Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl

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geworden;

       Die Luft war schwül, die Luft war dumpf,

       Nun bläst der Wind aus Norden.

      Schneekönig hat sich aufgemacht,

       Daß ihm doch Gott das lohne!

       Es kommt der Leu aus Mitternacht,

       Und es wanken und krachen die Throne.

      Der Kaiser ist ein armer Tropf

       An allen Ecken und Enden,

       Der Kaiser hält auf seinem Kopf

       Die Krone mit zitternden Händen.

      O römisch Reich, du jammerst mich,

       Es ist um dich geschehen,

       Jetzt geht ein Durcheinander an,

       Wie die Welt noch keines gesehen.

      Wer aber ist der Herr der Welt,

       Und wen kann keiner entraten?

       Bahn frei, Bahn frei für die Herren der Welt,

       Bahn frei für uns, die Soldaten!

      »Ja, es sind mächtige Herren, die Herren Soldaten,« meinte der Wirt seufzend und drehte sein schmieriges Käpplein zwischen den Händen. »Aber sagt an, ihr Herren, ist's denn wahr, hat denn der König von Schweden wirklich mit den Nürnbergern sein Bündnis geschlossen?«

      »Das sind hohe Staatsaktionen,« antwortete der Wachtmeister, strich seinen Bart und lehnte sich zurück. »Was kann solch ein nürnbergischer Bauernschädel verstehen von derlei Subtilitäten und hoher Kopfarbeit?«

      »Verstehen wohl nit, aber in allen Gliedern das Reißen spüren von solch herrischer Kopfarbeit,« meinte der Wirt und machte ein verdrucktes Gesicht.

      »Die Wohlweisen und Hochgelahrten von Nürnberg werden wissen, was sie zur Ehre Gottes und zur diensamen Erhaltung der Gewissensfreiheit zu thun haben,« sagte der Wachtmeister mit Würde.

      »Daß sie doch einander allfort nach der Freiheit streben!« seufzte der Wirt. »Von mir aus könnt' jeder frei leben und frei sterben.«

      »Und wo blieben Regiment und Gehorsam?« fragte der Wachtmeister herausfordernd.

      »Nu, ganz so hab' ich's ja nit gemeint,« lenkte der Wirt ein; »mit Unterschied, Euer Gnaden, alles mit Unterschied. Aber um Vergebung, meint Ihr, es wird bald losgehen?«

      »Ich habe dir schon einmal gesagt, Bauer, das sind hohe Staatsaktionen,« antwortete der Wachtmeister. »Ich freilich schaue den Dingen sozusagen auf den Grund. Bin ich doch in der Gesandtschaft gewesen, die unterm Tetzel im Oktober zum Markgrafen nach Bayreuth geritten ist. Und in Bayreuth haben wir Wichtiges verhandelt. Hernach sind wir über Lichtenau nach Heilsbronn geritten und haben uns heftig beraten mit den Bayreuthischen und den Ansbachischen. Ja, in Heilsbronn haben wir Wichtiges verhandelt. Schenk mir einen Krug ein, Wirt! Das Wichtigste aber haben wir vor etlichen Tagen zu Würzburg ausgerichtet, ich, der Hansjakob Tetzel und der Doktor Richter als nürnbergische Abgesandte. Denn da haben wir Königliche Würden aus Schweden selber gesprochen. Und ich sag' euch allen, wie ihr dasitzt, es geht bald los, ja, das sag' ich.«

      Damit erhob er sich und stampfte sporenklirrend aus der Stube.

      »Das ist einer,« sagte der Wirt und stellte den Krug auf den Tisch, »an dem haben die Nürnberger was!«

      »Wer ihn nicht kennt, den Jakob Schuster aus Fürth,« brummte einer von den Soldaten und steckte ein Stück Käse in den Mund, »den Jakob Schuster aus Fürth, und er hört ihn so reden, der müßt' ihn für einen Bierbruder vom Schwedenkönig halten.«

      Die andern lachten.

      »Jeder ist das, was er aus sich macht; und war noch kein Hammel, dem nicht eine Schafherde nachgelaufen wäre,« meinte ein andrer.

