Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl

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die Liebe ist ewig! Prometheus stahl das Feuer und schenkte es den Menschen, daß sie sich schützen möchten vor der Kälte und aus dem rohen Wesen emporarbeiten, so erzählt die Sage. Die ewige Erbarmung aber hat den mächtigen Strom der Liebe in die Menschenwelt geleitet, und der Strom fließt unaufhörlich, er ist auch in den dürrsten Zeiten niemals versiegt, unsere Ahnen haben aus seinen Fluten geschöpft, wir sitzen an seinen Ufern, und die fernsten Geschlechter werden sich noch aus seinen Wassern stärken. Zeit und Leid sind so vergänglich – aber die Liebe, die Liebe ist ewig! –

      Und nun will ich die düstere Geschichte erzählen aus jenem Jahrhundert.

      Georg Kerdern baute in dem öden Waldthal einen Eisenhammer. Der Herzog hatte es gewünscht. Auf einem Jagdausfluge soll er den Gedanken gefaßt haben, die bedeutenden Wasserkräfte zu nützen, und er gewann den genialen Offizier für diese Idee.

      Es währte nicht lange, dann wußte man es in der Residenz: der Fürst hat dem Kerdern das Waldthal geschenkt, und es soll etwas Großes da draußen entstehen. Und wieder nach einiger Zeit hielt Georg ein Pergament mit dem Siegel des Fürsten in der Hand und zeigte seinem Weibe alle die Rechte, die darauf verbrieft standen. Sein Weib zitterte heftig, so geht die Sage in unserm Geschlecht. Das war kein Wunder: wie die Schwalben unter dem Dache fühlen ja die Frauen vor allen Kreaturen das heranziehende Wetter. – Die Privilegien waren nicht gering: kein Köhler im Umkreis von zwei Wegstunden durfte seine Kohlen an andere Leute verkaufen, ehe der Kerdernhammer seinen Bedarf gedeckt hatte; auf allen Straßen konnten die Wägen mit dem Eisen zollfrei fahren; über die Hammerknechte ward dem Herrn die Gerichtsbarkeit für ewige Zeiten verliehen; die ganze Wasserkraft des Thales samt dreihundert Morgen Wald gingen in Kerderns freien Besitz über.

      Die Arbeit begann. Überall wirkte der Name des Herzogs, und das Geld floß reichlich zu dem Werke herbei. Georg und sein Glück war das Gespräch des Tages, und viel Neid wucherte im geheimen gegen den glücklichen Ketzer; sie sagten, er habe sich in die Gunst seines Fürsten geschlichen.

      Georg sah nichts von dem. Er hatte rastlose Gedanken im Kopfe, und was Neid ist, wußte er nicht.

      Bald hob sich draußen an dem einsamen Waldfluß der Giebel des Hauses. Tagtäglich ritt Georg hinaus, oft war auch der Herzog bei ihm. Und die Werkstätten wuchsen aus dem Boden, der Fluß wurde gedämmt und seine Kraft dem menschlichen Willen geknechtet, nach Jahresfrist dröhnte und glühte der Hammer und warf seinen bläulichen Rauch zum Himmel empor.

      Das Werk wurde größer. Mit zwanzig Knechten hatte man begonnen, es wurden fünfzig, es wurden hundert, und Kerdern schaffte ohne Ruhe. Eine Verbesserung nach der andern ersann er, und eines Tages führte er seinen fürstlichen Freund vor eine kunstvolle Maschine, die von ihm selbst erfunden war, dem ganzen Betrieb eine neue Richtung gab und seinen Namen weit und breit im Reich bekannt machte. –

      Jahre gingen vorüber. Zwei kluge Söhne und eine Tochter wuchsen den Eltern heran, und die Tochter hatte das schöne Antlitz der Mutter. Georg aber konnte schon manches von den bedeutenden Geldern zurückzahlen, die er hatte aufnehmen müssen, und es schien alles sehr gut zu gehen. Da kam das Unglück.

      Hast du schon einmal eine bange Nacht durchwacht? Bist du schon einmal auf deinem Lager gelegen mit offenen Augen, mit klopfenden Pulsen und mit quälenden Gedanken? Hast du schon einmal mit verzehrender Ungeduld die Schläge der Turmuhr gezählt und dem Morgen und dem Tageslichte entgegengeseufzt? Erinnere dich dieser Nacht, und stelle dir vor, daß nach deinem langen Warten keine Dämmerung mit der Dunkelheit gekämpft hätte, daß kein goldenes Sonnenlicht zu deinen Fenstern hereingeflossen, daß alles, alles finster geblieben wäre. Und denke dir, die Nacht hätte zehn lange Jahre gewährt und dann hätte sie noch kein Ende gefunden, und denke dir, du hättest mit deinen klopfenden Pulsen und mit deinem heißen Blute und mit deinen brennenden Augen in dieser Nacht rastlos umhergehen müssen und hättest dabei immer geahnt, daß bei den andern Menschen heller Tag war.

      Denke dir alles dieses. Und jetzt gehe mit mir in das Waldthal.

