Griechische Mythologie. Ludwig Preller

Griechische Mythologie - Ludwig Preller


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sind diese Götter von sehr verschiedener Macht und Bedeutung, je nachdem sie entweder ein Hauptgebiet oder ein untergeordnetes Gebiet des Naturlebens und des menschlichen Lebens betreffen. Im Ganzen aber lassen sie sich am natürlichsten eintheilen nach den drei großen Einheiten der Natur, Himmel Wasser und Erde, denen die drei Kronidenbrüder Zeus Poseidon und Pluton als eben so viele Herrscher entsprechen, jeder von vielen andern Göttern umgeben, die zu ihm entweder in dem Verhältnisse der Verwandtschaft oder in dem der dienenden Umgebung gedacht werden. Die Götter des Himmels sind wie in allen Naturreligionen die herrschenden und obersten, auch die zahlreichsten, durch Mythologie und Cultus am meisten verherrlichten, weil der Himmel von jeher und bei allen Völkern der Sitz und Ursprung alles Höchsten und Heiligsten gewesen ist. Zeus Athena und Apollon bilden gleichsam einen engeren Ausschuß aus dieser höchsten himmlischen Götterwelt, Zeus als Herrscher und Vater aller Götter und Menschen, Athena und Apollon als seine Lieblingstochter und sein Lieblingssohn: neben ihnen die übrigen olympischen Götter in sehr verschiedenen Thätigkeiten und Rechten, auch sie wieder von vielen untergeordneten Göttern und secundären Mächten des Naturlebens und der sittlichen Weltordnung umgeben. Ein anderes und eigenes Gebiet ist dann zweitens das alles fließenden und strömenden Wassers, besonders des Meeres, in welchem Poseidon waltet, auch er von vielen dienenden und secundären Göttern der Meeresfluth, der Flüsse, der Wellen umgeben, welche die Wirkungen und Erscheinungen des flüssigen Elementes unter sehr verschiedenen Bildern darstellen. Endlich die Erde, welche zugleich als tiefe Erde die Unterwelt ist, die eigentliche Herrschaft des Pluton, und als fruchtbare Ursache und Mutter aller vegetativen Schöpfungen in Wäldern und Gebirgen, auf den Aeckern und Fluren das Gebiet der Demeter und des Dionysos.

      Die Theogonie verhält sich zu diesem centralen Abschnitte von den Cultusgöttern wie eine ideale Vorgeschichte, wobei man sich vor dem Irrthum hüten muß als ob die theogonischen Götter, weil sie ältere heißen und zu sein scheinen, wirklich ältere gewesen wären, also einem früheren Glauben angehört hätten. Es ist dieses so wenig der Fall, daß sich ihre spätere Entstehung aus abgesonderten Cultusnamen der nationalen Götter in verschiedenen Fällen wirklich nachweisen läßt, und im Allgemeinen muß sie von selbst einleuchten, sobald man das wahre Princip der theogonischen Dichtung überhaupt richtig ergriffen hat. Dasselbe beruht nehmlich auf dem dichterischen Bestreben diese schöne und sinnige Ordnung der Welt, wie sie jetzt besteht und vom Zeus und den übrigen Göttern regiert wird, auf mythologische Weise zu rechtfertigen, d. h. von früheren Vorgängen der Götterwelt abzuleiten: wobei man die ausserordentlichen Naturrevolutionen, von denen man in Griechenland und den benachbarten Ländern die deutlichsten Spuren sah oder durch Nachklänge der Sage wußte, als Bilder von Götterkämpfen aufnahm, aus denen Zeus erst als Sieger hervorgegangen sein mußte um das Scepter der Welt zu übernehmen und jene schöne Ordnung zu begründen. Dazu kam der natürliche Trieb sich die Anfänge der Dinge und den Ursprung der menschlichen Cultur zu denken, wie sich aus jenen die Welt in einer Stufenfolge von göttlichen Generationen bei wechselnder Herrschaft immer höher erhoben und wie der Mensch durch seine Cultur zwar die Naturkräfte beherrschen gelernt, aber dadurch mit der Gottheit wie in einen Zwiespalt gerathen sei.

