Schwerwettersegeln. Peter Bruce

Schwerwettersegeln - Peter Bruce


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Rollbewegungen trägt das Rigg somit sowohl zum Komfort als auch zur Sicherheit bei. Studien haben ergeben, dass eine Steigerung des quergerichteten Trägheitsradius den Widerstand gegen eine Kenterung in brechenden Seen, wie im Fastnet Race 1979, stark erhöht. Veränderungen der Rumpfform haben starke Auswirkungen, da sie im Zusammenhang mit Verdrängung und Stabilität stehen. Andere Effekte der Rumpfform sind ebenfalls zu beachten. Wie bereits erwähnt, sollten die Rumpfenden gegeneinander ausbalanciert sein. Das bedeutet keineswegs, dass sie symmetrisch sein sollen. Ich habe mich dabei auf mein Auge verlassen, was nach Mutmaßung, bestenfalls nach Abschätzung klingt. Heutzutage ist es dagegen ein Leichtes, den statischen Trimm bei Krängung mithilfe des Computers zu überprüfen, ein wichtiger Schritt, um auszuschließen, dass sich der Trimm übermäßig ändert, während das Boot krängt.

      Flache Bereiche am Rumpf sollten vermieden werden, um das Schlagen im Seegang zu reduzieren. Besonders an den Enden eines leichtgewichtigen Rumpfes, wo die Linien in Längsrichtung ziemlich gerade verlaufen, kann es zu flachen Bereichen kommen. Bei Spantformen mit einer gemäßigten U-Form anstelle einer V-Form kann der flache Bereich, der dort entsteht, wo gerade Linien eine Fläche bilden, vermieden werden. Selbst eine Rundung mit großem Radius verlängert die Dauer eines Aufpralls auf das Wasser und dadurch auch die Wucht des Aufpralls. Die Höhe des Freibords ist ein weiterer Punkt, bei dem Mäßigung anzuraten ist. Hohe Seitenflächen vergrößern den Stabilitätsumfang, bieten aber auch brechenden Seen eine große Angriffsfläche, noch dazu weit oben und somit an einem langen Hebelarm. Ein geringer Freibord führt zum Überspülen des Leedecks mit den Schotholepunkten und anderen Beschlägen. Mit dem Freibord steht auch der Deckssprung im Zusammenhang. Man kann die Meinung vertreten, dass der Deckssprung mehr mit der äußeren Erscheinung als mit Seetüchtigkeit zu tun hat. Ich bin der Meinung, ein gutes, seegehendes Boot sollte seine Enden über Wasser halten und mittschiffs keinen übermäßig hohen Freibord aufweisen. Einigen wir uns darauf, dass die Schönheit der Yachten von Watson und von Fife aus dem frühen vergangenen Jahrhundert auch funktionell war. Cockpits, die große Mengen Wasser fassen können, sind gefährlich. Selbstlenzende Cockpits sind unverzichtbar und Lenzöffnungen sollten groß bemessen sein. Ein tiefes Cockpit bietet Schutz und Komfort, kann sich aber auf den Auftrieb auswirken. Bei der Dimensionierung des Cockpits spielen unterschiedliche Prioritäten eine Rolle, im Endeffekt ist ein kleines Cockpit das sicherste.

      Die Bedingungen auf See, die hier diskutiert werden sollen, sind für eine Kielschwertyacht nicht ideal. Diese Yachten haben ihre Anhänger, und ich bin für viele Entwürfe von Kielschwertyachten verantwortlich. Ich habe die Eigner immer darauf hingewiesen, dass eine Kenterung möglich ist und dass der Stabilitätsumfang geringer ist, als es mir lieb gewesen wäre. Der Tiefgang war nicht allzu eingeschränkt, sodass das Verhältnis von Breite zu Rumpfhöhe nicht zu groß ausfiel. Freibord und Decksaufbau waren angemessen, und der Stabilitätsumfang erschien völlig akzeptabel. Unter den Kielschwertyachten von S&S (Sparkman & Stephens) erscheint die SUNSTONE, ex. DEB, wegen ihrer vergleichsweise großen Rumpfhöhe als ein gutes Beispiel für eine zum Schwerwettersegeln geeignete Kielschwertyacht (siehe Abb. 1.1).

      Ich hoffe, es war hilfreich, in diesem Kapitel über eine Reihe spezieller Eigenschaften nachzudenken. Zwar hat jede ihren Einfluss auf die ultimative Stärke einer Yacht, am Ende zählt aber die Kombination aller Eigenschaften. Einzeln betrachtet hat keine dieser Eigenschaften allzu große Bedeutung. Gute Leistung kann auf unterschiedlichen Wegen erzielt werden, und am Ende sind diejenigen Kombinationen die besten, die funktionieren. Wenn ich über eine Yacht nachdenke, auf der ich mich bei Schwerwetter am liebsten befinden würde, stelle ich mir eine Yacht vor, die in jeder Hinsicht ausgewogen, aber so stabil wie möglich gebaut ist. Vermeiden würde ich extreme Verhältnisse von Breite zu Länge und von Breite zu Rumpfhöhe, ebenso besonders geringes oder besonders hohes Deplacement und ein sehr hohes Rigg. Die Enden sollten ausreichend Auftrieb besitzen, aber weder zu scharf noch zu füllig, nicht zu sehr in die Länge gezogen, aber auch nicht glatt abgeschnitten sein.

