Quer durch Afrika. Gerhard Rohlfs

Quer durch Afrika - Gerhard  Rohlfs


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einzutreffen.

      Wir Zurückbleibenden konnten zwar unterdes ruhen, doch war unser Lager in einer völlig baumlosen Ebene bei der glühenden Sonnenhitze kein beneidenswertes. Das Thermometer zeigte jetzt beständig nachmittags fünfunddreißig bis vierzig Grad im Schatten und sank selbst kurz vor Sonnenaufgang nie unter + 18 Grad. Dazu traten nun auch schon jene heftigen Windstöße, wie sie in der Sahara so häufig ganz plötzlich entstehen und ebenso plötzlich wieder verschwunden sind.

      Bereits vormittags um halb zehn Uhr kehrte anderntags die Expedition zurück. Sie hatte genau mit Sonnenaufgang den Rückmarsch angetreten. In der Nähe des Bir el-Klab war man an einem Duar von Sintan-Leuten vorübergekommen; die Gegend ist also noch sporadisch bewohnt.

      Es war Abend geworden, als wir unseren Halteplatz verließen. Wir zogen in der Richtung von 225 Grad den Uadi el-Cheil entlang aufwärts und drangen mit ihm in das steinige Gebirge ein, in dem er entspringt und durch zahlreiche Täler und Schluchten aus Süden und Norden Zuflüsse erhält. Die Wände dieser Täler, aus Sandstein und Kalk bestehend, erheben sich senkrecht zur durchschnittlichen Höhe von hundert bis einhundertfünfzig Fuß. In einer natürlichen Höhle am linken Felsenufer fand ich Figuren in die Wände gehauen, ziemlich roh ausgeführt, doch immerhin von einer gewissen Stufe der Kultur zeugend, welche die Menschen zu jener Zeit erreicht haben mussten. Die Figuren stellten Elefanten, Kamele, Antilopen und andere Tiere dar, aber auch eine weibliche Menschengestalt mit ausgeprägter Negerphysiognomie in sehr indezenter Stellung. Schriftzeichen konnte ich allerdings nicht entdecken; die eingegrabenen neuarabischen Namen wie Mohammed, Abdallah und die kurzen Koranverse stammen offenbar aus viel späterer Zeit.

      Um halb acht Uhr abends berührten wir den Rand der Hammada (mit scharfkantigen Steinen bedeckte Hochebene). Ehe wir sie überschritten, veranlassten mich meine Kameltreiber, weil ich zum ersten Mal des Weges ziehe, einen kleinen Steinhügel, Bu-sfor oder Bu-saffar (Reisevater), zu errichten. Der Ursprung und die Bedeutung dieser Sitte konnten sie mir nicht erklären, oder ich verstand ihre Erklärung nicht. Erst später erfuhr ich, dass die Bu-sfor Fetische sind, welche den Reisenden, der das erste Mal solche hervorragenden Punkte berührt, vor Ungemach schützen sollen, und dass mit der Aufrichtung eines Bu-sfor zugleich die Verpflichtung verbunden ist, den Reisegefährten ein Mahl zu geben. Man kann sich denken, wie viele dergleichen Hügel an den betreffenden Stellen aufgehäuft sind.

      Nachts um halb zwölf Uhr erst wurde zum Kampieren haltgemacht. Auf früheren Reisen hatte ich immer von meinen Begleitern gehört, es sei am besten, die Wasserschläuche beim Lagern aufzuhängen, da die Erde »das Wasser trinke« oder in sich einsauge. Und bei der außerordentlichen Dürre des Bodens mag wohl etwas Wahres daran sein. Ich hatte deshalb nach Sitte der reichen marokkanischen Reisenden Dreifüße zu dem Zweck mitgenommen. Hier nun sah ich, wie meine Kameltreiber die Schläuche der Reihe nach auf eine Matte legten und mit einer anderen Matte sorgfältig bedeckten. »Warum hängt ihr die Schläuche nicht auf?«, frage ich. »Weil wir sie dann nicht so gut zudecken können«, war die Antwort. »Und warum müssen sie zugedeckt sein?« – »Weil der Mond sonst das Wasser trinkt.« Es würde vergeblich gewesen sein, ihnen den Aberglauben nehmen zu wollen, und so ließ ich sie gewähren. Meine städtischen Diener, die sich weit klüger und aufgeklärter dünkten als die Bewohner der Hammada, protestierten zwar erst dagegen; als aber einer der Kameltreiber mit einem Schwur beteuerte, der Mond trinke das Wasser und die Schläuche müssten dann zerplatzen, schienen auch sie bekehrt und überzeugt. Sie ließen die Schläuche auf den Matten liegen und ruhten selbst auf der bloßen Erde.

      Unterwegs bemerkte ich, dass die Kameltreiber einer kleinen Eidechse mit plattem Kopf, Bu-Bris genannt, einer Gekko-Art, eifrig nachstellten und jede, derer sie habhaft wurden, töteten. Sie meinten, das Tierchen vergifte durch seinen Hauch die Speisen, es könne dem Menschen einen Ausschlag anspritzen, und schwangere Frauen, die von ihm angeblickt würden (Basiliskenblick), kämen mit gefleckten Kindern nieder. Das unschuldige Tierchen ist in diesem Teil der Vorwüste überaus häufig. Um die Leute von der Torheit ihres Wahns zu überzeugen, nahm ich eine Bu-Bris in die Hand, setzte sie auf meinen Fuß und ließ sie über meinen Teeteller laufen – aber vergebens, sie blieben bei ihrem abergläubischen Vorurteil und sagten, ich sei gegen das böse Wesen gefeit.

