Dr. Brinkmeier Staffel 2 – Arztroman. Sissi Merz

Dr. Brinkmeier Staffel 2 – Arztroman - Sissi Merz


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Tochter. Christa war tatsächlich nicht bei sich, sie schien zu phantasieren und nichts um sich herum wahrzunehmen. Der Bauer bekam es plötzlich mit der Angst zu tun. Grob sprach er die Altmagd an: »Was ist los mit dem Madel? In so einen Zustand kommt man doch net so mir nix dir nix. Da stimmt was nicht! Los, sag mir die Wahrheit. Oder magst vielleicht auf deine alten Tag’ noch auf der Straß’ landen?«

      »Ich weiß es nicht, bin doch kein Doktor«, wich Rosa ihm aus. »Ein jeder Mensch kann schließlich mal krank werden. Willst mir daran jetzt am End noch die Schuld geben?«

      »Schmarrn. Aber ich will wissen, was mit meiner Tochter los ist. Die Christa war immer robust. Wie kann sie denn so ohne Vorwarnung krank werden? Das begreife ich nicht.«

      »Weil du deine Tochter nicht kennst«, warf die Altmagd ihm da erbost vor. »Die Christa ist nie robust gewesen, sie hat sich nur so gegeben, weil sie wußte, daß dir das imponiert. In Wirklichkeit hat das Madel ja nur aus Angst bestanden. Ihr ganzes Leben hat sie darauf abgestimmt, es mit dir net zu verderben, dich nicht gegen sie aufzubringen. Das war ihr immer wichtiger als alles andere, sogar als ihr eigenes Glück.«

      »Red keinen Unsinn«, brummte der Bauer. »Geh runter in die Diele und warte auf den Doktor. Ich seh nach der Christa.«

      Nur widerwillig folgte die Altmagd dieser Aufforderung. Sie ließ ihren Schützling jetzt nicht gern allein. Aber sie hoffte zugleich im stillen, daß der Graf vielleicht mal in sich ging und am Krankenbett seiner Tochter eine Einsicht hatte.

      Max Brinkmeier erschien wenig später. Er ließ sich von Rosa die genauen Symptome schildern, dann wollte er sofort nach der Kranken sehen. Doch die Altmagd bat ihn zuvor: »Sag dem Bauern nicht, was los ist, Doktor. Du wirst die Christa sonst ins Unglück stürzen. Bitte, denk an meine Worte!«

      Max wußte nicht recht, was er davon halten sollte. Er begrüßte den Bauern knapp und bat diesen, ihn mit seiner Tochter allein zu lassen. Während der Landarzt die Hoftochter dann untersuchte, wurde ihm schnell klar, welches Geheimnis die Altmagd hatte bewahren wollen. Und er begriff zudem, daß er es hier ganz offensichtlich mit der Mutter seines Findelkindes zu tun hatte. Christa Graf hatte unsachgemäß ein Kind zur Welt gebracht und sich dabei eine Infektion zugezogen, die nun lebensbedrohlich geworden war. Der Mediziner setzte der Kranken eine Spritze, die das Fieber senken sollte, dann verließ er die Kammer und rief in Berchtesgaden an, um einen Krankenwagen anzufordern.

      Rudolf Graf wollte unwirsch wissen: »Was hat denn das zu bedeuten? Was fehlt meiner Tochter? Und wieso kannst du sie net behandeln, Doktor? Ich verlange eine klare Auskunft!«

      »Die sollst bekommen, Bauer. Gehen wir in die gute Stube, da sind wir ungestört.« Max bemerkte den warnenden Blick der Altmagd, kümmerte sich aber nicht darum. Er mußte dem Graf nun die Wahrheit sagen, das war seine Pflicht. Und er dachte nicht daran, sich auf irgendwelche Lügengeschichten einzulassen.

      »Also, was ist los? Raus mit der Sprache! Ich will endlich wissen, was meiner Christa fehlt«, drängte Rudolf Graf ihn, nachdem er die Tür zur guten Stube geschlossen hatte.

      Dr. Brinkmeier schaute den Bauern mit ernster Miene an. »Deine Tochter hat sehr hohes Fieber, Graf. Du hättest mich schon viel früher rufen sollen.«

      »Aber ich…« Er mußte sich räuspern, denn nun war ihm der Schrecken doch in alle Glieder gefahren. »Ich hab’ ja nix gewußt. Eben komm ich von der Ratssitzung heim, da geistert die Rosa durchs Haus. Was hat denn das nur zu bedeuten? Was fehlt dem Madel? Ist es so ernst?«

      »Die Christa hat eine lebensbedrohliche Infektion. So etwas holt man sich, wenn Wunden mit nicht sterilen Geräten behandelt werden. Kannst dir denken, wie es bei deiner Tochter dazu hat kommen können?«

      »Was für Wunden denn? Ich versteh nix! Das Madel hat sich doch nicht verletzt, das hätte die Christa mir gesagt.«

      »Nun, in deinem Haus scheint einiges heimlich vonstatten gegangen zu sein, Bauer. Deine Tochter hat vor zwei Tagen ein Kind zur Welt gebracht.«

