Dr. Daniel Paket 1 – Arztroman. Marie Francoise
antwortete Dr. Heller, ohne auch nur eine Sekunde zu überlegen. »Ich habe mir den Mund fusslig geredet. Dr. Scheibler ist bei dem Professor unten durch, wie man so schön sagt. Er hat nicht die geringste Chance, wieder hier an der Klinik aufgenommen zu werden.«
Dr. Daniel nickte. »Das dachte ich mir schon. Aber jedenfalls danke für die Auskunft. Und noch ein ruhiges Wochenende ohne viele Notfälle.«
»Danke, Herr Kollege«, erwiderte Dr. Heller, verabschiedete sich und beendete das Gespräch.
Auch Dr. Daniel legte den Hörer auf die Gabel, dann drehte er sich zu Dr. Scheibler um.
»Wie ich schon sagte – es ist aussichtslos. Dr. Heller ist derselben Meinung wie ich.« Dr. Daniel überlegte einen Moment. »Aber wir können noch etwas anderes versuchen. Kommen Sie, Herr Scheibler, fahren wir nach München.«
*
Dr. Georg Sommer, seit vielen Jahren Dr. Daniels bester Freund, staunte nicht schlecht, als er an diesem Samstagvormittag unverhoften Besuch bekam.
»Meine Güte, Robert, warum kannst du dich denn nie vorher anmelden!« erklärte er kopfschüttelnd.
»Weil ich dir nicht lange zur Last fallen will«, antwortete Dr. Daniel lächelnd, dann wies er auf seinen Begleiter. »Darf ich vorstellen? Dr. Gerrit Scheibler – Dr. Georg Sommer.«
Die beiden Männer schüttelten einander die Hand, dann bat Dr. Sommer seine Gäste herein.
»Nicht erschrecken, Margit«, warnte Dr. Daniel die Frau seines Freundes, die einen kurzen Blick aus der Küche warf. »Wir bleiben nicht zum Mittagessen.«
Margit Sommer strahlte über das ganze Gesicht. »Das Essen würde aber reichen. Du weißt doch, wie üppig ich immer koche.«
»Ja, und meine Schwester wird mich vierteilen, wenn ich hier esse und dann satt nach Hause komme, während sie sich vermutlich an der bayerischen Küche versucht.«
»Und wie gelingt’s?« wollte Margit wissen.
Dr. Daniel küßte seine Fingerspitzen. »Hervorragend!«
»Jetzt sind aber genug Küchengeheimnisse ausgetauscht worden«, warf Dr. Sommer dazwischen. »Darf ich euch etwas zu trinken anbieten?«
»Höchstens ein Mineralwasser«, meinte Dr. Daniel. »Wir sind beide Autofahrer.«
Sie setzten sich in das weitläufige Wohnzimmer, dann rückte Dr. Daniel sofort mit seinem Anliegen heraus.
»Hör zu, Schorsch, Dr. Scheibler ist Arzt, und soweit ich informiert bin, sogar ein sehr guter Arzt«, erklärte er.
Dr. Sommer zuckte die Schultern. »Tut mir leid, Robert, mein Team ist komplett. Ich brauche wirklich niemanden.« Und dann kam ihm plötzlich eine vage Erinnerung. »Moment mal… Scheibler…«
»Ja, ich bin derjenige, von dem Sie bestimmt schon gehört haben«, fiel Dr. Scheibler ihm ins Wort, dann stand er abrupt auf. »Es ist doch sowieso alles aussichtslos. Ein einziger Fehler wird mir ein Leben lang nachgetragen werden.«
»Herr Scheibler…«, begann Dr. Daniel besänftigend, doch der junge Arzt hob abwehrend beide Hände. »Lassen Sie’s gut sein, Herr Daniel. Sie haben getan, was Sie konnten.«
Damit verließ er Dr. Sommers Haus, bestieg sein Auto und fuhr weg.
»Oho, ich fürchte, da bin ich in ein Fettnäpfchen getreten«, meinte Dr. Sommer und strich sich ein wenig verlegen über das etwas licht gewordene, graumelierte Haar. »Ich wollte ihm nicht wehtun, aber…«
»Ich weiß, Schorsch. Das Schlimme ist nur, daß der Junge seit Wochen eine Absage nach der anderen bekommt. Was er sich in der Thiersch-Klinik geleistet hat, muß sich in ganz München und Umgebung herumgesprochen haben. Dabei ist er wirklich ein guter Arzt, und daß er so ehrgeizig ist…« Dr. Daniel zuckte die Schultern. »Im Grunde ist das ja kein Fehler.«
»Wenn man aufgrund dieses Ehrgeizes den Oberarzt der Klinik absägen will, dann schon«, wandte Dr. Sommer ein. »Wenn du eine Klinik hättest – würdest du ihn dann einstellen?«
In diesem Moment fiel bei Dr. Daniel der sprichwörtliche Groschen.
