Butler Parker Jubiläumsbox 5 – Kriminalroman. Günter Dönges
Mann litt augenblicklich an einer zeitlich begrenzten Blindheit, die der Butler für seine Zwecke ausnutzte. Aus dem Stand heraus betätigte er sich als Speerwerfer. Der Universal-Regenschirm zischte durch das Zimmer. Der bleigefütterte Griff traf die Magenpartie des Gangsters, der daraufhin ohnmächtig wurde.
Hardels schnaufte wütend und erholte sich. Er stand jedoch noch recht unsicher auf den Beinen. Josuah Parker, der Auseinandersetzungen dieser Art haßte, wandte sich dem Inhaber der Snackbar zu und klopfte ihm mit seiner Melone auf den Kopf.
Hardels verdrehte die Augen und sank zu Boden.
Höflich verbeugte sich Parker vor der jungen Blondine.
»Ich bedaure es unendlich, Madam, Sie erschreckt zu haben«, entschuldigte er sich, »doch ich habe noch gewisse Dinge zu erledigen, die für mich von größter Wichtigkeit sind. Empfehlen Sie mich den Herren, sobald sie wieder zu sich gekommen sind …! Sollten Sie eines Tages mal das Bedürfnis haben, sich mit mir in Verbindung zu setzen, so stehe ich Ihnen selbstverständlich zur Verfügung. Wenn Sie meine Karte vielleicht aufbewahren wollen …!«
Er reichte ihr eine seiner unauffälligen Visitenkarten, setzte die schwarze Melone auf und nahm den Universal-Regenschirm vom Boden auf. Anschließend verließ er würdevoll und ohne Hast die Privaträume des Gangsters.
Es wäre sinnlos gewesen, die beiden Männer der Polizei auszuliefern. Gewiß, sie mochten sowohl Ganters als auch Botnam ermordet haben, doch Parker hatte keine schlüssigen Beweise dafür. Er hielt es für richtiger, die Gangster vorläufig noch etwas agieren zu lassen. Sie sollten ihn möglichst schnell an den Mann heranführen, der ihnen den Mordauftrag erteilt hatte. Dieser Unbekannte, so rechnete Parker es sich aus, war ganz sicher auch der. Mann, der die Bilder stehlen ließ und damit auch noch andere Verbrechen verübt hatte.
Mitten auf der Treppe blieb der Butler stehen.
Sein Sinn für nette Effekte trieb ihn zurück nach oben. Im kleinen Korridor hatte er eine Bohnermaschine und einen kleinen Behälter mit Wachs entdeckt.
Er machte sich umgehend dran, Raumpflege zu betreiben. Mit einem Lappen trug er eine dicke Schicht Bohnerwachs auf die ersten sechs Stufen der Treppe auf. Dann ging er zur Tür, die in die Snackbar führte und wartete.
Es dauerte gar nicht besonders lange.
Die Tür oben im Korridor wurde jäh aufgerissen. Wütende Stimmen drangen nach unten.
Hardels trieb seinen Mitarbeiter zur Eile an. Er bildete sich ein, Parker noch erwischen zu können.
Der Butler blieb ruhig und gelassen stehen.
Der Kompakte, dicht gefolgt von Hardels, rannte zur Treppe. Parker schloß ergeben die Augen. Er wußte im vorhinein, Was sich nun mit Sicherheit ereignete.
Ein dumpfes Poltern und Rumpeln dröhnte durch das enge Treppenhaus. Flüche begleiteten diese Geräusche, die dann von einem spitzen Aufschrei überlagert wurden.
Da öffnete Parker die Augen, um die Rutschpartie genießen zu können.
Der Kompakte befand sich bereits auf der Reise nach unten. Wild schlug er mit den Händen um sich und versuchte eine Sprosse des Geländers zu erwischen. Seine Beine schwebten hoch in der Luft. Das Bohnerwachs auf den Stufen hatte sie ausgleiten lassen.
Doch auch Hardels schien ganz. versessen darauf zu sein, auf eine neue Art und Weise die Treppe zu nehmen.
Schon auf der zweiten. Stufe glitschte er aus und verwandelte sich in einen Sturzbomber. Er warf die Arme weit vor und segelte mit sehr viel Fahrt durch die Luft. Alle viere weit von sich gestreckt, baute er dann eine saftige Bruchlandung auf dem Körper seines Mitarbeiters, der gerade wieder aufstehen wollte. Nach dem dumpfen Zusammenprall blieben beide Gangster benommen auf dem Steinboden des langen Ganges liegen. Parker aber rief, wenn auch etwas verspätet, den beiden Männern zu:
»Vorsicht, frisch gebohnert …!«
Er verschwand hinter der Tür und marschierte durch die Snackbar. Doch sein Sinn für neue Effekte schien sich plötzlich negativ und zu seinen Ungunsten auszuwirken. Er schritt an der rechten Theke vorbei, als die beiden weggeschickten Gangster im Eingang aufkreuzten. Da Parker nicht gerade durchschnittlich gekleidet war, entdeckten sie ihn sofort und begriffen, daß er freiwillig nicht hatte gehen dürfen. Sie zogen zwar nicht ihre Waffen, doch sie schoben sich schnell auseinander und schnitten ihm den Weg ab.
