Gesammelte Werke: Romane & Erzählungen. August Sperl

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der Rittmeister.

      Edel und vest.

       Inhaltsverzeichnis

      Am Morgen des nächsten Tages hielt Hansjörg Portner zu Pferde mit seinem Zeugen auf der Platte des langgestreckten Ambergs hinter den Trümmern der uralten Feste.

      »Der Ort ist gut gewählt,« sagte der Zeuge.

      Portner nickte.

      »Und die ersten sind wir auch. Aber habt Ihr mir nicht einen Auftrag, Herr Portner?«

      Hansjörg griff in sein Wams und zog zwei Briefe heraus, betrachtete sie nachdenklich und steckte sie wieder ein: »Die beiden wollet mir freundlich besorgen, Herr Bruder, wenn mir was zustoßen sollte. Und wäre vielleicht inzwischen ein Loch hindurchgeschlagen, dann hätten sie ja gleich ein Andenken an den Emigranten.« Er lachte leise. »Ich danke Euch, Herr Bruder. Ihr thut mir einen großen Gefallen.«

      »Nicht der Rede wert,« sagte der andre und schüttelte Portners Hand; »es ist mir eine Ehre, Herr Bruder. Doch meine ich, es wäre Zeit, daß die Herren sichtbar würden. Die Sonne wird gleich aufgehen, sie steckt nur noch hinter dem Nebel.«

      Schweigend ritt Hansjörg am hohen Wachtturme vorüber, hielt sein Roß an und sah hinaus nach Osten ins weite, wellige Land.

      Ja, die Sonne war aufgegangen, aber sie war noch durch Nebel verdeckt. Wie Dampf drang der Atem aus den Nüstern des Rosses, ein wolkenloser Himmel spannte sich über dem Berge und über der Stadt, die gleich einem großmächtigen, eirunden Steinhaufen gegen Abend drunten in den weißen Fluren lag. Aber dort, wo die Sonne aufsteigen sollte, stand eine graublaue Schneewolkenwand.

      Könnte die Sonne diese Wand durchbrechen? Vielleicht!

      Ein silberheller Saum lief die Wand entlang, und nun brach es aus ihrer Mitte senkrecht gegen den Zenith hervor wie ein schmaler, metallischer Schimmer, wie eine schlanke, blaßglänzende Fackel. Breiter und breiter wurde der glitzernde Saum, Flammen schlugen aus der Fackel, in glühendes Rot verwandelte sich das weißglitzernde Gefunkel des breiten Saumes, und jetzt, jetzt rang sich die Sonne hervor hinter der Nebelwand, blitzend und blendend – noch einen Augenblick, und sie stand über der Wolke und grüßte die starre Welt. Leise fielen große, kalte Flocken auf die kalte, weiße Flur, siegreich begann das Gestirn des Tages den Lauf, grüßte die Stadt im Thale und die Trümmer auf dem Berge und den stillen Mann, der geblendet die Augen senkte und das Haupt entblößte, und stieg höher und höher. –

      Zwei Reiter arbeiteten sich den Weg herauf. Hansjörg Portner lenkte ihnen sein Roß entgegen und griff an den Hut.

      »Erkältet Euch nicht, Herr, es ist frisch da heroben!« rief der Rittmeister.

      »Wieso?« fragte Portner.

      »Weil es doch keinen Zweck hat!« sagte der Leutnant.

      »Ich bitte um näheren Aufschluß, ihr Herren!«

      »Was wissen wir?« lachte der Rittmeister. »Der Vogel ist ausgeflogen!«

      »Kriemhofen?« fragte Portner und machte ein finsteres Gesicht.

      »Ist fortgeflogen, und weiß keiner, wohin,« lachte der Rittmeister. »Das haben wir Euch vermelden wollen, und nun reiten wir wieder zu Thale.«

      »Wie soll ich das Ganze verstehen?« fragte Portner.

      »Verstehen?« lachte der Rittmeister. »Ja, Herr, da fragt Ihr mich zu viel. So was habe ich überhaupt noch niemals erlebt.«

      »Ich auch nicht,« meinte der Dragonerleutnant und machte sich an seinem Barte zu schaffen.

      »Ich weiß nur eines, Herr Portner, daß Ihr ein Kavalier seid vom Scheitel bis zur Sohle,« sagte der Rittmeister.

      »Und bis heute abend sollt ihr Nachricht haben,« wandte sich der Leutnant zu Portners Zeugen.

      Die Offiziere grüßten und ritten zurück in den verschneiten Wald.