»Die Waldsee-Klinik!« stieß er hervor. »Daß ich daran nicht gedacht habe!«
Verständnislos starrte Dr. Sommer ihn an.
»Waldsee-Klinik?« wiederholte er gedehnt. »Wo soll die denn sein?«
Dr. Daniel lächelte. »Bei uns in Steinhausen.«
Dr. Sommer schüttelte den Kopf, als könnte er danach klarer sehen. »In Steinhausen? Seit wann habt ihr in Steinhausen eine Klinik? Ich dachte, ihr könntet sie nicht finanzieren.«
Dr. Daniel machte ein zerknirschtes Gesicht. »Ich muß Abbitte leisten, Schorsch. In dem ganzen Trubel habe ich völlig vergessen, es dir zu sagen: Rainer Bergmann hat uns vor fast einem halben Jahr das Grundstück für den Bau zur Verfügung gestellt und die Finanzierung gesichert.«
»Du bist ein Scheusal, Robert!« hielt Dr. Sommer ihm vor. »Als du nicht wußtest, wie du diese Klinik finanzieren sollst, bist du zu mir gekommen, aber jetzt, da die Klinik steht, hältst du es nicht mal für nötig, mich zu informieren.«
»Bitte, Schorsch, nicht böse sein«, bat Dr. Daniel. »In den letzten Wochen ging wirklich alles drunter und drüber. Außerdem steht zur Zeit erst der Rohbau.«
»Die Löffel sollte man dir langziehen«, knurrte Dr. Sommer. »Aber warte, mein lieber Robert, das wird noch eine saftige Strafe nach sich ziehen.«
»Gnade, Schorsch«, flehte Dr. Daniel, obwohl er genau wußte, daß sein Freund nicht wirklich böse
war.
»Nein, mein Junge, diesmal wirst du dich nicht herausreden«, meinte Dr. Sommer. »Du gehst jetzt ans Telefon und rufst deine Schwester an, daß du nicht zum Mittagessen kommst. Ich hoffe, daß sie dir gleich eine gehörige Standpauke hält. Anschließend wirst du dazu verurteilt, mit Margit und mir zu essen. Und wenn wir fertig sind, fährst du uns nach Steinhausen, damit wir die Klinik begutachten können. Abends hast du dann die Ehre, Margit und mich wieder nach Hause zu chauffieren.«
Dr. Daniel grinste. »Eine harte Strafe.«
»Weiß ich.« Auch Dr. Sommer grinste jetzt. »Und nun häng dich ans Telefon.«
Irene war nicht böse, daß Dr. Daniel vorhatte, sie zu versetzen. Sie hatte ohnehin nur Schnitzel geplant, und die schmeckten abends auch kalt. Und nachdem Dr. Sommer, seine Frau Margit und Dr. Daniel gegessen hatten, fuhren sie zusammen nach Steinhausen.
»Zur Klinik müssen wir zu Fuß gehen«, erklärte Dr. Daniel. »Die Gemeinde hat zwar zugesagt, eine Zufahrtsstraße zu bauen, doch das zieht sich offenbar noch eine Weile hin.« Er lächelte. »Wahrscheinlich werden wir bereits die ersten Patienten versorgen, ehe die Straße fertig wird.«
Doch der Spaziergang zum Waldsee tat ihnen allen nach dem üppigen Mittagessen und der anschließenden Autofahrt sehr gut. Und dann betrachtete Dr. Sommer anerkennend den hufeisenförmigen Bau, der direkt bei dem idyllisch gelegenen Waldsee entstand.
»Alle Achtung«, meinte er. »Das sieht ja sehr stattlich aus. Darf man die Räumlichkeiten auch von innen besichtigen?«
Dr. Daniel lachte. »Viel wirst du da noch nicht sehen, Schorsch, aber wir können natürlich hineingehen. Allerdings ist Vorsicht geboten.«
Zu dritt betraten sie den Rohbau.
Hier kommt die Empfangshalle hin«, erläuterte Dr. Daniel. »Im rechten Flügel werden wir die Chirurgie unterbringen. Dort gibt es dann einen Operationssaal, die Notaufnahme, eine kleine Intensivstation und auch das Büro des Chefarztes wird da drüben sein. Der linke Flügel ist der Gynäkologie vorbehalten. Auch hier haben wir einen Operationssaal geplant, außerdem drei Kreißsäle und das gynäkologische Untersuchungszimmer sowie ein Labor.«
Dr. Sommer nickte anerkennend. »Das klingt nicht schlecht.«