      »WAS?« Rudolf Graf war aschfahl geworden. Er starrte sein Gegenüber an wie eine Erscheinung, war nicht in der Lage auch nur den kleinen Finger zu rühren. In seinem Kopf brausten die Gedanken und es schien, als würde er gleich umfallen vor Schreck. Doch dann wechselte seine Gesichtsfarbe zu einem ungesunden Rot, die Zornesader schwoll fast fingerdick an und er stürmte wie ein wilder Stier zur Stubentür. »Rosa, daher!« Das Gebrüll scheuchte die Altmagd auf, die sich kaum traute, den Raum zu betreten. Der Bauer musterte sie kalt. Er schien sich wieder in der Gewalt zu haben, verlangte streng zu wissen: »Was ist das für eine Geschichte, die ich da hören muß? Die Christa soll ein Kind bekommen haben. Wie ist das zugegangen? Gewiß war’s keine unbefleckte Empfängnis, also wird es wohl auch einen Vater dazu geben. Wo ist das Kind? Wieso hab’ ich nix davon erfahren? Los, raus mit der Sprache, wenn dir dein Leben lieb ist!« Er fuchtelte mit der geballten Faust vor dem Gesicht der Altmagd herum, die ein wenig zurückwich.

      »Bitte, Graf, sei halt vernünftig. Du wirst gewiß alles erfahren, wenn es deiner Tochter besser geht«, versuchte der Landarzt, den aufgebrachten Bauern zu besänftigen. Allerdings erreichte er damit nichts. Rudolf Graf ignorierte ihn, starrte die Altmagd an, die sich nun einen Ruck gab. Jetzt, da doch alles herausgekommen war, konnte sie auch offen und ehrlich sein.

      »Ich hab’ es immer falsch gefunden, daß die Christa diese Sache verheimlicht hat. Aber sie hatte ja eine so schreckliche Angst vor dir, wollte sich das Leben nehmen, wenn was rauskommt. Also hab’ ich auch geschwiegen. Sie hat einen Burschen lieb, der will sie heiraten. Aber dir wird er net passen, deshalb darf es nicht sein. Als sie gemerkt hat, daß sie in der Hoffnung steht, hat sie mich angefleht, ihr zu helfen. Es ist uns ja auch gelungen, die Schwangerschaft zu verheimlichen. Das Madel hatte zum Glück keinen so großen Bauch. Als es dann soweit war, hab’ ich geholfen, so gut es eben ging. Und hernach hat die Christa mir angeschafft, das Butzerl beim Doktorhaus abzugeben. Damit es in gute Hände kommt. Das hab’ ich auch gemacht.«

      »Das Findelkind von Wildenberg.« Der Bauer lachte ironisch auf. »Ein jeder hat sich darüber das Maul zerrissen. Hätte ich gewußt, daß es aus meinem Haus kommt…« Er maß die Altmagd mit einem finsteren Blick. »Wer ist der Kerl, der meiner Tochter das angetan hat? Los, sag es mir, du weißt es doch!«

      »Ich sag nix mehr. Hab schon genug schlaflose Nächte hinter mir. Von mir aus kannst mich aussi schmeißen, aber ich werde kein Wort mehr zu der unseligen Geschicht’ sagen!« Damit wandte die Alte sich ab und verließ die Stube.

      Der Bauer starrte eine ganze Weile wortlos vor sich hin. In der Zwischenzeit war der Krankenwagen angekommen. Max Brinkmeier kümmerte sich um den Abtransport der Hoftochter. Als er in die gute Stube zurückkehrte, saß Rudolf Graf auf dem Sofa und leerte einen Schnaps nach dem anderen.

      »Das hat doch keinen Sinn. Komm, ich fahr dich in die Stadt, im Spital kannst…«

      »Ich bleib da«, knurrte dieser unzugänglich. »Das Flitscherl im Spital ist nimmer meine Tochter. Nix will ich von der wissen. Und von dem Bangert schon gar net. Und jetzt schleich di, Doktor, ich will keinen mehr sehen!« Er nahm das leere Stamperl und feuerte es gegen die Wand.

      Dr. Brinkmeier seufzte leise. »Geh besser schlafen, Bauer. Morgen hast einen klaren Kopf und siehst die Dinge wieder mit Abstand. Was geschehen ist, läßt sich nimmer rückgängig machen.«

      »Mag sein. Aber ich verzeih der Christa net. Niemals!«

      *

      Dr. Brinkmeier besuchte Christa Graf am nächsten Tag im Spital von Berchtesgaden. Der junge Mann, der an ihrem Bett saß, stellte sich ihm als Thomas Berger vor. Ein wenig verlegen erklärte er: »Ich arbeite auf dem Graf-Hof und bin der Vater von Christas Butzerl. Könnte ich… ich mein, wäre es möglich…«

      Der Landarzt verstand ihn schon. »Kannst jederzeit vorbeikommen und dein Kind sehen. Es ist ein allerliebstes kleines Madel. Die Anna Stadler, unsere Apothekerin, kümmert sich um das Kleine. Keine Angst, es geht ihm gut.«

      »Ich dank Ihnen, Herr Doktor, von Herzen.«

      »Schon recht.« Nachdem Thomas sich verabschiedet hatte, setzte Max Brinkmeier sich


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