G.F. Barner Staffel 5 – Western. G.F. Barner
Tochter, du wirst die erste Pferdejagd deines Lebens mitmachen. Ich sage dir, wenn du etwas von mir altem Narren hast, dann packt es dich wie es mich einmal packte, als ich mit Jesse Powell Pferde fing. Rick, du mußt sie mitnehmen, wenn ihr eine Herde stellt.«
»Dad, Rick kann mich dabei sicher nicht brauchen«, antwortete sie leise. »Rick, er lebt richtig auf, was habt ihr mit ihm gemacht?«
»Nichts«, antwortete Honkey. »Er ist nur endlich unter Menschen. Das ist alles, was Bill gefehlt hat. Well, schätze, in zwei Wochen siehst du die ersten Wildpferde, Jane.«
*
Lorenzo Montera hielt mit einem jähen Ruck sein Pferd zurück. Die Männer hinter ihm im Tin Canyon brachen augenblicklich ihren Streifritt ab. Der Hufschlag verklang, der Staub, rötlich in der prallen Mittagssonne schimmernd, senkte sich. Lorenzo führte die erste von drei Gruppen. Jede Gruppe suchte ein bestimmtes Gebiet ab.
Lorenzo flog aus dem Sattel, kniete nieder und fluchte einen Moment später los.
»Die Pest, das geht doch nicht mit rechten Dingen zu. Da ist diese verdammte Fährte wieder. Hier ist schon wieder einer geritten, aber nicht der Bursche, der sich gestern vor uns herumgetrieben hat – oder zumindest nicht mit dem gleichen Gaul. Das Pferd hier hat größere Hufeisen. Irgendwer schleicht durch die Gegend und beobachtet uns. Der Kerl hat uns gesehen. Moment mal, ich komme gleich wieder!«
Er sprang auf, riß sein Pferd herum und trieb den Braunen den steilen Hügel empor. Oben ritt Lorenzo einen Kreis, dann drehte er um und kam zurück.
»Was ist?« fragte der junge Pearce ungeduldig. »War er dort oben?«
»Yeah«, knirschte Lorenzo finster. »Er hat uns mit Sicherheit kommen sehen. Jetzt müßte er irgendwo im Westen stecken.«
Es waren immer dieselben Männer, die Powell mit zur Jagd nahm. Neben Pearce hockte Devlin, der schlanke, sehnige, aber muskulöse Ire, auf seinem Pferd. Der dritte Mann stammte aus Santiagos, und Lorenzos Verwandtschaft, die so groß war, daß auch Powell nicht sagen konnte, in welchem Verwandtschaftsgrad die Männer zueinander standen. Antonio, der dritte Mann, blinzelte.
»Lorenzo, wenn es nicht dasselbe Pferd ist, ist es vielleicht auch nicht derselbe Mann«, sagte er. »Hör mal zu, Amigo, denk an Josef. Er hat Grinner, die rechte Hand von Quailes, zwei Tage vor dem Überfall auf Juan und Ed Heath in der Nähe der schäbigen Young-Ranch gesehen.«
Pearce zuckte zusammen, Devlin stieß einen Fluch aus. Lorenzo kratzte sich hinter dem Ohr.
»Du glaubst doch nicht, Tonio, daß Quailes uns beobachten läßt, eh?«
»Wer weiß«, erwiderte Antonio.
»Gut«, knurrte Lorenzo. »Ich reite zum Boß. Ihr sucht weiter. Ich bin in einer halben Stunde bestimmt zurück.«
Nach einem saftigen Fluch zog er sein Pferd herum und fegte die Geröllhalde empor. Er jagte nun nach Norden, sah keine zehn Minuten darauf die Kette der Reiter und hielt darauf zu.
Als Powell ihn bemerkte, wartete er.
»Na, Lorenzo?«
Lorenzo berichtete, was er entdeckt hatte, sah Powells flüchtiges Grinsen und runzelte die Stirn.
»Boß, warum lachst du?«
»Weil Santiago vor einer Stunde auch hier war. Er hat auch frische Spuren gefunden. Schade, Lorenzo, wenn euch die beiden Burschen beobachtet haben, dann sind sie gewarnt. Wir werden es dennoch heute abend versuchen. Warum denkst du an Quailes? Laß dir eins gesagt sein, Lorenzo: Quailes hat erstens nicht die Männer, die es auch nur wagen würden, uns Ärger zu machen. Zweitens ist er ein feiger, hinterhältiger Hundesohn, und drittens weiß jedes Kind bis Virginia City, daß wir zur Wildpferdjagd sind. Weißt du, was ich denke? Einer dieser kleinen Pferdejäger treibt sich in unserer Nähe herum.«
Lorenzo starrte Powell an. Das konnte hinkommen. Es war immer so, daß bei der Wildpferdjagd einige Tiere aus einem Rudel davonkamen. Man fing auch nur einmal in zehn Fällen das ganze Rudel. Bis jetzt hatten sie es zweimal erlebt, daß andere Pferdejäger sich an sie gehängt hatten, um leichte Arbeit mit durchgebrochenen Wildpferden zu haben. In den meisten Fällen waren diese Tiere ohne Leithengst und sehr leicht zu fangen.
