Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl

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Stube, als das leise Rauschen und Knistern der Aktenstücke. Sogar der Atem des Regimentsrats ging leise in Gegenwart des Hochgebietenden.

      Der Vizedom nahm ein Blatt aus dem Akte und wandte sich um: »In wessen Auftrage habt Ihr dem Junker Portner das Handgelübde abgenommen?«

      »Im Auftrage des Herrn Regimentsrates, Euer Gnaden.«

      »Ich habe ihm den Auftrag gegeben,« sagte der Regimentsrat und rieb die Hände.

      »Welchen Auftrag?« fragte der Vizedom.

      »Das Handgelübde betreffend, Euer Gnaden,« erklärte der alte Herr verwundert.

      »Und was sollte der Emigrant mit Handschlag an Eides Statt geloben?«

      »Wenn ich mich recht entsinne – wie war's doch, Kriemhofen? Auf ein Jahr oder auf zwei Jahre?«

      »Ich frage Euch!« herrschte ihn der Vizedom an.

      »Daß er sich auf gewisse Zeit der halsstarrigen Tochter des Zantners enthalten werde, Euer Gnaden,« sagte der Regimentsrat und machte eine tiefe Verbeugung. »Es war eine notwendige Maßregel, Euer Gnaden.«

      »Im Rate ist nichts davon verlesen worden!« rief der Vizedom.

      »Ich hab's von kurzer Hand verfügt, Euer Gnaden.«

      »Und müssen nicht alle diese Gegenstände kraft kurfürstlichen Befehls im Rate verlesen und durch formatum consilium beschlossen werden?« herrschte ihn der Vizedom an.

      Der Regimentsrat schwieg und rieb die Hände.

      »Nun gut, wir beide kommen noch zusammen!« sagte der Hochgebietende. »Und Ihr, Kriemhofen, habt ihm also das Handgelübde abgenommen. Und die Frist habt Ihr gesteckt auf –?«

      »Es muß in der Urkunde enthalten sein, Euer Gnaden.«

      »Freilich ist's in der Urkunde enthalten, freilich!« bestätigte der Vizedom. Er trat einen Schritt vor. »Und in welchem Zustande habt Ihr den Portner die Urkunde unterschreiben und siegeln lassen?«

      »Ich verstehe Euer Gnaden nicht,« antwortete Kriemhofen.

      »So – nicht? Auch gut! Wer war dabei?«

      »Der Einspännige Rummel,« kam's zögernd von den Lippen des Sekretarius.

      »Schellen!« befahl der Vizedom.

      Kriemhofen rührte sich nicht, und der Regimentsrat lief an die Klingel. –

      Der Diener kam.

      »Der Einspännige Rummel im Hause?«

      »Ja, Euer Gnaden.«

      »Soll augenblicklich kommen!« –

      Der Einspännige Rummel kam.

      »Du bist dabei gewesen, als der Portner von Theuern das Ding da unterschrieb?«

      »Jawohl, Euer Gnaden.«

      »Wann war das?«

      »Genau weiß ich's nimmer, Euer Gnaden.«

      Der Vizedom warf einen Blick auf die Urkunde: »Am zweiten November. – Tageszeit?«

      »Mitten in der Nacht, Euer Gnaden.«

      »So, mitten in der Nacht? Und in welchem Zustande war denn der Portner?«

      Der Einspännige zögerte mit der Antwort und blickte scheu nach dem Manne am Eingange des Erkers.

      »'raus mit der Rede, ist ja so wie so schon alles offenbar!« rief der Vizedom, und seine Worte erstickten in einem Krampfhusten.

      »Betrunken, Euer Gnaden,« sagte der Einspännige.

      »Noch einmal! Wie?« fragte der Hochgebietende.

      »Betrunken, Euer Gnaden,« sagte der Einspännige zum zweitenmal.

      »Abtreten!« befahl der Vizedom.

      Eilig entfernte sich der Knecht.

      Nun zog der Vizedom ein erbrochenes Schreiben aus seinem Wamse und reichte es dem Regimentsrate: »Leset's mit vernehmlicher Stimme!«

      Und der Regimentsrat las unter viel Räuspern und Stocken:

