Dr. Brinkmeier Staffel 2 – Arztroman. Sissi Merz
halten sollte. Er hatte eine ganz andere Meinung, aber er mochte sich auch nicht mit der Mutter Oberin streiten. Als Anna Stadler wieder zum Haus kam, verabschiedete der Landarzt sich beinahe hastig.
»Was war denn los? Hast du dich mit der Mutter Oberin gestritten?« wunderte sie sich auf dem Rückweg nach Wildenberg. »Es hat beinahe so ausgesehen.«
»Es war ja auch beinahe so. Sie findet unsere Sorge um Melanie übertrieben.«
»Die Kleine wird adoptiert, das hat sie mir erzählt. Sie hat ein bißchen Angst vor der Veränderung. Aber ihre neuen Eltern mag sie sehr gern. Ach ja, und zum Abschied hat sie mir das geschenkt. Vielleicht wirfst du mal einen Blick darauf, dann wird dir einiges klar werden...«
Dr. Brinkmeier nahm das Bild, das Melanie für Anna Stadler gemalt hatte, und betrachtete es aufmerksam. Da war ein großes Haus, vermutlich das Kinderheim, und davor standen mehrere Figuren; ein Mann und eine Frau, die Max und Anna ähnelten, einige Schwestern und Kinder. Und ganz am Rand fand sich ein großer, brauner Bär, der aussah wie ein überdimensionaler Teddy. Max stutzte. »Soll das vielleicht heißen...«
Anna mußte lachen. »Wir haben uns umsonst Sorgen gemacht. Der ›Bösbär‹ war Melanies Erfindung. Sie hat mal ein Märchen gehört, in dem er mitspielte. Er war sehr böse und ärgerte immer alle Kinder. Das hat sie sich gemerkt. Und immer wenn etwas schiefgeht, dann ist der ›Bösbär‹ daran schuld.«
»Hast du das gewußt?«
»Iwo, woher denn? Ich habe genau wie du gedacht, daß es ein größeres Mädchen wäre, das Melanie ärgert.« Anna hängte sich an Max’ Arm und riet ihm: »Ärgere dich net. Wir haben es doch nur gutgemeint. Und wenn man bloß ab und an nach einem Kind sieht, dann kennt man es eben nicht wirklich gut...«
»Ja, du hast recht. Im Grunde bin ich sehr froh darüber.«
Sie lachte. »Ich auch. Und um Melanie müssen wir uns jetzt keine Sorgen mehr machen. Das ist doch prima!«
Einige Zeit später begann im Doktorhaus von Wildenberg dann die Sprechstunde. Max war überrascht, als Monika Farber zusammen mit ihren Kindern erschien. Birgit überreichte dem Landarzt einen kleinen Strauß bunter Frühlingsblüher, während die junge Frau erklärte: »Wir wollten uns noch einmal persönlich bei Ihnen bedanken, Herr Doktor Brinkmeier. Was Sie getan haben, werden wir Ihnen nie vergessen.« Sie drückte Max die Hand und lächelte ihm scheu zu. »Wir verdanken Ihnen unser Leben.«
»Ich bitte Sie, Frau Farber, das will ich jetzt aber nimmer hören. Geht es Ihnen gut? Was macht denn deine Wange, Birgit?« Die offenkundige Dankbarkeit der Farbers machte Max ein wenig verlegen. Er untersuchte die Kinder und meinte dann: »Geht doch mal zur Christel, ich bin überzeugt, sie hat Bonbons für euch.«
Als sie allein waren, fragte Max die leidgeprüfte Frau: »Wie geht es denn nun weiter? Sind Sie wenigstens finanziell abgesichert, Frau Farber?«
»Na ja, ich werde das Haus verkaufen. Ben hat uns angeboten, auf seinem Hof zu wohnen. Er hat ja genug Platz, und es wird keine große Umstellung für die Kinder. Herr Dirlinger von der Bank hat uns vor ein paar Tagen besucht und mir eine Art Abfindung zukommen lassen. Außerdem sagte er, daß seine Bank die Unterschlagung nicht weiter verfolgen wird.« Sie lächelte ein wenig. »Ich glaube, Sie haben großen Eindruck auf den Mann gemacht, Herr Doktor Brinkmeier.«
»Er hat sich also doch noch großzügig gezeigt, das freut mich.«
»Ja, ich habe mich darüber gewundert. Nach allem, was Christian sich hat zuschulden kommen lassen...« Sie wurde nun sehr ernst. »Ich werde meinen Mann übrigens bald besuchen. Es ist nicht leicht für mich, aber ich glaube, ich bin es ihm schuldig. Was Christian getan hat, war schrecklich. Doch er ist krank und im Grunde genommen nicht dafür verantwortlich.«
»Daß Sie so denken, macht es für sie beide etwas leichter.«
»Ja, vielleicht. Ben sagt, daß mein Mann wahrscheinlich in der Psychiatrie bleiben muß. Das ist schlimm. Aber ich muß mich damit abfinden. Und Ben steht mir immer bei, ich kann mich auf ihn verlassen. Ohne seine Hilfe hätte ich die letzte Zeit sicher nicht überstanden.«
Eine Weile später verließ Monika Farber zusammen mit ihren Kindern die Praxis. Christel Brenner schaute kurz ins Sprechzimmer und meinte: »Es geht ihr besser, das sieht man. Ich hoffe sehr, sie hält sich jetzt an den richtigen Farber.«
»Den ›richtigen‹? Was meinst jetzt damit?« wunderte Max sich.
