Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl
könnte sich finden, mein Freund.«
»Ich wüßte nicht, Euer Gnaden.«
»Pelkover,« sagte der Hochgebietende.
»Wolf Pelkover hat sich accommodiert und ist Pfleger zu Waldmünchen geworden,« antwortete Hansjörg.
»Nun also?« fragte der Vizedom leichthin.
»Mein Bruder und der Hammer zu Theuern bedürfen meiner, Euer Gnaden.«
»Ihr füllt Euern Platz überall aus,« sagte der Hochgebietende gnädig und reichte dem Junker die Hand.
Dieser verneigte sich tief. – Der Vizedom hielt die Hand fest und sah sehr gnädig aus:
»Menschen, wie Ihr seid, mein Freund, muß es gut gehen auf Erden.«
Hansjörg Portner stand hochaufgerichtet und löste seine Hand. »Und der Herr Vizedom kennt mich ja doch gar nicht!«
Der Hochgebietende biß sich unmerklich auf die Lippe und sagte mit einer leichten Handbewegung:
»Nun also, macht Eure Sache gut, auf daß man stets Gutes von Euch höre!«
Hansjörg Portner verneigte sich tief. Dann aber sah er dem Gewaltigen gedankenvoll nach und murmelte:
»War das nun der Vizedom oder war's der Burghüter von Rieden?«
»Sehr gnädig gewesen, Seine Gnaden?« sagte eine Stimme hinter Hansjörg.
»Ihr, Herr von Zant?« rief der Junker und wandte sich hastig.
»Wir!« lachte der Zantner und schüttelte ihm die Hand. »Gluck, gluck, gluck, Hansjörg! Die Flügel sind ausgebreitet, die Henne ruft, und die Küchlein können unterkriechen.«
»Ich verstehe Euch nicht, Herr!«
»Unterkriechen, Hansjörg! Sehr gnädig gewesen, Seine Gnaden, nicht?«
»Unverdientermaßen, Herr,« lautete die finstere Antwort.
»Sehr gnädig gewesen, und im Glanze der Sonne erblassen die Sterne,« lachte der Zantner. »Ich glaube, meine Ruth würde sich freuen, wenn du sie begrüßen wolltest.«
»Glaubt Ihr? Ich denke, sie hat genug Kurzweil mit unsern Feinden!«
Verwundert sah ihm der Zantner ins Gesicht:
»Holla, da hat's ja wohl noch Zeit mit dem Unterkriechen? Feinde? Ja, sag, ist sie denn zum Trübsalblasen nach Amberg geritten?«
»Unterkriechen?« fragte Portner. »Unterkriechen bei unsern Feinden, Herr? Niemals!«
»Guter Freund, ich geb' dir einen Rat: Mach mit, und es kommt dir nicht mehr halb so toll vor!«
»Und das sagt Ihr?«
»Cum grano salis!« murmelte der gelehrte Herr und sah mit großen Augen in das Gewühle. Und es war, als tanzte der Spott um seine Lippen.
»Ich dachte schon, Ihr wolltet uns gar nicht sehen,« flüsterte Ruth von Zant und sah treuherzig zu Hansjörg Portner hinauf. »Das wäre aber nicht schön gewesen, Herr.«
Die Pfeifer und Geiger lockten zum Tanze, und der Junker führte das Fräulein von Zant im Reigen.
»Nicht schön gewesen?« fragte Portner.
»Nein!« sagte Ruth.
»Und Ihr habt Euch ja doch vortrefflich unterhalten?«
Verwundert blickte Ruth empor zu ihm. »Und woher wollt Ihr das wissen?«
Hansjörg schwieg.
»Es war mir eigentlich recht angst auf diesen Abend, daß ich's nur gestehe,« plauderte Ruth. »Und dann hat mich auch die Frau Vizedomin so kalt angesehen, daß es mir ganz heiß geworden ist. Ihr müßt nur wissen, Herr Portner, so 'n unwissendes Ding von draußen herein, wo die Hunde und Füchse einander gute Nacht sagen und aus der Ferne die Wölfe heulen dazu. Mau weiß ja gar nicht, was man reden soll.«
»Und dann habt Ihr Euch trotz allem vortrefflich unterhalten,« sagte Portner.