      Bei weitem am meisten entwickelt und ins Einzelne ausgebildet ist endlich der dritte Abschnitt, die Heroensage, besonders wenn man die außerordentliche Anzahl von örtlichen Ueberlieferungen, epischen Liedern und ganzen Epopöen sammt allen späteren poetischen Gattungen und bildlichen Darstellungen bedenkt, welche zu dieser Entwicklung theils beigetragen theils sich selbst mit und an derselben immer weiter ausgebreitet haben. Dieser Abschnitt hat dadurch den Schein einer gewissen Selbständigkeit bekommen, wie dieses schon der bloße Ausdruck Sage andeutet, welche man von dem Mythus dadurch zu unterscheiden pflegt daß man bei ihr einen mehr faktischen und historischen Inhalt voraussetzt, während der Mythus ganz oder überwiegend ideeller Natur sei. Und allerdings ist die Heldensage der Abschnitt der Mythologie, wo das wirkliche Leben der Nation und dessen früheste Geschichte am unmittelbarsten an den Tag tritt, in aller seiner Eigenthümlichkeit und mit dem ganzen natürlichen Gerüste seiner landschaftlichen Wohnsitze, seiner Stämme und edlen Geschlechter, seiner ältesten Wanderungen und Kriege. Wenn wir aber auf die religiösen und mythologischen Anfänge dieser Sagenbildung zurückgehen, so werden wir doch auch wieder auf dieselben Götter und Naturmächte zurückgeführt, von welchen jener centrale Abschnitt der Cultusgötter handelt, so daß also auch diese Welt der Helden nur für einen eignen und besonders reich entwickelten Sproß des alten nationalen Götter- und Naturglaubens gelten kann. Kurz diese Vorzeit der Heroen ist keine historische und reale, sondern auch sie ist eine ganz oder überwiegend ideale, nur daß sie mehr als alle andere Mythologie mit historischen und realen Verhältnissen durchwachsen und gleichsam staffirt ist. Es sind dieselben Götter und Naturkräfte, welche der alte Volksglaube und die älteste Naturdichtung verherrlichte, aber sie sind aus dem übersinnlichen Dasein ihrer göttlichen Verehrung und einer bildlichen Bedeutung auf den wirklichen Boden des irdischen und menschlichen Daseins hinübergetreten, vermittelst einer kühnen Vermischung der idealen Welt des Glaubens mit der nationalen Geschichte und der wirklichen Gegenwart, wie sie sich in den epischen Dichtungen aller Völker wiederholt, die es zu einer eigentlichen Heldensage gebracht haben. In der griechischen ist auf diesem Wege das mittlere Geschlecht der Heroen entstanden, welche in der Sage gewöhnlich als menschliche Söhne und dienende Werkzeuge der Götter erscheinen z. B. Herakles des Zeus, Theseus des Poseidon, aber eigentlich diese menschgewordenen Götter selbst sind, welche nun als Helden und Führer ihres Volkes entweder das griechische Land und die griechische Natur von allen Ungethümen einer primitiven Wildniß befreien oder die nationalen Feinde bezwingen, auf kühnen Abenteuern vorangehen und neue Staaten begründen, vor allen übrigen auch hier wieder die Mächte des Lichtes und des Himmels. Und es ist, setzen wir hinzu, auf diesem Wege zugleich jene älteste Vorzeit und das ganze griechische Land, ja die ganze den Griechen bekannte Welt, besonders da wo ihre Grenzen ins Unbekannte verflossen, so völlig und gründlich idealisirt und poetisch gleichsam umgeschaffen worden, daß man auch in dieser Hinsicht immer mit dem verführerischen Scheine einer historischen Wirklichkeit zu kämpfen hat, wie denn nichts so sehr als diese sogenannte mythische Geographie und Geschichte sowohl die älteren als die neueren Forscher mit ihren phantastischen Trugbildern geneckt hat.

      3. Die Zeit vor Homer und Hesiod.

      Inhaltsverzeichnis

      In dieser Periode müssen sich die meisten Mythen und Sagen gebildet haben. Und zwar wirkten einige Umstände mehr dahin dieselben immer mehr ins Polytheistische und unendlich Mannichfaltige auszubilden, andere diese Mannichfaltigkeit bis zu einem gewissen Grade wieder auszugleichen und auf bestimmte Gruppen und Systeme der Götter und gewisse vorherrschende Kreise der Sage zurückzuführen.

      So ist gleich die Natur in Griechenland eine eben so eigenthümliche als zur Vielseitigkeit des nationalen Denkens und Lebens von selbst anleitende. Ueberall wölbt sich der Himmel mit einer gleich durchsichtigen Klarheit und Reinheit, aber indem die Gebirgsgegenden die wechselnden Zustände der Atmosphäre am meisten empfanden, Schnee Regen Stürme und alle Arten der Wolkenbildung, waren die tieferen Thäler und die Inseln um so mehr den Wirkungen der Sonne und im Sommer des Sonnenbrandes ausgesetzt, der die schnell gereifte Blüthe des Jahres eben so schnell wieder zerstört und dadurch auch die religiöse Empfindung zu entsprechenden Allegorieen stimmte. Dort strecken hohe Berge ihre Gipfel in den blauen Aether und erregten dadurch die Vorstellung thronender Götter, welche auf diesen Gipfeln Wolken sammeln und Blitze schleudern; hier dehnen sich weite Niederungen mit größeren Flußthälern, wo ein fruchtbarer Ackergrund mit seinen Saaten und Erndten alljährlich die Bilder des Lebens und des Todes erneuerte. Und dazu überall das Meer, das feste Land von allen Seiten umgürtend und gleichsam tragend, aber auch mit seiner Brandung gegen die Küste tobend und tief in die Buchten und unterirdischen Schluchten eindringend, während der weite Spiegel des hohen Meeres von allen Höhen sichtbar ist und in der Ferne mit dem Horizonte verschwimmt, das schönste Bild zugleich von einer unendlichen Ausdehnung und von einer letzten Begrenzung. Es ist kein anderes Land wo alle Arten und Formen des Naturlebens so dicht neben einander und in so vielgestalteter Mischung gegeben wären, und es leuchtet von selbst ein daß dieses sowohl für die Lebensweise und Cultur seiner Bewohner als für seine Eintheilung nach Landschaften und Stämmen die wichtigsten Folgen haben mußte. Jagd und Viehzucht im Gebirge,


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