Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman. Sissi Merz

Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman - Sissi Merz


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Buschkrankenhaus im früheren Niemandsland. Die Menschen hier verdankten den beiden engagierten Medizinern viel, manch einer sein Leben. Doch seit Max Brinkmeier fort war, hatte Julia Bruckner einfach nicht mehr den Elan wie früher. Etwas Entscheidendes fehlte in ihrem Leben.

      Die junge Ärztin hatte in der Zwischenzeit die kleine Wohnung betreten, die sie bis vor kurzem mit Max geteilt hatte. Sie war zu müde, um nachzudenken, ging rasch unter die Dusche und wollte sich eben ins Bett legen, als das Telefon anschlug.

      Mit einem leisen Seufzen nahm sie den Hörer und meldete sich. Am anderen Ende der Leitung sagte jemand: »Julia, ich hoffe, ich habe dich nicht geweckt. Hier ist Max. Geht es dir gut?«

      Seine Stimme so unverhofft zu hören, machte sie fast ein bißchen schwindlig. Und auf einen Schlag hellwach. »Max, es tut so gut, mit dir zu reden. Ich habe noch nicht geschlafen, komme eben vom Dienst. Ach, ich wünschte, du wärst hier.«

      »Du hast bis jetzt gearbeitet? Das ist zu lang. Ist denn noch immer kein neuer Kollege angekommen? Ich habe schon ein paarmal mit den Leuten in München telefoniert.«

      Das war typisch Max. Es war ihm seinerzeit unendlich schwer gefallen, Ruanda zu verlassen. Und nun sorgte er auch noch aus der Ferne für sie. Ein warmes Gefühl erfüllte Julia, und zugleich spürte sie Tränen in sich aufsteigen. »Es dauert seine Zeit, bis das geregelt ist«, hörte sie sich selbst sagen, obwohl sie doch etwas ganz anderes auf dem Herzen hatte. »Wir bemühen uns hier auch, endlich Ersatz zu kriegen. Bis dahin teile ich mir die Arbeit mit Mary. Das geht schon irgendwie.«

      Max schwieg kurz, dann fragte er besorgt: »Ist das auch wahr? Ich möchte nicht, daß du dich übernimmst. Schließlich war immer eine Menge zu tun, das haben wir zwei gerade so geschafft. Aber allein kannst du damit nicht fertig werden.«

      »Max, bitte! Es hat doch keinen Sinn, darüber zu reden.« Sie wollte das Gespräch nicht durch Vorhaltungen, die doch nichts änderten, trüben. »Es wird schon werden. So eine Veränderung muß man erstmal verarbeiten. Und wie sieht es in Wildenberg aus? Geht es dir und deinem Vater gut?«

      »Bei uns ist alles in Ordnung. Abgesehen von der Tatsache, daß du mir fehlst. Ich vermisse dich wirklich sehr, Liebes.«

      »Ich dich auch.« Sie mußte schlucken und hatte dann Mühe, ihrer Stimme einen festen Klang zu geben. »Wir werden uns wiedersehen, das habe ich dir doch versprochen.«

      »Du kommst her?« Er klang plötzlich sehr lebhaft, und es fiel ihr nicht schwer, sich vorzustellen, wie seine Augen zu funkeln begannen. Julia spürte einen feinen Stich mitten im Herzen.

      »Noch nicht. Ich kann die Station jetzt nicht verlassen, auch wenn ich wollte. Aber sobald ich hier nicht mehr allein bin, werde ich an eine Reise denken.«

      »Ich rufe in den nächsten Tagen noch mal in München an und mache denen mal Feuer unter dem Allerwertesten.« Er lachte. »Was glaubst du, wie schön es zu dieser Jahreszeit hier ist! Du würdest staunen, wenn ich dir all die herrlichen Aussichtspunkte zeigen könnte. Auf halber Höhe des Untersbergs gibt es eine Stelle, von der aus sieht man bei schönem Wetter den Königssee ganz deutlich. Weißt du noch, als wir...«

      Sie schloß die Augen und lauschte auf seine vertraute Stimme, die von Ausflügen und Wanderungen im Berchtesgadener Land sprach. Damals, als sie zusammen studiert hatten, waren sie öfter übers Wochenende nach Wildenberg gefahren. Julia erinnerte sich sehr gut an die liebliche Landschaft, an den klaren, weiten Himmel, die würzige Bergluft. Ja, es war schön dort. Und sie hatte damals mit wachsendem Unbehagen festgestellt, wie sehr Max an seinem Heimattal hing. Es war wie eine Vorahnung, daß ihre gemeinsamen Pläne in Afrika nicht wirklich von Dauer sein konnten. Bei diesem Gedanken überkam Julia wieder die Traurigkeit. Und es schien kein Zufall zu sein, daß Max gerade da fragte: »Geht es dir nicht gut? Du bist so still.«

      Sie gab sich einen Ruck und lächelte tapfer. »Nein, es ist schon okay, ich bin nur müde.«

      »Natürlich. Du mußt schlafen. Entschuldige, daß ich dich so lange aufgehalten hab. Jetzt legst du dich aber sofort ins Bett. Schlaf gut und träum von mir, ja?«

      Das tue ich sowieso, dachte sie, sagte: »Eingebildet bist du gar nicht, was? Grüß deinen Vater von mir. Bis bald.« Sie ließ den Hörer auf die Gabel fallen, ihr Lächeln verschwand ebenso wie die aufgesetzte Heiterkeit. Und auch in dieser Nacht weinte Julia sich wieder in den Schlaf, das Herz voller Sehnsucht und so schrecklich allein...