      »Und wird nicht mehr lange dauern,« sagte der Wachtmeister Jakob Schuster aus Fürth unter der Thüre, »so wird der Schwedenkönig dem Tilly eine Schlacht liefern. Denn der Tilly und der Gustav Adolf, müßt ihr wissen, die sind einander todfeind. Da soll man ihn nur hören, den Gustav Adolf, wenn die Sprach' auf den Tilly, kommt: da wird er fuchtig, der König!«

      »Wie sieht er denn aus, der König?« fragte einer am Tische.

      Der Wachtmeister setzte sich, that einen tiefen Zug, wischte den Schnauzbart und machte ein wichtiges Gesicht: »Fast akurat wie der Wirt zum Grünen Baum in Forchheim. Na, ihr kennt ihn ja nicht, den Wirt zum Grünen Baum, aber genau so sieht der Schwedenkönig aus. Der Baumwirt ist der längste Mann, den ich kenne, und der König von Schweden ist's auch. Nur daß der Baumwirt seine Nase stumpf hat, und die Königliche Würden trägt die ihrige lang und krumm, und der Baumwirt hat ein glattes Gesicht, der König Gustav Adolf aber hat einen Schnauzbart und einen Knebelbart, wie sich's gehört. Aber sonst, dürft's glauben, sehen die zwei einander zum Verwechseln gleich, der Baumwirt in Forchheim und der König von Schweden. Wie ich und der König einander zum erstenmal gesehen haben, hätt' ich beinah' –«

      »Hättet Ihr beinah' gesagt – ›Baumwirt, 'en frischen Krug!‹« rief der Gefreite, und die Gesichter am Tische verzogen sich grinsend. Auch der Wachtmeister lachte und nickte gnädig zu dem Spötter hinüber.

      Der aber stimmte mit rauher Kehle aufs neue an:

      Der Kaiser ist ein armer Tropf –

      Und dröhnend fielen die andern ein:

      An allen Ecken und Enden,

       Der Kaiser hält auf seinem Kopf

       Die Krone mit zitternden Händen.

      O römisch Reich, du jammerst mich,

       Es ist um dich geschehen,

       Es geht ein Durcheinander an,

       Wie die Welt noch keines gesehen!

      *

      Zur selbigen Zeit standen die Neuvermählten auf einer Anhöhe hinter dem Dorfe.

      Die Nebel wallten im Thale von Reicheneck her, und auch die Houbirg auf der andern Seite über'm Dorfe hatte eine Nebelkappe. In den dürren Blättern raschelte der Morgenwind. Eng aneinander geschmiegt standen die beiden und sprachen kein Wort.

      Da hellte sich allgemach von Osten her das Firmament auf und wurde stahlblau, und mit einem Male brach die Sonne durch den Dunstflor, daß der hohe, spitze Kirchturm schneeweiß leuchtete und der goldene Wetterhahn funkelte.

      »O Hansjörg, ich bin so glücklich!« sagte Ruth und sah ihm in die Augen.

      Hansjörg Portner aber schlang die Arme um sein Weib, drückte sie ans Herz und jauchzte: »Ruth, dunkel ist's gewesen, Ruth, helle ist's geworden, die Sonne ist durchgebrochen!«

      Das Weib zitterte in seinen Armen.

      »Und immer heller wird's, immer heller! Ihr alle meine Feinde, was habt ihr über mich vermocht? Ist Gott für uns, wer will wider uns sein? Ihr alle meine Feinde, in Christi Namen werf' ich Panier auf!«

      Das Weib hob das thränenüberströmte Antlitz und lächelte: »O Hansjörg!« Dann aber ging ein Beben über ihre Glieder: »Da – da schau!«

      Neue Nebelmassen wallten über die Berge her, die Sonne verschwand, und in fahlem, grauem Lichte dehnte sich das Land.

      »Es ist wieder dunkel geworden, Hansjörg, dunkler als vorher,« flüsterte sie angstvoll.

      Vom Dorfe herauf erklang ein Trompetensignal, hell und schmetternd.

      »Komm, Ruth,« sagte Hansjörg Portner, »wir müssen fort!«

      Krächzende Raben flogen querfeldein.

      »Und wenn's auch wieder dunkel wird,« sagte er und atmete tief auf, »ganz dunkel kann's doch nimmer werden, Ruth!«

      Hunger.

       Inhaltsverzeichnis


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