      *

      Ein Stück Weges ritt Portner mit seinem Zeugen, dann hielt dieser sein Pferd an, lachte und rief: »Also ist's nichts gewesen, Herr Bruder! Gehabt Euch wohl, und wenn Ihr fürderhin meiner Dienste bedürft, so laßt mich's wissen.« Und damit bog auch er ab zur Stadt.

      Langsam ritt Hansjörg weiter im verschneiten Walde.

      Doch er war nur wenige Schritte gekommen, als ihm ein alter Mann, ein Jäger, in den Weg trat.

      »Ihr, Herr Mendel?« rief Portner, zog den Hut und hielt sein Tier an.

      »Wer anders als ich in diesen Jagdgründen, guter Freund?« sagte lächelnd der alte Herr. »Aber was habt Ihr denn am frühen Morgen für Verrichtungen auf dem Amberg?«

      Portner sprang ab: »Ich wollte einen Buben züchtigen, Herr. Doch der Bube hat sich nicht gestellt.«

      »Ach so, deshalb das Hin- und Herreiten und die grimmigen Gesichter!« sagte der alte Herr. »Ich hab's gar wohl bemerkt, guter Freund.«

      »Es hat auch den Herrn Mendel von Steinfels angegangen!« murrte Hansjörg.

      »Mich? Ei, was Ihr sagt!«

      »Der Bube hat die oberpfälzische Ritterschaft beschimpft!« rief Portner.

      »Ei, die Ritterschaft?« sagte der alte Landsasse und machte ein verwundertes Gesicht. »Aber, ei, wer kann denn die oberpfälzische Ritterschaft beschimpfen, guter Freund?«

      »Nun eben ein Bube, Herr Mendel.«

      »Laßt mich zu Ende reden, guter Freund! Ich sage: Wer kann sie beschimpfen, wenn sie nicht schimpflich gehandelt hat?«

      »Aber Herr, es kann doch jeder Bube von heut auf morgen ohne Ursache meine Ehre in den Kot ziehen?«

      »Scheinbar, guter Freund. Ist die Ehre aus dem Kote, dann wird sie untergehen im Kote. Ist die Ehre von Gott, dann wird der Kot abstäuben von ihr nach seiner Zeit – hier oder dort. Und sagt an, guter Freund, was hat nun jener Bube wider die Ritterschaft gewußt?«

      »Er hat sie gewappelte Mistbauern und feiges Hasenvolk genannt!« rief Portner.

      Der alte Edelmann lüftete die Jägerkappe, fuhr über das weiße Haar, setzte die Kappe wieder auf, wiegte das Haupt nachdenklich hin und her und sagte lächelnd: »Ei, das ist freilich grob gewesen, Herr Bruder.«

      »Nun also, Herr! Ich dächte, den Schimpf hättet Ihr auch nicht sitzen lassen auf Euch und uns allen!«

      »Da ich jung war, guter Freund, sicher nicht,« sagte der Edelmann. »Aber heute?« Er lächelte und strich seinen weißen Schnurrbart. »Nein, Herr Portner, ich hätte ihn auch heute nicht sitzen lassen.«

      »Und was hättet Ihr heute oder gestern an meiner Stelle gethan, als er den Schimpf vor vielen Zeugen vom Stande ausstieß?« rief Portner ungeduldig.

      »Was ich gethan hätte, guter Freund?« fragte der alte Mann und blickte den Junker durchdringend an. »Ich wäre vor ihn getreten und hätte gesagt: Daß wir gewappelt sind, kann ich nicht leugnen, Herr, doch das war nie und nirgendwo ein Schimpf. Daß der eine und der andre von uns arm ist und selber Hand anlegen muß von früh bis nacht, damit der Mist rechtzeitig auf den Acker komme und der Acker bestellt werde und die Ernte nicht verfaule, das kann ich auch nicht leugnen, aber es ist uns keine Schande, Herr –«

      Der Landsasse hielt inne, Portner aber rief: »Gewappelte Mistbauern und feiges Hasenvolk, Herr!«

      Mendel strich den Bart und sah den Junker unverwandt an: »Ja, Herr Bruder, wenn er uns feige Leute geheißen hat, so ist das freilich ein schwerer Schimpf.«

      »Nun also!« rief Hansjörg.

      »Ein schwerer Schimpf,« wiederholte der alte Mann nachdenklich. Dann aber fuhr er fort: »Und auf diesen Schimpf hätte ich ihm ins Gesicht geantwortet: Ob wir feige sind, Herr, das entscheidet in einem Monat, wenn


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