»Na, ist doch klar: Ich meine den Farber, der der Richtige für die Monika ist!«
*
»Sein Zustand ist sehr viel besser als gestern. Du kannst zufrieden sein, Buhla. Dein Baby wird wieder ganz gesund.« Dr. Bruckner lächelte der jungen Farbigen freundlich zu.
»Der große Schotte ist also doch ein Zauberer«, sinnierte diese. »Er hat mein Baby gesund gezaubert.«
»Na ja, nicht ganz. Aber die Mikrochirurgie erscheint nicht nur dir wie Zauberei. Das ist schon ein richtiger Fortschritt.«
»Frau Doktor Bruckner, da sind Sie ja!« Schwester Mary wirkte ganz aufgeregt. »Doktor Kennedy sucht Sie. Es handelt sich um einen Notfall!«
»Ich komme sofort.«
»Er ist draußen, wartet im Jeep«, rief die Nonne ihr noch hinterher. Daß sie sich dabei ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte, sah Julia nicht mehr. Dr. Kennedy hatte bereits den Motor gestartet. Er deutete auf den Beifahrersitz, doch Julia gab zu bedenken: »Ich sollte besser fahren, ich kenne mich mit dem Jeep gut aus.«
»Nun kommen Sie schon, mit mir werden Sie auch nicht im Graben landen«, drängte der Schotte. Also gab Julia nach. Als sie sich neben ihn gesetzt hatte, drückte er sofort aufs Gas. Sie warf ihm einen fragenden Blick zu. »Was soll denn das überhaupt für ein Notfall sein?«
»Das werden Sie schon erleben.« Tom Kennedy gab sich seltsam bärbeißig, beinahe so wie zu Beginn ihrer Zusammenarbeit.
»Wohin fahren wir?« fragte Julia, als sie bereits eine Stunde unterwegs waren. In der Ferne funkelten die Lichter von Kigali unter dem samtdunklen Abendhimmel. »Hier stimmt doch was nicht! Was soll das? Drehen Sie sofort um, Tom!«
»Keine Panik, wir sind fast da.« Der Mediziner steuerte den etwas altersschwachen Jeep in einen Vorort der ruandischen Hauptstadt und hielt schließlich vor einer kleinen Pension an, die auch ein erstklassiges Restaurant beherbergte. Julia kannte die Adresse, sie war hier öfter mit Max gewesen.
»Was soll das bedeuten? Ich verstehe nicht...« Ungläubig sah sie zu, wie Tom Kennedy ausstieg, einen kleinen Koffer vom Rücksitz holte, dann um den Jeep herumging, ihre Tür öffnete und ihr die Hand reichte. Dabei grinste er so verschmitzt, wie sie es noch niemals zuvor erlebt hatte.
»Nun kommen Sie schon. Hier drin ist was Gescheites zum Anziehen. Schwester Mary hat das herausgesucht. Und wenn Sie sich schick gemacht haben, essen wir zusammen zu Abend.«
»Sie haben den Verstand verloren.«
»Na, das ist aber nicht sehr nett. Denn im Grunde genommen müßten Sie Schwester Mary diesen Vorwurf machen. Sie hat mir nämlich verraten, daß Sie heute Geburtstag haben, Frau Kollegin. Und daß Sie diesen Tag in..., na, sagen wir mal früheren Zeiten öfter in diesem Restaurant bei einem guten Essen begangen haben. Natürlich hätte wir auch auf der Station essen können, was Buhla kocht. Aber ich dachte mir, das hier wäre eine größere Überraschung. Also, was sagen Sie? Eine solche Ansprache werden Sie kein zweites Mal von mir hören. Sind Sie einverstanden, oder drehen wir gleich wieder um?«
Julia mußte lachen. Sie schüttelte den Kopf, nahm den kleinen Koffer und murmelte gerührt: »Wenn wir wieder auf der Station sind, werde ich mal ein ernstes Wort mit Schwester Mary reden müssen.«
Eine Weile später hatte Julia geduscht und sich umgezogen. Tom Kennedy hatte ein Einzelzimmer für sie gemietet, aber es glich dem Zimmer, das sie immer mit Max belegt hatte, so sehr, daß sie trotz allem melancholisch wurde. Sie betrachtete ihr Spiegelbild, sah eine schöne junge Frau in einem Kleid, das beinahe