Mami Staffel 6 – Familienroman. Claudia Torwegge

Mami Staffel 6 – Familienroman - Claudia Torwegge


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ehrlich begeistert. »Diese Brille ist wie für dich gemacht.«

      »Eine Brille ist heute ein Accessoire, wie eine modische Handtasche oder Modeschmuck«, mischte sich der freundliche Verkäufer wieder ein. »Ich habe Kunden, die tragen sie tatsächlich nur, um ihren Typ zu betonen, seriöser zu wirken oder einfach, um modisch top zu sein. Es klingt verrückt, aber die haben tatsächlich nur pures Fensterglas vor den Augen.«

      »Ich nehme sie«, verkündete Sandra stolz.

      Jetzt hätte sie die Brille am liebsten sofort mitgenommen, aber da mußte sie sich leider noch gedulden. Zuerst wurden die Gläser noch passend geschliffen, eingetönt und entspiegelt. Erst, wenn sie dann ins Gestell eingepaßt waren, konnte Sandra ihr Schmuckstück endlich abholen.

      »Das dauert ungefähr eine Woche«, erklärte der nette Verkäufer. »Soll ich anrufen, wenn sie fertig ist?«

      Sandra antwortete, bevor Nathalie überhaupt den Mund aufmachen konnte.

      »Och ja, bitte!« Schon zückte sie Bleistift und Papier. »Ich schreibe Ihnen unsere Nummer auf.« Hastig kritzelte sie ein paar Zahlen auf den Zettel und schob ihn über den Verkaufstisch. »Kann ich jetzt zu Maggy?« erkundigte sich Sandra, während sie bereits ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat. »Ich muß ihr unbedingt von dem Kauf erzählen. Die wird platzen vor Neid.«

      »In Ordnung«, gab Nathalie erleichtert nach. Sie war froh, daß die Geschichte endlich erledigt war, und das sogar ohne größere Aufstände, Zankerei und Tränenausbrüche. »Wenn du wartest, können wir zusammen…«

      »Ich nehme den Bus!« verkündete Sandra und schoß aus dem Laden, bevor Nathalie noch irgend etwas sagen konnte.

      »Eine temperamentvolle junge Dame«, stellte der Verkäufer mit einem kleinen, hintergründigen Lächeln fest. »Ganz die Mama, nicht wahr?«

      »Ich fürchte, ja«, seufzte Nathalie. Dann wandte sie sich dem Mann zu. »Hören Sie«, begann sie entschlossen. »Ich habe Ihnen Schaden zugefügt. Das tut mir wirklich leid. Würden Sie eine Einladung zu Kaffee und Kuchen annehmen? Als Schmerzensgeld sozusagen?«

      Der Mann sah sie einen Moment erstaunt an, dann nickte er.

      »Das klingt gut«, entschied er lächelnd. »Woher wissen Sie, daß ich für Kuchen meine Großmutter verkaufen würde?«

      »Wir sind in einer Konditorei zusammengerasselt«, erwiderte Nathalie, auf seinen neckenden Tonfall eingehend. »Wann hätten Sie dann Zeit?«

      »Von mir aus sofort.«

      »Sofort?« Nathalie war kurzfristig verwirrt.

      »Sofort«, bestätigte er und wandte sich um. »Roman, übernimmst du bitte mal. Ich muß weg.«

      »Okay, Chefchen, bin im Anmarsch«, klang es aus irgendeinem Nebenraum. Gleich darauf erschien ein junger Mann mit knallroten Haaren und einer lustigen, runden Brille auf der Nase, der Nathalie fröhlich angrinste.

      Sie erwiderte das Grinsen, ohne sich dessen bewußt zu sein. Zwei Minuten später stand sie mitten auf der Langgasse, einen Mann neben sich, den sie noch keine Dreiviertelstunde kannte, und um sich herum lauter kaufwütige, freizeitgestimmte Passanten, die keinerlei Notiz von ihr nahmen.

      Was tu ich hier? fragte sich Nathalie vollkommen verstört. Auf was lasse ich mich da ein?

      Ist doch piepegal, erwiderte ein kleines Stimmchen in ihrem Hinterkopf. Du gehst Kaffeetrinken mit einem äußerst gutaussehenden, anscheinend recht erfolgreichen Herrn in den besten Jahren. Nicht mehr und nicht weniger. Hör’ auf, eine Staatsaffäre draus machen zu wollen.

      In diesem Moment nahm dieser erfolgreiche, gutaussehende Herr in den besten Jahren behutsam ihren Arm.

      Nathalie warf alle Fragen und Bedenken über Bord.

      *

      Er sah wirklich umwerfend gut aus. Obwohl sich Nathalie reichlich albern vorkam, mußte sie ihrem Begleiter, der sich indessen als Clemens Hochdahl vorgestellt hatte, immer wieder heimliche Seitenblicke zuwerfen. Dabei klopfte ihr Herz, als hätte sie soeben einen zweihundert Kilometer langen Marathonlauf hinter sich gebracht.

