Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman. Sissi Merz

Dr. Brinkmeier Staffel 1 – Arztroman - Sissi Merz


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um ihren schön geschwungenen Mund.

      »Ich wollte sehen, wie es dir geht. Offensichtlich hast hier alles, was du brauchst.« Er drückte Andi herzhaft die Hand. »Dann kann ich mich ja auf den Heimweg machen.«

      »Dürfte ich Sie kurz sprechen, Herr Doktor?« fragte der Großknecht, und als Max nickte, ging »Eva« zusammen mit den Bichlers ins Haus.

      »Was hast denn auf dem Herzen, Andi?«

      »Es ist wegen der Eva. Manchmal wirkt sie ganz abwesend, so, als ob sie träumen würde. Ich mach mir Sorgen. Kann es sein, daß sie bald ihr Gedächtnis wiederfindet?«

      »Möglich wäre es. Hat sie denn was in der Richtung gesagt?«

      »Nein, sie spricht net darüber. Sagen Sie, Doktor, kann ich was tun, um ihr zu helfen? Ich glaub, sie fürchtet sich vor der Erinnerung. Ich würde es ihr gerne leichter machen.«

      Dr. Brinkmeier lächelte ein wenig. Wie es aussah, war sein Schützling da in ein Haus gekommen, in dem ihr nur Gutes entgegengebracht wurde. Es schien ein kleiner Ausgleich für das zu sein, was hinter ihr lag. »Du kannst nicht viel machen, Andi. Sei halt bei ihr. Es ist möglich, daß sie ihre Erinnerungen ganz plötzlich wiederfindet. Und das kann sich dann wie ein Schock auswirken. Vielleicht wird sie sich seltsam benehmen, es kann auch sein, daß sie zusammenbricht. Womöglich muß sie sogar in eine Klinik, das kann man im voraus net sagen. Aber du solltest auf alles gefaßt sein. Nur eines darf nicht passieren: Wenn sie sich erinnert, soll sie nicht allein sein.«

      Der Bursch hatte aufmerksam zugehört, nun nickte er mit ernster Miene und versicherte nachdrücklich: »Ich bin für die Eva da, egal, was kommt. Sie kann sich auf mich verlassen.«

      *

      »Sie wollen uns schon verlassen, Herr Doktor Brinkmeier? Aber Sie hatten doch bis zum Ende der Woche gebucht.«

      Josef lächelte säuerlich. »Ich hab meine Pläne halt geändert. Bitte machen Sie mir die Abrechnung, ich will heut den Zug nach Berchtesgaden nehmen.«

      Die Empfangsdame war hartnäckig. »Hat es Ihnen denn bei uns net gefallen? Gibt es was zu beanstanden?«

      O ja, dachte der alte Landarzt grimmig, aber leider nix, was die Reiseleitung ändern könnte... Laut sagte er: »Es war sehr schön hier. Leider werde ich früher daheim gebraucht. Wissen Sie, mein Sohn und ich, wir teilen uns die Arbeit in der Praxis. Und da ist mal wieder eins zum anderen gekommen, wie das so geht, wenn man sich einfach freinimmt.«

      »Ach so. Na, da kann man wohl nichts machen.« Sie wirkte erleichtert. »Ich kümmere mich um alles, Herr Doktor.«

      »Danke.« Josef hatte bereits gepackt. Er dachte daran, noch einen kleinen Rundgang durch den nahen Park zu unternehmen. Das Wetter war noch immer herrlich, und eigentlich wäre er gerne geblieben. Aber was am Vorabend passiert war, machte es dringend notwendig, daß er sofort abreiste. Wenn er daran dachte, brach ihm jetzt noch der kalte Schweiß aus...

      Während Brinkmeier senior dann durch den Park schlenderte, das bunte Laub unter seinen Schuhen raschelte und die Sonne ihm die Nasenspitze kitzelte, dachte er, daß die Kur alles in allem doch sehr angenehm gewesen war. Sah man mal von Valeska Kaiser ab, die... Josef zuckte zusammen, als sich ihm Schritte näherten. Er starrte die Frau mit dem Pudel an, daß diese sich wunderte. Dann atmete er tief durch; er sah wohl schon Gespenster. Aber diese Valeska hatte ihm ganz schön zugesetzt, das konnte er nicht abstreiten.

      Nachdem er sie immer wieder mehr oder weniger offen darauf hingewiesen hatte, daß er doch schon ein rechter Mummelgreis und dazu halb invalide war, hatte sie ihn eine Weile in Ruhe gelassen. Er hatte schon aufatmen wollen, da war sie am Vorabend im schicken Abendkleid bei ihm aufgekreuzt und hatte ihn mehr oder weniger dazu genötigt, sie zu einem Tanzvergnügen zu begleiten. Unvorsichtigerweise hatte Josef sich dazu verleiten lassen, das Tanzbein zu schwingen. Und bevor er recht wußte, wie ihm geschah, hatte Valeska ihm eine handfeste Liebeserklärung gemacht, ihm ein feuchtes Busserl auf den Mund gedrückt und dann mit ebenso feuchten Augen von einer baldigen Trauung geträumt.

