorstellen.« Dann wurde sie ernst. »Daß ich dieses Glück erleben darf, verdanke ich nur Ihnen, Herr Doktor.«
»Ach, so viel habe ich doch gar nicht getan«, wehrte Dr. Daniel bescheiden ab.
»Doch, Herr Doktor, Sie haben meinem Kind das Leben gerettet und…« Jetzt lächelte sie wieder. »Und durch Sie habe ich auch das große Glück gefunden.«
Erstaunt zog Dr. Daniel die Augenbrauen hoch. »Wie bitte?«
Susanne nickte. »Sie haben schon richtig gehört. Ihnen verdanke ich, daß ich bald verheiratet sein werde.«
Dr. Daniel verstand kein Wort. »Ich habe Sie doch nur in die Klinik bringen lassen.«
»Genau das ist es«, meinte Susanne. »Der Arzt, der den Kaiserschnitt machte, wird demnächst mein Ehemann.« Wieder strahlte sie. »Bernd und ich haben uns auf Anhieb ineinander verliebt, und Stefanie ist für ihn glücklicherweise kein Hindernis. In zwei Monaten werde ich heiraten.«
»Das freut mich.« Es war Dr. Daniel anzusehen, daß er diese Worte ehrlich meinte. »Werde ich Sie auch nach der Hochzeit wiedersehen?«
»Ich weiß es nicht«, meinte Susanne. »Bernd und ich werden in München wohnen, aber…« Sie lächelte. »Ich brauche ja weiterhin einen guten Gynäkologen, und da könnte es durchaus sein, daß ich den Weg nach Steinhausen finde.«
»Das wäre schön.«