      Wenn sich über diesem Thal ein Gewitter entladen hätte, wenn ein Blitzstrahl in die hohe Tanne vor dem Herrenhaus gefahren und sein entsetzlicher Funke auf das Dach hinübergesprungen wäre und hätte den Herrn und sein gutes Weib und den älteren Sohn und das Töchterlein erschlagen, und der kleinere Sohn wäre wehklagend aus der brennenden Heimat in den Wald hinausgelaufen – es wäre schrecklich gewesen, und die Leute weit und breit hätten viel darüber gesprochen; aber es wäre ein großes Glück gewesen.

      Ich weiß nicht, war es ein Morgen, war es ein Mittag oder war es ein Abend – da jagte ein Bote auf der Straße von dem alten Städtlein her, jagte durch den Wald im Thale, trieb sein Roß über die Holzbrücke in den Hof des Herrenhauses und rief: »Der Herr Herzog ist vom Schlage getroffen!«

      Ich weiß nicht, war es ein glänzender Morgen, war es ein heißer Mittag oder war es ein stiller Abend – das weiß ich, daß jetzt die lange Nacht anhub, von der ich dir vorhin gesagt habe.

      Kaum hatten sie den gütigen Herzog mit großem Gepränge beigesetzt, kaum hatte die Herzogin-Mutter samt ihrem Beichtvater für den unmündigen Erbprinzen die Regierung in die Hand genommen, da schlichen feindliche Gestalten auf den Hammer draußen im Wald: der Neid und der Ketzerhaß. Die Knechte wurden schwierig, die Köhler verkauften ihre Kohlen außer Lands und fragten nichts nach dem Hammer, Gelder wurden gekündigt, in der Hofkanzlei begann man die Privilegien abzuändern, man beschnitt die Zollfreiheit, und zuletzt hob man alles auf, was der tote Herzog einst »auf ewig« verliehen hatte, und baute unweit vom Kerdernhammer in einem andern Thale einen fürstlichen Hammer.

      Durch das Gebälk des Herrenhauses aber ging ein Knistern und Krachen, und immer härter wurde die Zeit.

      Zu unerschwinglichen Summen wuchsen die Schulden. Es kamen Kriegsjahre, und alles wurde noch schlimmer, es wurde Friede, und nichts besserte sich. Zehn Jahre schleppte der arme Mann sein Elend, und als auch der Bruder im Walde nicht mehr nachhelfen konnte, fiel endlich alles zusammen. – –

      Das dachte ich unter der hängenden Weide, und noch einmal stieg mir vor der träumenden Seele der hohe Giebel des Herrenhauses empor, und ein früh gealterter Mann von fünfzig Jahren mit schneeweißem Haupthaar, mit gebeugtem Rücken und müden Augen trat unter der Thüre hervor. Neben ihm schritt sein Weib, und er suchte ihr zitternd eine Stütze zu geben. Ihre Kinder waren bei ihnen und waren erwachsene Leute geworden. Diese Menschen gingen über die Brücke und verschwanden im Walde. Wohin sie wohl gekommen sind?

       * * *

      Am nächsten Tage waren wir wieder in der kleinen Stadt und saßen in einem stillen Gewölbe des Pfarrhauses. Vor uns lag ein großes Buch mit schweren Deckeln und mit metallenen Spangen und mit krauser Schrift. Und ich schlug vier Seiten auf in diesem Buche und merkte sie mir ein. Dann las ich dem Vater die erste vor. Auf der stand geschrieben:

      »Anno 1752 den 1. Mai wurde begraben mit großem Geläute und auf fürstliche gnädigste Concession zu Nachts nach acht Uhr mit zwölf Fackeln: Herr Georg Kerdern, anfänglich gewester Ingenieuroffizier bei Herrn Herzogs *** hochseliger Durchlaucht, der hernach aber, nachdem er sich in ein weitläufiges und kostbares Hammerwerk eingelassen und darüber in große Schulden verfallen, anfänglich suspendieret und endlich gar kassieret worden. Also ohne Dienst und Gnadengehalt noch einige Jahre in größter Noth gelebet, bis er aus Kummer und Schwäche gestorben seines Alters 52 Jahr, 8 Monat, 8 Tag.«

      Ich schlug die zweite von den vier Seiten auf, die ich mir eingemerkt hatte. Da stand:

      »Anno 1759 den 23. September wurde begraben mit großem Geläute und zwölf Fackeln bei der Nacht: Frau Anna Maria Kerdern, eine geborene von Steineck, weiland Herrn Georg Kerderns, gewesenen aber zuletzt dimmittierten hochfürstlichen Ingenieuroffiziers nachgelassene Frau Wittib, welche durch Schwachheit, Sorg und Kummer entkräftet ihres Alters 54 Jahr, 4 Wochen gestorben in der Bürgerpfründ.«

      Ich schlug die dritte Seite auf und las:

      »Anno 1763 wurde begraben den 20. Aprilis Fräulein Sophie Charlotte Kerdern, des Herrn Georg Kerdern nachgelassene einige Tochter, mit großem Geläut zur Nachtzeit mit acht Fackeln, welche als


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