      Obwohl ich betont habe, wie wichtig Kentersicherheit ist, habe ich mir bei meinen Erfahrungen auf See diesbezüglich nie Sorgen gemacht. Allenfalls gaben Lecks, die Festigkeit des Rumpfes oder des Riggs Anlass zur Beunruhigung. Zum Schluss empfehle ich noch einmal gemäßigte Proportionen und eine sehr hohe strukturelle Festigkeit.

       Kommentar

      In den 1950er- und 1960er-Jahren hatten Yachten eine enorme Reserve an Festigkeit, aber heute, da das Wissen über die Belastbarkeit der Materialien größer ist und ständig bessere Leistungen gefordert sind, werden die Yachten leichter konstruiert. Heute erinnert man sich an Olin Stephens‘ eindringliche Forderung nach struktureller Festigkeit nur, wenn eine ultraleichte Konstruktion ein Desaster verursacht hat.

      2001 verloren zwei britische Segler ihr Leben, als die australische Yacht RISING FARRSTER, eine Farr 38, vor der Ostküste Australiens kenterte, weil der Kiel aus dem Rumpf gebrochen war. Der Untersuchungsbeamte John Abernathy sagte: »Die Ursache war eine inadäquate Rumpfstärke rund um die Kielbefestigung.« Das heißt, der Rumpf war einfach nicht stark genug dimensioniert, um mit den Kräften, die bei Krängung entstehen, fertig zu werden. Es stellte sich heraus, dass der Rumpf entsprechend den Minimalanforderungen der australischen Gesetzes gefertigt worden war, aber nicht in der Stärke, wie sie der Konstrukteur, Bruce Farr, gefordert hatte. In der Folge forderte der Präsident des Segelkomitees vom Cruising Yacht Club of Australia, dass die Teilnehmer am Sydney–Hobart Race die Bilge zu kontrollieren haben und sich vergewissern müssen, dass der Rumpf dort die vom Konstrukteur geforderte Dicke hat. Das ist ganz einfach möglich, wie wir später sehen werden.

      Dieses traurige Ereignis ist kein Einzelfall; vermutlich gibt es mehr, als man denkt. Ein ähnliches Unglück geschah im April 2005, bei dem ein Crewmitglied starb, als der Kiel einer 12,80 Meter langen Yacht abbrach. Die Bauwerft veröffentlichte mehrere Stellungnahmen. In einer wurde behauptet, dass die Yacht auf einen Felsen gelaufen sei. Das wurde aber von allen Crewmitgliedern, die jemals auf der Yacht gesegelt waren, verneint. In dem Gutachten über die zerstörte Yacht war zu lesen, dass »die Bodensektion der Yacht nicht die erforderliche Stärke in diesem Bereich habe, um die auf den Kiel wirkenden Kräfte aufzufangen, und es im Laminat und in der weiteren Verbindung zum Rumpf erhebliche Mängel gebe. Die Laminatstärke liegt zwischen 12 und 17 Millimeter anstelle von 25 Millimeter oder mehr – was angebracht wäre«.

      Ein Fall aus jüngerer Vergangenheit ist der Kielverlust der CHEEKI RAFIKI, einer Beneteau First 40.7, während einer Atlantiküberquerung im Mai 2014, bei der alle vier Besatzungsmitglieder ihr Leben verloren. Ursache waren vorausgegangene Schäden durch mehrere Grundberührungen, die im Lauf der Zeit zu einer zunehmenden Schwächung geführt hatten.

      Ein Kielverlust mit oft tödlichen Folgen für die Crew ist kein ganz ungewöhnliches Ereignis. Die britische Unfalluntersuchungsbehörde MAIB (Marine Accident Investigation Branch), die auch das Unglück der CHEEKI RAFIKI untersucht hat, nennt 72 weitere Fälle von Kielverlust für den Zeitraum von 1984 bis 2013. Nähere Angaben dazu finden sich im dritten Kapitel dieses Buches. Yachtkonstrukteure äußern manchmal den Verdacht, dass die Bootsbauer eine Yacht nicht exakt nach den in den Zeichnungen vorgegebenen Spezifikationen fertigen. Einige Bootsbauer lassen schlicht und einfach bei der Herstellung des Rumpfes ein paar Gewebelagen weg und sparen so eine Menge Arbeit und Kosten ein. Vermutlich ist der unerfahrene Eigner einer Regattayacht noch froh, dass sein Boot so wenig wiegt oder zumindest leichter ist als erwartet. In der Regattaszene gilt das Motto: Leichter – leichter – leichter!

      Irgendwann kommt der Punkt, wo fehlende strukturelle Festigkeit zur Verringerung der Geschwindigkeit führt und zusätzlich die Gefahr besteht, den Kiel zu verlieren oder andere strukturelle Schäden auftreten. Ein weiteres Credo der Regattasegler ist, an den Enden Gewicht zu sparen. Aber die Enden sind bei einer Kollision am ehesten betroffen, zum Beispiel beim Ansteuern eines Liegeplatzes. Bei manchen modernen Yachten halten die Enden nicht einmal den leichtesten Kollisionen in normalem Gebrauch stand.

      Olin Stephens sagt schlicht und einfach dazu: »Eine Yacht muss so stark wie möglich gebaut sein.«

      Leichtdeplacementyachten haben bei der Rumpfkonstruktion einen sehr kleinen Sicherheitsspielraum. Deshalb muss die vom Konstrukteur vorgeschriebene Fertigung


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