Parkers Lage war nicht sonderlich günstig. Wegen der vielen Besucher in der Snackbar konnte er nicht nach seinem altertümlichen Colt greifen, der noch aus den Tagen der Goldgräberzeit zu stammen schien. Der Butler wollte die unschuldigen Besucher nicht gefährden.
Er ließ sich also abdrängen und zog sich zurück. Doch er ging nicht zurück in den Korridorgang, den er gerade verlassen hatte. Parker entschied sich für eine Tür, die in die große Küche der Snackbar führte.
Ein Schwall verbrauchter und überhitzter Luft schlug ihm entgegen. Es roch nach heißem Fett, nach Braten und nach Suppen. Hinter den Herden, die zu einem großen Rechteck zusammengeschoben waren, hantierten einige Köche, die für den Nachschub hinter den beiden Theken der Bar sorgten.
Parker stand gerade hinter den Herden, als die beiden Gangster den niedrigen Raum betraten. Jetzt hatten sie keine Hemmungen mehr, nach ihren Waffen zu greifen. Die Köche wußten nicht, was sie von der Situation zu halten hatten. Sie zogen es vor, erst einmal in Deckung zu gehen. Sie stoben auseinander und trafen sich an der Tür, die zu den Kühlräumen führte. Sich gegenseitig schubsend und behindernd, verschwanden sie in kühleren Regionen.
Der Butler handelte augenblicklich. Und wieder einmal zeigte sich seine erstaunliche Improvisationskunst. Gewiß, er hätte schießen können, doch da er Lärm in jeder Form haßte, besann er sich auf Mittel, die diesem Raum angepaßt waren.
Blitzschnell langte er nach einer langstieligen Suppenkelle und tauchte sie in einen Topf mit Ochsenschwanzbrühe. Er hatte sogar noch die Nerven, erst einmal herumzurühren, bevor er den gefüllten Löffel wieder hervorholte. Dann, mit einem schnellen Ruck, beförderte er eine Ladung Ochsenschwanzsuppe durch die Küche. Der Gangster, der ihm am nächsten stand, konnte keine Abwehrbewegung mehr ausführen. Sämige Ochsenschwanzbrühe landete in seinem Gesicht. Einige Fleischwürfel schlossen seine Augen.
Der Mann öffnete weit seinen Mund. Nicht, um die Suppe etwa zu kosten, nein, er brüllte, als stäke er am Spieß. Die Suppe war nämlich recht heiß.
Parker, der stets Sinn für Nuancen hatte, wechselte den Suppentopf.
Schließlich mußte ja auch noch der zweite Gangster außer Gefecht gesetzt werden.
Diesmal war es eine recht dünne Hühnerbrühe, die durch die Luft segelte. Klatschend landete sie auf dem Anzug des Gangsters. Die gargekochten Reiskörner spritzten wie kleine Geschosse auseinander und irritierten den erschreckten Verbrecher.
Bevor der Mann sich erneut auf Parker einstellen konnte, fuhr die bewußte, langstielige Suppenkelle erneut in einen Topf. Parker war im Grunde recht gespannt, welche Suppe er jetzt zutage förderte.
Es handelte sich um Gulasch, recht scharf gewürzt.
Der Gangster bekam eine volle Ladung ins Gesicht und stürzte zu Boden. Er fluchte in einer, wie Parker fand, sehr unvornehmen Art und verlor seine Waffe.
Der Butler wollte sich gerade einer Tür zuwenden, die hinaus in den Hinterhof führte, als Hardels und der kompakte Gangster in der Küche erschienen.
Hardels hatte erneut Pech mit seinen Beinen. Er rutschte über einige Gulaschstücke und verlor das Gleichgewicht. Er landete in einer wenig grazilen Art in der Hühnerbrühe und beschmierte sich mit Reis. Der Kompakte hingegen war vorsichtiger. Er wich dem Gulasch aus, geriet hingegen aber mit der Ochsenschwanzsuppe in Konflikt. Er hielt sich an der Herdstange fest und mußte es mit sich geschehen lassen, daß Parker ihm etwa ein Pfund heiße Makkaroni an den Kopf wart. Wie kleine Schlangen ringelten sich die Nudeln um seine Ohren und tropften dann langsam über seine Hemdbrust.
Josuah Parker warf noch einen umfassenden Blick in die Runde, um dann