      Nun sah der alte Landarzt sein Heil in der Flucht, da dieser Frau ganz offensichtlich mit Argumenten nicht beizukommen war. Eigentlich war es ja schmeichelhaft, daß sie sich in ihn verliebt hatte. Aber so schmeichelhaft, daß er von nun an nach ihrer recht nervösen Pfeife tanzen wollte, ganz gewiß nicht.

      Am frühen Nachmittag stieg Josef Brinkmeier in ein Taxi, das ihn zum Bahnhof brachte. Er atmete erst auf, als er in seinem Zugabteil saß und Meran hinter ihm unter der dunstigen Novembersonne zurückblieb. Selten hatte er sich so sehr darauf gefreut, das gute, alte Doktorhaus im Herzen von Wildenberg wiederzusehen...

      Als Josef am Marktplatz aus dem Bus stieg, lief ihm als Erste Anna

      Stadler über den Weg. Sie war einigermaßen erstaunt, ihn zu sehen und fragte: »Hat der Max einen Notfall? Oder warum kommen Sie sonst mit dem Bus heim?«

      »Ich wollte ihm net zur Last fallen. Außerdem rechnet er noch nicht mit mir. Weißt, Anna, das Heimweh hat mich gepackt. Ich bin doch arg froh, wieder hier zu sein.«

      »So? Und wie war es in Meran? Haben Sie sich gut erholt?«

      »Es war sehr schön, ist zu empfehlen, so eine Kur. Ja, ja, sehr zu empfehlen.« Er ging mit einem so vergnügten Gesichtsausdruck davon, daß die junge Apothekerin sich wunderte. Selten hatte sie den alten Brinkmeier dermaßen fröhlich erlebt.

      Max hielt noch seine Sprechstunde, als sein Vater erschien. Christel Brenner freute sich, den alten Doktor zu sehen.

      »Gut schaust aus, Doktor, richtig erholt!«

      »Ich fühl mich auch gut. Kann ich reingehen?«

      Christel nickte. »Der Max wird Augen machen. Du bist ja ein paar Tag’ früher gekommen, net wahr? Warum eigentlich?«

      »Ich hatt’ halt Heimweh nach dir, Christel«, scherzte er und betrat das Sprechzimmer. Max war verdutzt.

      »Ja, Vater, wo kommst denn du her? Ist was passiert?«

      »Alles in bester Ordnung. Ich hab mich nur ein bisserl gelangweilt und dachte mir, fährst früher heim, vielleicht kannst dich nützlich machen. Oder stör ich dich?«

      »Ganz sicher nicht. Ich wundere mich nur. Die paar Tage hättest ruhig noch in Meran bleiben können.«

      »Ich kann ja wieder wegfahren, wenn ich hier nimmer gebraucht werde«, murmelte er beleidigt.

      »Jetzt sei net sauer, ich hab es ja nicht bös gemeint. Setz dich halt her und erzähl mir ein bisserl.« Er drückte auf die Gegensprechanlage. »Ist noch jemand im Wartezimmer, Christel? Wenn net, bring uns doch bitte einen Kaffee.«

      »Ist schon recht, Doktor.«

      »Also, wie war’s?« Max lehnte sich zurück und musterte sein Gegenüber aufmerksam. »Du schaust erholt aus. Aber ich hab den Eindruck, daß dir auch was auf der Seele liegt.«

      »Mir? Wie kommst nur darauf? Ich hab mich prächtig erholt. Du hattest recht, Bub, so eine Kur ist was Feines. Ich glaub, daran könnte ich mich glatt gewöhnen.«

      »Soso. Und wie schaut es mit dem Kurschatten aus? Hoffentlich hast keine gebrochenen Herzen in Meran zurückgelassen.«

      »Der Doktor doch net!« kam es lachend von Christel Brenner, die nun mit einem Tablett das Sprechzimmer betrat. Sie brachte nicht nur Kaffee, sondern auch einen Teller mit Zimtsternen. »Hab ich gestern frisch gebacken. Tja, die Adventszeit ist halt nimmer weit, gelt?« Sie setzte sich neben Josef und schien darauf zu warten, daß er einen Reisebericht zum Besten gab. Der alte Landarzt murrte etwas Unverständliches vor sich hin.

      Max fragte: »Magst heut mit mir zusammen Hausbesuche machen, Vater? Ich mein, wo du so ausgeruht bist...«

      »Gerne, warum net? Die Arbeit hier hat mir schon arg gefehlt.«

      »Aber daß du dich net gleich wieder übernimmst!« mahnte Christel. Seit Josef unter Herzbeschwerden zu leiden hatte und deshalb auch im Spital gewesen war, achtete sie darauf, daß der alte Landarzt es nicht


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