Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl

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      »Na, und es gefällt dir in Nürnberg?«

      »Gefallen?« Georg lächelte schmerzlich. »Das ist ein teures Pflaster, Herr Vetter.«

      »Na freilich, Geld muß einer haben in der Stadt Nürnberg,« sagte der andre lauernd. »Aber daran wird's ja wohl nicht fehlen?«

      »Ach, das ist's eben, Herr Vetter,« seufzte Georg und trat einen Schritt näher.

      »Ja, warum bist du denn – 's geht mich freilich nichts an, aber ich muß doch fragen –, warum bist du denn nicht da draußen in Happurg geblieben?«

      »Aber, Herr Vetter, Ihr wißt ja doch, daß da draußen kein ehrlicher Mensch bleiben kann, weil die Kaiserlichen sengen und brennen und schänden und morden!«

      »Jawohl, und dann packt man auf und verzieht sich in die Stadt!« polterte Hans Andre heraus. »Und was treibst du denn hier?«

      »Es hat keinen andern Ausweg gegeben,« sagte Georg ruhig. »Ich suche Arbeit, aber es ist alles überfüllt. Und dennoch, wäre nicht mein Bruder Hansjörg schon acht Tage länger aus der Stadt, als er vorhatte –«

      »Ja, der Hansjörg!« fuhr Hans Andre auf. »Das ist auch solch ein Kapitel: läßt sich anwerben von der Stadt, mir nichts, dir nichts, fragt keinen Menschen um Rat, und nun reitet er zum Schwedenkönig, – der Henker soll ihn holen, den Schlingel!«

      »Ich dächte, der Herr Vetter spricht von meinem Bruder, dem Ehrenmanne,« sagte Georg Portner. »Und wen hätt' er denn um Rat fragen sollen, als er sich anwerben ließ? Ich dächte, er macht der Familie keine Schande als nürnbergischer Fähnrich!«

      »Davon ist nicht die Rede,« unterbrach ihn Hans Andre mürrisch.

      »Und warum hätte er sich weigern sollen, als man ihn zum König schickte?«

      »Das ist's eben,« brach Hans Andre wieder los. »Freilich hätt' er sich weigern sollen. Wer wird denn die Nase immer vorndran haben? Ich wollt', es könnt' mir gleich sein, wenn er sich die Nase verbrennt. Aber so darf mir's nicht gleich sein.«

      »Ich dächte, das kann uns wohl allen sogar noch nützen,« sagte Georg. »Wenn nun das Bündnis zwischen der Stadt Nürnberg und dem König zu stande kommt –«

      »Ja, wenn!« rief Hans Andre. »Aber das ist eben die große Frage.«

      »Ich dächte, das ist so gut wie abgeschlossen!«

      »Jawohl, hat sich was – abgeschlossen? Und wenn auch – was muß er dann die Nase, ich sag's noch einmal, die Nase vorndran haben?«

      »Ist er nicht Manns genug, sich selber zu entscheiden?« fragte Georg.

      »Für seine Person kann er meinetwegen zu den Türken gehen!« schrie Hans Andre. »Was für einen Schaden aber ich von seinen Abenteuern haben werde, das ist ein ander Ding.«

      Georg Portner sah dem Vetter ruhig ins Antlitz.

      »Oder hat er dir vielleicht die zwölftausend Gulden Kapital samt Zins und Zinseszins gegeben, die ich auf Theuern stehen habe, und du willst mir das Geld aufzählen, Jörg? Ei, recht so, nur her – dort ist ein Tisch, mach nur immer die Taschen auf!«

      Georg Portner senkte das Haupt.

      »Aha, so war's nicht gemeint – gelt, Jörg? Aber in nürnbergische Dienste treten, sich herandrängen zu gefährlichen Gesandtschaften, den Rebellen machen, das ist ein ander Ding. Hin ist hin, verloren ist verloren, – was kümmert's die Herren Brüder? ›Bettelleut' han's gut, han's gut‹ – heißt's im Liedel, und ist ja wahr –, ›bricht ihnen kein Ochs ein Horn, pfeift ihnen kein' Maus ins Korn, Bettelleut' han's gut, han's gut.‹ Aber an wem geht's hinaus, wenn der Kurfürst den Rebellen ächtet und Hand auf Theuern legt?«

      Georg sah dem Vatersbruder voll ins Angesicht und sagte: »Hat nicht – weiß Gott, wie uns die Schulden drücken –, aber hat nicht jüngst der Herr Vetter selbst im Roten Rössel unter vielen Emigranten eine scharfe Rede für Königliche Würden aus Schweden und gegen den Kurfürsten gehalten? Oder hat man mich angelogen?«

      »Zum Teufel,« fuhr Haus Andre auf, und seine Blicke suchten unstet in der Stube herum, »ich kann ja wohl einmal ein freies Wort sagen unter guten Freunden; denn ich für meine Person hab' keinen Maulwurfshaufen mehr zu eigen im Lande der oberen Pfalz. Aber an euch hängt Theuern, und auf Theuern stehen meine Zwölftausend, und da muß einer schon ein Dummkopf sein, wenn er alles auf eine Karte setzt, wie dein Bruder Hansjörg.«

      »Ich verbitte mir das, Herr Vetter,« sagte Georg.

