Der Bergpfarrer Paket 3 – Heimatroman. Toni Waidacher
einmal fanden sie eine Kaffeedose aus Blech, die allerdings leer war, und in einem anderen befand sich in Zeitungen eingewickeltes Porzellan. Ein ganzes Kaffeeservice, wie sich herausstellte.
Aber keine persönlichen Dinge wie Fotos oder irgendwelche Papiere, die vergessen worden waren und vielleicht einen Hinweis geben konnten.
»Ich könnt’ mir vorstellen, daß deine Großeltern alles fortgeworfen haben, was Tobias Starnmoser, wenn überhaupt, dagelassen hat«, mutmaßte Tobias.
Carla deutete auf den letzten Karton, der noch verschlossen war.
»Vielleicht«, meinte sie. »Aber schau’n wir erst einmal da hinein.«
Der Karton war der kleinste von allen, und in ihm waren einmal Dosen mit Tomatenmark transportiert worden, wie der Aufdruck verriet. Florian schnitt den Bindfaden, der darum gewickelt und verknotet war, durch und klappte die Deckel auf.
Die beiden sahen sich mit großen Augen an, als sie zuoberst ein gerahmtes Foto fanden. Es zeigte einen Mann in Arbeitskleidung, der auf der Bank vor dem Haus – diesem Haus! – saß und lachend in die Kamera winkte. Er war kaum älter als zwanzig, hatte ein schmales Gesicht und kurzes dunkles Haar. Der Rahmen war aus Leder und vielleicht damals modern gewesen.
Carlas Herz klopfte heftig, als sie das Foto nahm und betrachtete.
War das Tobias Starnmoser, ihr Vater?
Florian hatte unterdessen die anderen Sachen herausgeholt; ein paar Bücher, einen vollgeschriebenen Notizblock und einige Briefumschläge. Ihm stockte der Atem, als er die Adresse las: An Herrn Tobias Starnmoser, Hornbacherhof, St. Johann!
»Das ist er«, sagte der Bauernsohn. »Das ist dein Vater. Die Briefe sind an ihn adressiert.«
Carla sah ihn an, Tränen standen in ihren Augen und gleichzeitig mußte sie vor Freude lachen.
»Endlich!«
Endlich hatte sie ein Foto ihres Vaters, der nicht mehr hatte miterleben dürfen, wie sie auf die Welt kam. Es war ein ganz unbeschreibliches Gefühl, das sie durchströmte, und um keinen Preis hätte sie das Foto wieder aus der Hand gegeben.
Tobias freute sich mit ihr. Er schaute sie fragend an.
»Meinst du, wir dürfen die Briefe lesen?«
Carla nahm sie und schaute darauf.
»Vielleicht steht ja etwas darin, das uns weiterhilft, etwas über die Herkunft meines Vaters herauszufinden.«
Sie drehte das Kuvert um und las den Absender.
»Merkwürdig«, murmelte sie.
»Was ist denn?«
Sie hielt ihm den Umschlag hin.
»Da, schau, eine Anna Starnmoser hat den Brief geschrieben. Aus St. Johann!«
»Was…?«
Carla holte den Brief heraus. Offenbar war er von Tobias’ Mutter, ihrer Großmutter, geschrieben worden, und sie beklagte sich darin, daß der Sohn so lange nichts von sich hatte hören lassen.
Die Arzthelferin ließ das Papier sinken.
»Das ist doch seltsam«, sagte sie. »Bisher dachten wir, daß mein Vater net von hier stammt, und jetzt stellen wir fest, daß seine Mutter in St. Johann wohnte.«
»Gib mal her«, bat Florian kopfschüttelnd. »So was gibt’s doch gar net. Da bräuchte sie ihm doch net zu schreiben!«
Stirnrunzelnd las er den Brief, schaute noch einmal auf den Absender und drehte das Kuvert um. Dann lachte er ganz plötzlich laut auf.
»Wir Dummköpfe«, rief er aus und gab Carla den Briefumschlag zurück. »Das ist eine österreichische Briefmarke. Dein Vater stammt wirklich aus St. Johann, aber in Tirol!«
Carla schaute ungläubig auf die Marke und lachte ebenfalls. Kein Zweifel, der Brief war in Österreich aufgegeben und abgestempelt worden.