      Am 10. Juni durfte ich hoffen, endlich unser nächstes Ziel, die Oase Derdj, zu erreichen. Es war höchste Zeit: Infolge der großen Hitze waren die Kamele von dem achttägigen Marsch durch die Hammada erschöpft, meine Diener ertrugen zum Teil nur schwer die ungewohnten Strapazen, und zwei von ihnen sowie ich selbst litten an Diarrhö, die trotz starker Opiumgaben nicht weichen wollte. Mich hatte der kurze Wüstenmarsch bereits so abgemagert, dass ich meine Geldkatze, die mir früher zu eng gewesen war, jetzt noch um fünf Zoll einnähen musste, ja, ich fühlte an den abnehmenden Kräften, dass eine ernstliche Krankheit im Anzug war.

      Wir zogen noch an einigen Gra vorüber, erblickten im Norden von uns auf etwa acht Kilometer Entfernung den Djebel el-Chaschm-el-Dub und durchschritten um halb neun Uhr den Chorm Tuil-el-Nailat (Langer Pass der Sandalen). Um zehn Uhr ›gielten‹ wir. Ich sandte zwei Diener mit meinem Bu-Djeruldi voraus, damit sie mich bei den Bewohnern Derdjs anmeldeten und einen guten Lagerplatz für uns aussuchten. Der Zug folgte ihnen erst um vier Uhr nachmittags.

      Abends erreichten wir endlich den Ort Derdj, nachdem schon lange vorher Spuren von Menschen und Tieren uns dessen Nähe verkündet hatten. Die Einwohner bereiteten mir einen recht freundlichen Empfang, der Bu-Djeruldi schien seine Wirkung auf sie nicht verfehlt zu haben. Für unser Lager hatten sie einen reizenden Platz, unter Palmen und hinlänglich mit Wasser versehen, bestimmt, allein ich zog es vor, auf der luftigeren Hammada zu kampieren, wo ich mir von den frischen Winden einen heilsamen Einfluss auf meine stark angegriffene Gesundheit versprach.

      Außer dem Hauptort Derdj hat die Oase Derdj (Stufe), so genannt, weil sie am steilen Abhang oder Rand der Hammada liegt, noch drei kleinere Ortschaften: Tugutta, Tefelfelt und Matres. Die Bewohner von Derdj, Tugutta und Tefelfelt sind nicht arabischen, sondern berberischen Ursprungs; nur Matres ist von Arabern bewohnt. Erstere werden von den umwohnenden Stämmen auch mit dem gemeinsamen Namen Mammeluki belegt, was wohl auf ihre frühere Verbindung mit der Regierung von Tripolis hindeuten soll. Aber weder die Berber noch die Araber der Oase Derdj zeigen im Äußeren die charakteristischen Merkmale dieser Völkerrassen, sie sind so stark mit Negerblut durchsetzt, dass man sie eher wohlgestaltete Schwarze mit kaukasischer Gesichtsbildung nennen als zu den Weißen rechnen möchte. Ihre Gemütsart anlangend, fand ich sie gastfrei, gutmütig, aber etwas apathisch. Mit der Reinlichkeit schienen sie in beständigem Kampf zu leben, dagegen mit dem Schmutz auf vertrautestem Fuß zu stehen. Die Häuser, aus Stein erbaut, gleichen ganz den in den übrigen Ksors dieser tripolitanischen Gegend. Ihr Inneres ist unsauber und dient Ziegen wie Menschen zum gemeinsamen Aufenthalt. In den meisten gibt es jedoch einen abgesonderten Raum, ein Staatszimmer, in dem die Mitgift der Frau oder der Frauen, in einer großen Zahl messingener Schüsseln bestehend, aufbewahrt wird. Alle die blanken Schüsseln prangen hier an den Wänden und werden nie benutzt, scheinen also keinen anderen Zweck zu haben, als den Reichtum der Familie zur Schau zu stellen, da Kupfer hierzulande ein seltenes und kostbares Metall ist.

      Der Boden um Derdj wird hauptsächlich durch das Uadi Tinaout bewässert. Außer dem oberirdisch fließenden Wasser fördert man jedoch auch Wasser durch Fogarat (unterirdische Galerien, Brunnen) sowie durch Ziehbrunnen zutage. Die vorhandenen Palmengärten würden zur Ernährung der Einwohnerschaft mehr als ausreichen, wenn nicht zwei Drittel der Gärten und Bäume an Rhadameser oder an Djebeli verkauft wären. Es zeugt für die Indolenz der Bewohner, dass sie einen Teil ihres Grund und Bodens und ihrer kostbaren Habe, der Dattelbäume, infolge schlechter Wirtschaft in fremden Besitz kommen ließen. Wie überall in den Oasen werden auch hier Bäume und der Boden, auf dem sie stehen, getrennt voneinander verkauft, ein Gebrauch, der natürlich oft zu heftigen Streitigkeiten Anlass gibt; so klagt z. B. der Besitzer einer Palme gegen den Grundeigentümer, der Baum sei eingegangen, weil er nicht genügend bewässert worden sei usw. Das Areal, selbst das von Gärten, ist in Derdj, wenn man die Fruchtbarkeit des Bodens und den Wasserreichtum in Betracht zieht, billig zu haben. Felder mit fließendem Wasser werden natürlich teurer bezahlt. Hingegen stehen die Bäume, den Wert des Geldes in Anschlag gebracht, verhältnismäßig hoch im Preis. Für eine Palme der edleren Gattung, zumal eine solche, die alljährlich eine Kamelladung Datteln


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