      »Na, mußt nicht jedes Wort krumm nehmen,« lenkte der andre ein. »Aber sag selber, was wär's gewesen, wenn er nun vorsichtig hätte im Hintertreffen warten wollen? Klug wär's gewesen, Jörg!«

      »Klug!« murmelte Georg. »Klug in solchen Zeitläuften, wo's auf jeden Arm ankommt? Wollte Gott, ich verstände auch das Kriegswesen wie mein Bruder, daß sie mich auch nähmen als einen Fähnrich, und ich auch reiten könnte für die evangelische Sache!«

      »Jawohl, evangelische Sache! Daß ich mein Geld gesehen hätte für alle Zeiten!«

      »Aber es ist ja doch gar kein Zweifel, daß –« Georg wankte und griff nach der nächsten Stuhllehne. »Vergebt, es ist mir, es ist mir – etwas arg schwach.«

      »Ein großer Zweifel!« rief Hans Andre. »Fürs erste, ob die Stadt ein Bündnis abschließt, und fürs zweite, ob der König seinen Weg auf die Oberpfalz oder anderswohin nimmt.«

      »Vergebt, ich muß mich nun doch ein wenig setzen, es ist mir zu schwach.«

      »Und ein Kluger hätte sich freie Hand behalten, und je nachdem hätte er sich so oder so entschieden,« schloß Hans Andre.

      »Ich muß Euch nun doch sagen,« begann Georg und erhob sich mit Anstrengung, »bei mir zu Hause sieht's traurig aus: mein Weib liegt in den Wochen, und das Geld ist mir – es ist mir seit etlichen Tagen ausgegangen.«

      »Und da hat sich der leichtfertige Mensch mit Weib und Kind nach Nürnberg gesetzt!« rief Hans Andre Portner und schlug die Hände zusammen.

      »Ich hätte zwar noch keinen Mangel,« fuhr Georg fort, »aber es ist mir an der oberpfälzischen Grenze ein Wagen mit Getreide angehalten worden, unter dem Vorgeben, man lasse ins Feindesland keine Lebensmittel hinaus.«

      »Na, da haben wir's ja schon!« rief Hans Andre und begann in der Stube umherzurennen. »Ich hab's ja gesagt. Angehalten? Das gilt nur dem Rebellen, ich hab's ja gesagt! Oder glaubst du, Jörg, daß die zu Amberg nicht schon längst alles wissen von deinem saubern Herrn Bruder?«

      »Ihr höhnt einen Wehrlosen,« sagte Georg mit bebenden Lippen. »Und wär's nicht um meiner hungernden Magd und Kindleins – ich bliebe – ich bliebe keine Minute –.« Er schwankte wieder.

      »Höhnen? Ich werd' mich wohl ärgern dürfen über mein verlorenes Geld! Aber da, nimm einen Schluck Wein und einen Bissen Brot, mein Sohn!«

      Georg trank und verschlang einen Bissen. »Ich – ich habe seit vierundzwanzig Stunden nichts mehr über die Lippen gebracht,« murmelte er.

      »Zu dumm, wollt' sagen zu leichtsinnig!« jammerte Hans Andre. »Und jetzt auch noch das Unglück in Theuern!«

      »Welches Unglück?« fragte Georg.

      »Na, das weißt du doch selber schon so gut wie ich.«

      »Wissen? Nicht ein Wort, Herr Vetter!«

      »Na, das Aergste ist's auch nicht; das Hin- und Herschwedeln, wie's der Hansjörg treibt, ist weit ärger. Also du weißt nicht, daß euch vor acht Tagen das Gesindel in Theuern das Herrenhaus zusammengebrannt hat?«

      »Herr Vetter!« schrie Georg und faltete die Hände und stand da mit entsetzten Augen. »Das neue oder das alte?«

      »Na, das alte Rattennest haben sie freilich stehen lassen – das neue, Jörg! So, du hast's nicht gewußt? Thut mir leid, aber sagen hab' ich's doch müssen. Und sorg du


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