      Himmel, sie war doch nun wirklich aus dem Teenageralter heraus, in dem man sich Hals über Kopf in jeden halbwegs interessant aussehenden Mann verliebte. Die Ideal- und Traumbilder von einst waren von der Realität geradegerückt worden. Eine Frau in Nathalies Alter, Mutter von drei Kindern, dauernd getrennt lebend, weil der holde Gatte seiner eigenen Jugend hinterherjagte, wußte, daß sie Millionen Frösche küssen konnte, ohne daß sich auch nur einer in einen Prinzen verwandelte. Umgekehrt wurde da schon eher ein Schuh draus! Nein, eine solche Frau behielt Herz und Verstand in ihren beiden tatkräftigen Händen und sah ansonsten zu, daß ihr Lebensschiffchen und das ihrer Familie nicht allzusehr aus dem Fahrwasser geriet.

      Doch was nützten alle Vorhaltungen? Nathalies Herz klopfte trotzdem wie verrückt gegen die Rippen, und in ihrem Bauch hatte sich ein ganzer Bienenschwarm eingenistet, der wild durcheinanderschwirrte, sobald Clemens Hochdahl das Wort an sie richtete.

      Sie saßen sich im »Café Schlick«, einem wunderbar altmodischen Restaurant, gegenüber, in dessen plüschbezogenen Fauteuils man beinahe bis zu den Ohren versank. Die erlesenen Torten- und Kuchenspezialitäten waren weit über die Grenzen der Stadt berühmt, aber Nathalie schmeckte so gut wie nichts von ihrer leckeren Sachertorte.

      Im Gegenteil, sie hatte das Gefühl, daß sich jeder Bissen in ihrem Munde zu Stroh verwandelte, das sie mit reichlich Kaffee herunterspülen mußte.

      »Köstlich«, log sie dennoch tapfer, als Clemens sich erkundigte, ob sie mit ihrer Torte zufrieden sei.

      Er nickte, während er mit gutem Appetit in seine Herrentorte piekste.

      »Kuchen ist eine meiner heimlichen Leidenschaften«, vertraute er Nathalie mit einem kleinen, verschmitzten Lächeln an. »Wenn ich ein Stück Sahnetorte oder Napfkuchen vor mir sehe, kann ich mich einfach nicht zurückhalten. Da nützen die besten Vorsätze nichts.«

      »Das sieht man Ihnen aber nicht an!« rutschte es Nathalie spontan heraus. Im selben Moment hatte sie sich für diese Bemerkung am liebsten die Zunge abgebissen. »Ich meine – äh…« Ach, jetzt war es schon egal. »Ich meine, Sie haben eine gute Figur«, plapperte sie weiter, frei noch dem Motto: ›Wenn ich schon mal dabei bin, mich zu blamieren, kann ich es auch gleich richtig tun!‹ »Kein Gramm Fett zuviel, muskulös und schlank, da hat nicht ein Kuchenkrümel seine Spuren hinterlassen.«

      Clemens Hochdahl nahm das Kompliment mit einem fröhlichen Lachen an.

      »Danke.« Er legte die Gabel aus der Hand und betrachtete Nathalie eingehend. »Sie sind sehr ehrlich, geradeheraus, nicht wahr. Das gefällt mir.« Dann wurde seine Miene ernst. »Aber ich will auch ehrlich sein. Meine Figur verdanke ich zuerst mal einem ausgiebigen Sporttraining. Ich gehe zweimal in der Woche Squash spielen. Und dann fahre ich noch ganz gerne Rad. Das allerdings nur, wenn das Wetter schön ist, und auch nicht so exzessiv wie manche Hobbysportler, die wie die Wilden durch den Taunus strampeln. Ich lasse mir lieber Zeit und schaue mir die Gegend an.« Hier entfleuchte Clemens ein kleiner Seufzer. »Dummerweise kann ich dabei selten an einem Café vorbeifahren, ohne abzusteigen und wenigstens ein Puddingstückchen zu kaufen.«

      Nathalie legte den Kopf schief und sandte einen nachdenklichen Blick aus dem Fenster auf die belebte Wilhelmstraße hinaus.

      »Ich treibe eigentlich viel zu wenig Sport«, überlegte sie laut, während sie zusah, wie eine Mutter mit zwei Kleinkindern versuchte, den Kinderwagen, die Einkäufe und ihre beiden brüllenden Rangen irgendwie über die Straße zu bringen. »Irgendwie fehlt mir ständig die Zeit dazu. Wissen Sie, bei uns ist dauernd irgend etwas los. Bei drei Kindern bleibt einem leider nur wenig Zeit für die eigenen Interessen.«

      »Das glaube ich gern.« Clemens nickte lebhaft. »Mein Bruder hat fünf. Eine laute, fröhliche Rasselbande, die das ganze Haus auf den Kopf stellt. Ich frage mich immer, wie meine Schwägerin das durchhält.«

      »Fünfe, du guter Gott!« Nathalie schlug


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