Butler Parker Jubiläumsbox 5 – Kriminalroman. Günter Dönges
»Wieso denn das?« Hardels sah sein Gegenüber erstaunt an.
»Na, überleg’ doch mal, Boß! In Los Angeles und New York waren wir gut genug, die Bilder aus den Häusern zu holen. Aber hier in Chicago sollten es auf einmal Canters und Botnam erledigen. Ich wette, unsere Goldader wollte und will uns los werden. Vielleicht weißt du schon zuviel.«
»Falls er das wirklich vorhat, wird er auf Granit beißen, mein Junge. Stan Hardels ist so leicht nicht an die Wand zu drücken. Ich weiß tatsächlich eine Menge über unseren Auftraggeber.« Hardels reckte sich und kam sich in diesem Augenblick sehr gerissen und schlau vor.
»Und was ist, wenn er dich abknallen läßt wie Canters?«
»Du mußt eben ganz hübsch auf mich aufpassen, damit mir nichts passiert.« Hardels lachte. »Ohne mich kein Geld und keine weiteren Aufträge.«
»Wird er überhaupt mit neuen Aufträgen für uns rausrücken?«
»Falls nicht, wird er mir sagen müssen, wer seine Kunden sind.«
»Und dann …?«
»Machen wir genau das, was Canters versuchte. Wir werden den Käufer der gestohlenen Ölschinken erpressen. Nur raffinierter als Canters.«
»Du solltest damit gar nicht zu lange warten«, antwortete Jerry Landers warnend. »Wenn schon, dann müssen wir schneller sein als unser Geldgeber. Ist der überhaupt hart?«
»Härter, als du und ich zusammengenommen«, erwiderte Hardels. Er zündete sich eine Zigarette an und starrte auf die Straße hinunter. Er wußte, daß er mit Nitroglyzerin spielte, wenn er sich selbständig machen wollte …!
*
Als Josuah Parker an diesem Abend sein möbliertes Zimmer aufsuchte, wurde er von den Gangstern überrascht. Wie mit Mike Rander, seinem jungen Herrn, vereinbart, wohnte er außerhalb der üblichen Wohnung. Die Adresse entsprach der, die er Stan Hardels Freundin gegeben hatte. Er wollte es den Gangstern ja nicht zu schwer machen, ihn zu suchen und zu finden.
Es stimmte auch nicht, daß Parker überrascht wurde. Als er nämlich vor der Zimmertür stand, glitt sein prüfender Blick hinauf zum Türrahmen. Dort hatte er vor dem Verlassen des möblierten Zimmers eine Papiermarke angebracht. Sie lag jetzt vor der Tür auf dem Boden, Parker konnte sich also leicht ausrechnen, wer im Zimmer auf ihn wartete.
Dennoch besaß der Butler die Nerven, die Tür umständlich aufzuschließen und aufzudrücken. Diesen Kontakt hatte er ja gesucht. Er dachte nicht im Traum daran, sich irgendwie abzusichern. Er vertraute seiner Geschicklichkeit, mit Gangster umzugehen.
Jerry Landers, der Gangster mit dem kompakten Bau, stand am Fenster und richtete den Lauf seines Revolvers auf Parker.
Sein jüngerer Begleiter, der von Parker ebenfalls mit Suppe behandelt worden war, löste sich vom Schrank und schnitt Parker den Weg zur Tür ab.
»Hoffentlich mußten Sie nicht zu lange warten«, begrüßte der Butler seine Gäste.
»Dir wird das Flachsen bald vergehen, Alter.« Landers räusperte sich und schritt auf Parker zu. Er ließ den Butler nicht aus den Augen. Inzwischen glaubte er nämlich genau zu wissen, wie listenreich und gefährlich der scheinbar alte Mann vor ihm war.
»Darf ich mir die Freiheit nehmen, mich nach Ihren speziellen Wünschen zu erkundigen?« Josuah Parker duldete es, daß der Jüngere den Lauf seines Revolvers gegen seinen Rücken preßte.
»Wir werden zum Chef fahren«, verhieß Landers. »Wenn Sie unterwegs Stunk machen, sind Sie geliefert. Ist das klar?«
»Sie drückten sich deutlich aus. Ich schlage vor, daß wir nun keine weitere Zeit mehr verlieren.«
»Ich wette, Sie wollen uns mit faulen Tricks kommen.« Landers war und blieb mißtrauisch.