      *

      »Hoffentlich hab ich auch alles. Die Afra hat mich ganz konfus gemacht.« Dr. Josef Brinkmeier warf einen zweifelnden Blick auf die beiden Koffer, die sein Sohn eben im Auto verstaut hatte. Max mußte schmunzeln. »Gewiß. Und wenn was fehlt, rufst an, dann schicke ich es dir nach.«

      »Gute Reise, Doktor«, wünschte die Hauserin, wobei ihre Stimme so klang, als könne sie es gar nicht erwarten, den etwas umständlichen Reisenden endlich los zu werden. Als Josef dann neben seinem Sohn im Auto saß, fragte er: »Wirst auch allein alles schaffen, was ansteht? Muß ich mich net sorgen?«

      »Gewiß net. Komisch, das Gleiche hab ich gestern abend die Julia gefragt. Ich werde das Gefühl nicht los, daß ich sie im Stich gelassen hab. Wenn nur erst wieder ein zweiter Arzt auf der Station ist, dann werde ich ruhiger schlafen können.«

      Der alte Landarzt bedachte seinen Sohn mit einem eher skeptischen Blick. »Bist sicher?« Und als Max zustimmend nickte, gab sein Vater zu bedenken: »Du scheinst der Julia völlig zu vertrauen. Sonst würdest dir keinen anderen an ihre Seite wünschen. Oder hab ich vielleicht unrecht?«

      Dr. Brinkmeier war ehrlich verblüfft. »In die Richtung hab ich fei noch nie gedacht. Und ich glaube auch nicht, daß es Grund gibt, Julia zu mißtrauen.«

      »Wohl net. Andererseits werdet ihr zwei vielleicht noch auf lange Zeit voneinander getrennt sein...«

      »Ich bitt dich, Vater, das ist wirklich kein Thema für mich. Die Julia liebt mich, daran kann keine Trennung und nix was ändern«, bekräftigte er mit Nachdruck. Trotzdem hinterließ die Äußerung des Vaters einen kleinen Stachel in Max’ Herzen, auch wenn er diesen noch gar nicht spürte...

      Nachdem der Mediziner seinen Vater zur Bahn gebracht hatte, kehrte er gleich nach Wildenberg zurück, denn die Sprechstunde begann. Christel Brenner, die langjährige Sprechstundenhilfe, saß hinter ihrem Schreibtisch und tippte etwas in den PC. Sie lächelte Max zu, den sie in ihr mütterlich fühlendes Herz geschlossen hatte, und reichte ihm die Liste der angemeldeten Patienten. Bevor der junge Landarzt im Sprechzimmer verschwand, fragte sie noch: »Magst ein Haferl Kaffee, Doktor? Ich hab gerade frischen gekocht.«

      »Da sag ich net nein. Nett von dir, Christel.«

      Sie brachte ihm gleich das Gewünschte. »Die Gabi Zimmer vom Doktor Haselbeck hat angerufen. Ihr Chef ist ab nächster Woche wieder auf dem Posten. Du sollst dich kurz bei ihm melden, er will noch was mit dir bereden.«

      »Gut, das erledige ich gleich.« Max griff nach dem Telefon und hatte kurz darauf den Kollegen aus dem Nachbarort Schlehbusch am Hörer. Dieser klang noch sehr nasal. »Ich wollte mich bei Ihnen bedanken, Herr Kollege. Von meinen Patienten hör ich fei nur Gutes über Ihre Vertretung.«

      »Keine Ursache. Wenn’s mal umgekehrt kommt, nehm ich Ihre Hilfe gerne in Anspruch.«

      »Eine Sache hab ich da allerdings noch. Es geht um die Altbäuerin vom Brand-Hof. Sie mag sich nimmer von mir behandeln lassen. Ihre Tochter sagt, sie wollen jetzt Sie als Hausarzt.«

      »Oh.« Max war überrascht. »Es war gewiß net meine Absicht...«

      »Gewiß net.« Dr. Haselbeck klang ironisch. »Ich hab den Brands versprochen, mich mit Ihnen über die Behandlung zu unterhalten. Und da ich denke, daß ich Ihre Methoden wohl verstehen werde, sollte es da keine ernsten Probleme geben, net wahr?«

      »Werfen Sie mir vor, Ihnen Patienten abspenstig zu machen?«

      »Das käme mir fei nie in den Sinn. Ebenso wenig wie Ihnen, es zu tun, oder?«

      Dr. Brinkmeier schluckte. Er ärgerte sich über die arrogante Haltung des Kollegen.


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