»O ja!« lachte Ruth und sah ihm voll ins Gesicht. »Besser schon, als –« sie stockte – »als heute mit Euch. Heute,« setzte sie mit Nachdruck hinzu.
»Vergebt,« flüsterte Portner und neigte sich ein wenig zu ihr herab, »es ist mir heute nicht scherzhaft zu Mute.«
»Scherzhaft, Herr Portner?« Sie sah ihn mit großen Augen an. »Glaubt Ihr, es sei mir scherzhaft zu Mute?«
»Und warum Euch nicht?« fragte der Junker.
Sie ballte die kleine Faust und machte ein zorniges Gesicht: »Unter unsern Feinden, Herr Portner?«
»Dank' Euch für dieses Wort!« flüsterte Hansjörg.
Bekehret euch!
Frühlingsstürme hatten über das Land gefegt. Die Vils ging hoch in schmutzigbraunen Fluten, schwarz dehnten sich die aufgerissenen Felder im Thale, schon lag es wie grüner Schimmer auf den Wiesen, an Baum und Strauch starrten die Knospen zum Springen geschwellt – es war, als hielte die Natur den Atem an und lauschte aus allen Poren von Stunde zu Stunde, ob es nicht endlich, endlich ertöne, das große Wort – Erwache!
In der Georgenstraße zu Amberg vor Hans Ruprecht Schmidthammers, des Goldschmieds, Werkstätte hielt der Knecht Mathes mit zwei Pferden, und drinnen handelte Hansjörg Portner um ein goldenes Kreuzlein für seine Schwägerin.
»Nehmt's getrost, Herr!« sagte der verwachsene Mann. »Vorgeboten ist nicht, und sind ja doch die Zeiten so schlecht. – Für einen ehrlichen Menschen sind sie schlecht,« setzte er hinzu; »denn glaubt mir, wollt' ich all das gestohlene und geraubte Zeug aufkaufen, das mir Soldaten und Juden tagtäglich ins Haus tragen – ja, dann!«
»Die Zeiten sind für jeden Menschen schlecht, Meister,« sagte Hansjörg und zog sein Beutelein.
»Für jeden ehrlichen Menschen,« wiederholte der Alte und trat in die Thüre. »Und was sie doch heute so freundlich scheint, die Frau Sonne!« murmelte er und spähte straßauf und straßab.
Dann schloß er die Thüre und trat nahe an Portner: »Muß halt auch ein schön Schächtelein zuspendieren – nicht? – Ja, Herr Portner, so freundlich scheint heute die Frau Sonne, daß einem das Herz lachen möcht' im Leibe. Hab's wohl von meinem Vater selig angeerbt, die Freud' am Sonnenschein.«
»Die hat doch jeder Mensch,« meinte der Edelmann und zählte das Geld auf.
»Jawohl,« kam's zurück, »der eine so, der andre so. Wenn ich aber mit meinem seligen Vater über Land 'gangen bin, Herr Portner, und es ist die Sonne hinter den Bergen heraufkommen, so hat er immer den Hut abgenommen. Und oft hat er gesagt, aus ihr schaut ein Auge nieder auf die Erde, das alles durchdringt. Seh' noch seine silbernen Haar' blinken im Sonnenschein, und sind ja doch die meinigen auch schon über und über grau. – Und was für Erbärmlichkeiten mag wohl das goldige Sonnenauge sehen müssen, Herr, in den nächsten Tagen?« fragte er flüsternd. »Wißt Ihr denn nichts, Herr?«
»Die Zeiten sind schlecht, Meister,« sagte Hansjörg und steckte das Päcklein ins Wams.
»I was, für einen ehrlichen Menschen sind sie schlecht, für einen andern nicht. Morgen soll's ja losgehen. Wißt Ihr's nicht?«
»Morgen schon?« fragte der Junker.
»Ja, morgen. Und ist's nicht hart, Euer Gnaden? Heut abend noch geht der Trommelschlag, und morgen muß jeder Bürger und jede Bürgerin aufs Rathaus, und dann – entweder oder! Hart, Herr, hart! Ich bin ein alteingesessener Bürger; und alle meine Altvorderen sind Amberger Bürger gewesen, und auf dem Grund und Boden da sitzen wir seit Menschengedenken, und aus dem alten Holzhaus, das vordem da gewesen ist, hat mein Guckahn das neue