»Sie überschätzen mich wieder einmal. Ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich freiwillig mitkommen werde.«
»Was ich mir dafür schon kaufen kann …!«
Landers blieb hinter Parker, während der junge Mann die Führung übernahm. Sie schritten durch den düsteren Korridor, erreichten die Straße und stiegen in Landers’ Chrysler. Der junge Mann setzte sich ans Steuer. Parker mußte sich in eine Wagenecke drücken, während Landers ihn scharf bewachte.
Nach einer Fahrt von etwa zwanzig Minuten bog der Chrysler von der Straße ab und fuhr in eine Tiefgarage hinunter. Es handelte sich um eine Garage, die zu einem modernen Hochhaus gehörte. Parker konnte sich nur schwer vorstellen, daß Stan Hardels ihn ausgerechnet in solch einem Haus erwartete und ihn verhören wollte.
Des Rätsels Lösung fand sich schnell. Parker mußte nämlich in einen kleinen, geschlossenen Lieferwagen umsteigen. Als die Tür hinter ihm ins Schloß fiel, konnte er nichts mehr sehen. Die beiden Gangster fuhren ihn nun in aller Ruhe durch die Stadt, ohne daß der Butler sich den Weg und das Ziel merken konnte.
Natürlich verlor der Butler nicht seine stoische Ruhe. Es war äußerst schwer, ihn aus der Ruhe zu bringen. Nachdem er es sich auf einer Kiste einigermaßen bequem gemacht hatte, wartete er geduldig auf das Ende der Fahrt.
Besondere Bedenken hatte er nicht. Er konnte sich einfach nicht vorstellen, daß die Gangster ihn zu diesem Zeitpunkt ermorden wollten. Schließlich war Hardels ja an den drei verschwundenen Gemälden sehr interessiert. Sie stellten so eine Art Lebensversicherung für den Butler dar.
Jäh bremste der Wagen ab. Nach Parkers Berechnung waren seit dem Umsteigen in den kleinen Lieferwagen dreißig Minuten vergangen. Die altertümliche Taschenuhr bestätigte seine Vermutung. Parker mußte aussteigen und sah sich um. Der Lieferwagen stand in einer engen Garage. Parker mußte sich mit ausgebreiteten Armen vor die rauhe Wand stellen und wurde nach Waffen abgesucht.
Landers war sehr vorsichtig und gab sich alle Mühe. Er fand natürlich Parkers Colt und grinste abfällig, als er die alte Waffe näher betrachtete.
»Von welcher Müllkippe haste denn die Kanone geholt?« fragte er Parker.
»Es handelt sich um ein mir liebes Erbstück«, behauptete Josuah Parker.
»Und was ist das hier?«
Landers hielt zwei Stücke Stacheldraht hoch, die seltsam geformt waren. Sie ließen sich nicht verbiegen.
»Ich arbeite zu Hause an einem Vogelkäfig«, kam es prompt aus Parkers Mund. »Wenn Sie diese beiden Teile für eine Waffe halten, sollten Sie sie mir besser wegnehmen.«
»Damit kannste keiner Fliege was antun …!« Landers warf einen letzten geringschätzigen Blick auf die beiden Teile und reichte sie Parker zurück. Der Butler steckte sie gelassen zurück in seine Manteltasche.
»Und jetzt, ab durch die Mitte, Alter …!«
»Wie darf ich Ihre Worte interpretieren?« erkundigte sich Josuah Parker würdevoll.
»Sie werden für ein paar Tage unser Gast sein.«
»Sie wollen mich festhalten? Gegen meinen Willen?«
»Natürlich …! Und da kannste sogar noch von Glück sagen, Alter. Eigentlich sollten wir dich abknallen wie ’nen tollen Hund.«
»Ich werde Ihre Menschlichkeit eventuell später berücksichtigen.« Josuah Parker folgte dem jungen Mann, der eine schmale Tür geöffnet hatte. Nach einem verwickelten Marsch durch Kellerräume landete der Butler in einem kleinen, fest gemauerten Verschlag, ohne Lichtschacht oder Fenster. Außer einer sehr baufälligen Pritsche war darin nichts enthalten.
»In ein paar Stunden kommt der Chef und erkundigt sich nach den drei verschwundenen Bildern«, sagte Landers, bevor er die Tür schloß. »Es gibt so lange nichts zu trinken, bis wir die Wahrheit wissen. In spätestens drei Tagen wirst du singen wie ein Kanarienvogel.«
Dumpf schlug die Tür zu. Parker hörte das Rasseln des alten Schlosses. Ihm machte das nichts aus, zumal da er über die seltene Gabe verfügte, Schlösser aller Systeme praktisch