      »Wohledel und gestrenger, insonderheit hochgebietender Herr Vizedom. Demselben sind meine freundwilligen Dienste zuvor. Euer Gnaden wird sich ohne Zweifel erinnern, was für Drangsale diejenigen aus dem oberpfälzischen Adel, die sich nicht zur katholischen Religion bekehren wollen, zu erdulden haben. Werden aus ihrem Vaterlande ferngehalten, wird manchen nichts verabreicht von dem, was sie zu ihres Leibes Nahrung und Notdurft gebrauchen, also, daß es ein Jammer ist, wie viele von ihnen in das äußerste Elend geraten sind, zu welchen auch ich gehöre. Aber das alles ist eines andern Herrn Sache, der das Richtschwert in der Hand hält über Kaiser und Könige und stärker ist denn alle Potentaten zusammen, die vor seinem Angesichte fliegende Federn sind und dürre Blätter, mit denen der Wind sein Spiel treibt und sie führt, wohin er will. Warum ich arm, unwissend Weibsbild diesen Brief an Euch zu schreiben mich unterfangen, das hat solche Ursache: Euer Gnaden wird wohl wissen, daß unter den oberpfälzischen Emigranten vom Adel auch einer ist mit Namen Hansjörg Portner von Theuern. Und um deswillen schreibe ich diesen Brief; denn Hansjörg Portner von Theuern ist mein Verlobter vor Gott und den Menschen. Ich bitte aber, wohledel und gestrenger Herr, derselbe wolle mich anhören, nicht wie man eine arme Bittstellerin anhört, mit schläfrigen Augen und abgewandtem Sinn, sondern wie ein Chevalier auf eine vom Adel zu hören verpflichtet ist, welche ein Anliegen vor ihn bringt. Als eine vom alten Adel spreche ich mit Euer Gnaden in diesem Schreiben. Nun haben sie vor acht Wochen meinen Verlobten, Hansjörg Portner von Theuern, da er mit dem Herrn Oberforstmeister zu Amberg wegen eines Waldstreites mündlich verhandeln wollte, als einen Ungehorsamen und Verächter der kurfürstlichen Mandate gefänglich eingezogen. Ob das Euer Gnaden weiß oder nicht, ist mir unbekannt. Kommt nun mein Verlobter vor etlichen Tagen zu mir nach Hilpoltstein, wo ich mich bei meinem Oheim aufhalte, anzuschauen wie ein Schwerkranker, sagt, er habe schriftlich versprechen müssen unter Eid, daß er sich für alle Zeit meiner enthalten und sich ganz auf immer von mir lossagen wolle. Hat mir auch die Urkunde in Abschrift vorgezeigt, in der geschrieben steht, er wolle sich allzeit meiner enthalten, allzeit. Habe ich ihn ausgeforscht und er mir alles gesagt, daß es der Herr Sekretär Kriemhofen gewesen ist. Da weiß ich für meine Person genug. Daß es aber auch der hochgebietende Herr genau erfahre, deshalb schreibe ich, ohne daß der Portner davon eine Ahnung hat. Denn der Portner erachtet sich als ein Edelmann und gottesfürchtiger Mensch gebunden durch den erzwungenen, will sagen durch den erschlichenen Eid. Daß solcher Eid nicht mit rechten Dingen zugegangen ist, könnt' ich beschwören; denn bei klarem Verstande hätte mich der Hansjörg Portner niemals aufgegeben und verlassen, wo ich doch sein eigen bin und zu ihm gehöre und niemand habe auf der weiten Welt als ihn. Hat mir auch eingestanden, daß er von wegen zu ihm genommenen Weines beim Unterschreiben nicht ganz hell im Kopfe gewesen sei. Es kommt mir schwer an, was ich Euch mitteilen muß, aber ich kann mir nicht anders helfen. Der Herr Sekretär Kriemhofen hat mir schon während meiner Gefangenschaft zu Amberg nachgestellt und mich meinem Verlobten abwendig machen wollen mit Locken und Drohen. Bin der festen Meinung, daß er sich gerächt hat für eine Maulschelle, die ich, Ruth von Zant, ihm damals verabreicht habe, weil er unziemlich nahe an mich herangetreten war. Nun weiß es Euer Gnaden, und stelle ich mich in Gedanken vor Euch, bittend, Eurer eignen lieben Tochter zu gedenken und nicht als der Vizedom Kurfürstlicher Durchlaucht, nicht als der Katholik, sondern allein als der Edelmann die Angelegenheit in die Hand zu nehmen und zu untersuchen. Bin der Meinung, daß der Kurfürstlichen Durchlaucht wenig daran gelegen sein kann oder nichts, wenn zwei Emigrierte vom Adel einander in ehelicher Lieb' und Treu das Unglück leichter machen; kann's nicht glauben, daß der Herr Sekretär aus kurfürstlichem Befehl gehandelt habe. Doch Euer Gnaden wird Licht in diese Dunkelheit bringen, wenn Ihr anders wollt. Und Euer Gnaden will; denn ich habe Euer Gnaden angerufen als einen Edelmann. Datum Hilpoltstein, den 10. Dezember 1629. Euer Gnaden mich gehorsamlich empfehlend, Euer Gnaden gehorsame Ruth von Zant.«

      Der Regimentsrat ließ das Schreiben sinken und wandte sich zu Kriemhofen: »Allzeit und ganz auf immer – das habe ich nicht


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