»Mensch, darauf kann ja auch keiner kommen«, sagte Florian.
Sie strahlte ihn an.
»Dank’ dir. Ohne dich wär’ ich nie dahinter gekommen.«
»Schon gut«, wehrte er ab. »Ich hab’s doch gern getan.«
Er deutete auf die Kartons.
»Und was machen wir damit?«
»Vielleicht können sie noch ein Weilchen hier stehen bleiben«, sagte Carla. »Ich würd’ mir die Sachen noch mal in aller Ruhe anschau’n wollen und dann entscheiden, was damit geschieht.«
Sie drückte das Foto und die Briefe an ihr Herz.
»Jetzt bin ich viel zu aufgeregt.«
»Aber natürlich«, nickte Florian. »Das kann ich gut versteh’n. Mir würd’s wahrscheinlich net anders geh’n.«
»Pfarrer Trenker wird bestimmt auch staunen«, meinte Carla, als sie die Leiter wieder hinabstiegen.
»Ich freu’ mich schon auf heut’ abend«, sagte Florian.
»Und nach dem Essen im Pfarrhaus würd’ ich gern mit dir tanzen geh’n…«
Er sah sie erwartungsvoll an.
»Magst du?«
Carla hatte schon durch Ria Stubler von dem Tanzabend im Löwen gehört. Sie nickte.
»Ja, Florian, sehr gern…«
Der Bauernsohn hatte die Leiter hochgeklappt und die Luke verschlossen. Er drehte sich zu ihr um und bemerkte den Blick, mit dem sie ihn ansah. Wortlos zog er sie in seinen Arm, nahm ihren Kopf und küßte sanft ihren Mund.
»Ich liebe dich, Carla«, sagte er. »Vom ersten Augenblick an!«
Die junge Frau lehnte ihren Kopf an seine Schulter und hielt die Augen geschlossen.
»Ich glaube, ich liebe dich auch, Florian«, antwortete sie leise.
*
Im Pfarrhaus war Sophie Tappert schon seit dem Nachmittag mit den Vorbereitungen für das Abendessen beschäftigt gewesen. Als dann Max und Claudia herüberkamen, band sich die Journalistin eine Schürze um und legte mit Hand an.
Sebastian und sein Bruder suchten derweil den Wein aus.
»Also, ich hab’ gestern abend noch mal geschaut«, berichtete der Polizist, »aber über eine Gaunerin, die sich als Nonne verkleidet, steht nix im Computer.«
Der Bergpfarrer hatte eine Flasche Rotwein aus dem Regal genommen und wischte den Staub ab.
»Eine merkwürdige Geschichte«, sagte er. »Irgendwas stimmt dennoch net mit dieser Schwester Klara.«
Max hatte gestern mehrere Stunden vor dem Computer auf seinem Revier verbracht und verschiedene Stichworte eingegeben, die Sucherfolge waren jedesmal negativ gewesen. Am Tag zuvor war er nicht dazu gekommen, weil eine großangelegte Verkehrskontrolle anberaumt worden war, die im ganzen Landkreis durchgeführt wurde.
»Ich versuch’s am Montag noch einmal«, versprach er. »Dann ist’s ein bissel ruhiger, und ich hab’ vielleicht mehr Glück.«
Sebastian Trenker stellte zwei Flaschen von dem Rotwein in den Korb, während Max nach dem Sherry griff. Noch einen leichten Weißwein für die Vorspeise, und sie hatten alles beisammen.
Inzwischen war es kurz vor sieben, und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Gäste kamen. Der Geistliche bat seinen Bruder, schon mal den Rotwein zu öffnen und in eine Karraffe umzufüllen, damit er Sauerstoff bekäme und seine Aromen besser entfalten könne. Unterdessen schaute er in die Küche, wo Sophie Tappert und Claudia wirbelten.
»So, wir sind soweit«, sagte die Journalistin und band sich die Schürze wieder ab.
»Dann können S’ ja kommen«, nickte Sebastian.
Im selben Moment