»Vielleicht hast du recht, Boß. Gut, sehen wir uns in der Nacht etwas um. Sie werden nicht sehr weit von uns lagern.«
*
Powell erhob sich lautlos. Er trug nun absatzlose, mokassinähnliche Schuhe, die beim Anschleichen an Wildpferde benutzt wurden. Nur, vor ihnen standen keine Wildpferde.
In dem kleinen Tal unterhalb einer steil aufsteigenden Wand brannte ein kleines Feuer. Zwischen zwei Felsblöcken war ein Seil gespannt. Sechs Pferde standen dort und prusteten ab und zu leise. Dicht am Feuer lagen drei Männer in ihren Decken. Von ihren Gesichtern war nicht viel zu sehen. Der Mann links hatte sich die Decke über die Ohren gezogen. Der zweite Mister lag auf dem Rücken, und ein Hut bedeckte sein Gesicht. Der dritte Mann lag zusammengerollt wie eine Katze am Boden. Nur seine schwarzen glänzenden Haare waren zu sehen. Sein Hut lag neben ihm, und als Lorenzo nahe genug herangeschlichen war, wußte er auch, wer dort lag.
Um den Hut war anstelle des Bandes eine Klapperschlangenhaut geflochten.
Lorenzo blieb stehen. Die Schrotflinte in der Rechten, hob er sacht die Linke und deutete auf den Mann. Als Powell die Bewegung erkannte und nun links neben dem Mister, der sich die Decke über die Ohren gezogen hatte, stehenblieb, zeigte Lorenzo auf den Hut.
Powell kniff die Augen zusammen. Er besaß so scharfe Augen, daß er nach dem Hinweis Lorenzos die Klapperschlangenhaut erkannte. Powell nickte kurz, seine Hand winkte einmal, und Lorenzo machte den nächsten Schritt. Sie schlichen von beiden Seiten auf die Männer zu. Keine Minute später stand Lorenzo anderthalb Schritte neben dem seltsamen Hut, er beugte sich bedächtig vor und grinste.
Der nächtliche Ritt hatte sich also doch gelohnt. Sie hatten keine anderthalb Stunden gebraucht, um die Burschen zu stellen.
Als Lorenzo den Kopf hob, war auch Powell neben seinem Mann. Powell nickte noch einmal. Im selben Moment stieß Lorenzo die Schrotflinte vorwärts. Die Doppelmündung fuhr dem Schläfer gegen die Brust.
In der nächsten Sekunde bewegte sich der Mann. Er riß verstört die Augen auf, hob den Kopf und stieß einen heiseren Grunzlaut aus. Danach sah er die vom Feuer beleuchtete Schrotflinte und lag still. Nicht anders verhielt sich der Mister an Powells Seite. Der Bursche fuhr mit dem Kopf aus der Decke. Powell erkannte, daß der Mann die Hand unter der Decke bewegte und sagte scharf: »Laß das, sonst drücke ich ab!«
Erst Powells Stimme machte den dritten Mann munter. Er fuhr hoch, seine Hand griff nach rechts zum Gewehr. Der Hut rutschte ihm vom Gesicht. Seine breiten Schultern zogen sich zusammen.
»Aber, Amigo«, sagte Lorenzo mit einem amüsierten Glucksen. »Randlin, mein Freund, du machst doch keine Narrheiten – oder?«
Randlin, der schwarzbärtige Mann, ein Riese von Gestalt, glotzte Lorenzo verschlafen an.
»Hölle, der Schleicher Lorenzo«, entfuhr es ihm. »Und wer…? Ah…! Der große Boß persönlich, was? Powell, was soll das, friedliche Leute im Schlaf zu überfallen?«
»Friedliche Leute?« fragte Powell träge. »Wann warst du jemals ein friedlicher Mann, Randlin? Wollte man die Leute, die du verdroschen hast, übereinanderstellen, könnte der letzte Mister die Mondsichel angeln, wetten?
Wer ist hier zuerst wem nachgeschlichen, Freundchen? Randlin, nicht, daß ich etwas von dir will, aber störst du bei der Jagd, passiert dir was, Mister. Du hast im vergangenen Jahr Jason Bates so viel Ärger gemacht, daß ihm zwei Herden verlorengingen. Versuch das nicht mit mir!«
»Willst du mir drohen?« brüllte Randlin sofort los. »Ich hau dir den Schädel herunter, Powell! Ich reite wie, wann und wo es mir paßt, begriffen?«
»Sicher, sicher«, erwiderte Rick träge. »Nur nicht zu nahe an meinen Fängergruppen, Mister. Was du machst, wenn uns Wildpferde