Quer durch Afrika. Gerhard Rohlfs

Quer durch Afrika - Gerhard  Rohlfs


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wurde denn auch das Versprochene gebracht: für meine Leute ein Schaf und Basina (eine Art Gerstenpolenta, die in einer fetten Soße schwimmt, nichtsdestoweniger aber mit den Fingern aus der tiefen hölzernen Schüssel gelangt wird), für die Kamele Gerste und für mich eine große Platte mit verschiedenen türkischen Gerichten, von denen manche freilich unseren Begriffen von kulinarischer Kunst sehr wenig entsprachen.

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       Dattelpalmen in einer Oase

      Am anderen Morgen stattete ich dem Pascha meinen Besuch ab. Mit einer Tasse Kaffee und dem Tschibuk bewirtet, schwur ich einen mohammedanischen Eid (die unerlässliche Höflichkeitsformel), noch nie hätte ich einen so großmütigen Mann wie Seine Exzellenz kennengelernt, wogegen er beim Haupt des Propheten beteuerte, noch niemand sei so freigiebig gegen ihn gewesen wie ich. Ich hatte ihm nämlich einen schönen weißseidenen Haik geschenkt und damit seine Gastlichkeit dreifach bezahlt, zumal er kraft meines Bu-Djeruldi verpflichtet war, mir das Benötigte zu liefern, und sogar den Preis dafür der Regierung in Anrechnung bringen konnte.

      Dennoch sollte es nicht ganz ohne Differenzen zwischen uns abgehen. Man erregte den Verdacht in ihm, dass ich kein Rechtgläubiger, sondern ein Christ sei, und infolgedessen schickte er mir nun am zweiten Abend weder Essen noch Futter für die Kamele noch Brennholz. Erst als ich ihm ernstlich bedeuten ließ, er würde sich Unannehmlichkeiten aussetzen, falls er nicht wenigstens Brennholz und Gerste schickte (beides war für Geld nicht zu haben), willfahrte er meinem Verlangen. Ja, er bequemte sich, seine Entschuldigungen in höchsteigener Person zu überbringen, und da er mir den Gruß »Isalam alikum«, den man nur Rechtgläubigen bietet, zurief, schien er wirklich überzeugt zu sein, dass ich einst den Freuden des mohammedanischen Paradieses teilhaftig werden würde.

      Das Kasr Ghorian liegt malerisch auf einem der höchsten Punkte des Gebirges, würde aber gegen europäische Belagerungswaffen nicht standhalten können, denn abgesehen von dem schlechten Material, aus dem es erbaut ist, wird es in der Nähe von mehreren Anhöhen beherrscht.

      Nördlich und westlich sieht man in ein tiefes Tal hinab, in dem Oliven, Wein, Feigen und Granaten in üppiger Fülle gedeihen; doch nur dessen obere Hälfte hat das ganze Jahr hindurch fließendes Wasser. Aus der unteren Hälfte kamen Abgesandte der dortigen Höhlenbewohner zu mir. Sie brachten als Gastgeschenk Milch, Zwiebeln und roten Pfeffer und baten mich, sie in ihr Tal zu begleiten; sie hätten gehört, dass ich mich auf die Hendessia (Erdkunde, Messkunde, höhere Wissenschaft überhaupt) verstünde, und da könnte ich ihnen doch anzeigen, wo Wasser unter dem Boden zu finden sei. Gern erfüllte ich ihre Bitte, und ich konnte ihnen auch wirklich mehrere Stellen andeuten, wo sie auf unterirdisch fließendes Wasser stoßen würden. Allein was war ihnen damit geholfen? Eine hervorsprudelnde Quelle vermochte ich nicht nachzuweisen, und zum Bohren auf Quellwasser fehlten ihnen die Mittel, die Werkzeuge, vor allem aber die dazu erforderliche Ausdauer und Energie.

      Während der ganzen Zeit blies ein äußerst unangenehmer Südwind, der sich nachts zu solcher Heftigkeit steigerte, dass Notseile über mein Zelt gespannt werden mussten, und trotzdem wäre es umgeblasen worden, wenn nicht die eisernen Pflöcke so starken Widerstand geleistet hätten.

      Als ich am 25. Mai früh zum Aufbruch gerüstet war, fand sich, dass die Treiber meiner Mietkamele fehlten. Es war irgendwo Markt in der Nähe, und ohne mich um Erlaubnis zu fragen, hatten sie sich dorthin begeben, um Einkäufe für sich zu machen. Mehrere Stunden lang wurde meine Geduld auf eine harte Probe gestellt, erst um Mittag kehrten die Treiber zurück, und es konnte der Marsch angetreten werden. Wir kamen daher nur bis Ksebah an der südlichen Grenze des Ghorian-Gebietes. Alle diese südlichsten Grenzdörfer haben steinerne Hütten. Der Weg bis dahin führt, immer sanft ansteigend, durch Olivenhaine, Wein- und Feigengärten, und zahlreiche Dörfer über wie unter der Erde deuten auf eine verhältnismäßig dichte Bevölkerung hin.

      Einige der unterirdischen Dörfer sind von Juden bewohnt, die hier ganz die Sitten und Gebräuche der eingeborenen Gebirgsbewohner angenommen haben, während sie sich im Äußeren stark von ihnen unterscheiden. Jene zeigen durchwegs den Typus des Berberstammes; die Juden sind heller von Farbe. Ihre Sprache ist zwar auch berberisch, aber man erkennt sie gleich an dem lispelnden Jargon. Sie tragen Locken an den Schläfen wie ihre Stammesgenossen in Polen und Marokko. Im Ganzen stehen sie mit den Eingeborenen auf gutem Fuß, weil sie diesen unentbehrlich sind, indem sie allein Handwerke betreiben, namentlich sich mit dem Ausbessern der Flinten und der Anfertigung von Schmucksachen beschäftigen. Ihre Dörfer sind übrigens ebenso schmutzig wie die der Berber; überall guckt das Elend hervor, und auch die Begüterten unter ihnen verbergen sorgfältig ihre Habe, aus Furcht, durch den türkischen Pascha derselben beraubt zu werden oder sie bei einem feindlichen Überfall zu verlieren.

      Man empfing mich in Ksebah mit den Worten: »Marabah Scherif« (Willkommen, Abkömmling Mohammeds); ich lehnte aber den Titel Scherif ab, und meine Diener sagten, ich sei Mustafa-Bei. Das schien die Leute zu erschrecken; sie mochten fürchten, ich würde als vornehmer Herr sehr große Ansprüche haben. Natürlich tat ich nichts dergleichen; aber aus freien Stücken gab mir der Kaid des Orts eine splendide »Diffa« (Gastmahl), sowie auch meine Diener reichlich bewirtet und die Kamele mit Futter versorgt wurden. Leider zersprangen hier meine beiden Kochthermometer – ein empfindlicher Verlust für mich –, und ich war nun bloß auf die Aneroide angewiesen.

      Unser Abmarsch am nächsten Morgen verzögerte sich bis um sieben Uhr, weil man den Schlüssel zum »Majen« nicht hatte finden können. Die »Majen« sind große steinerne Zisternen, oben überwölbt oder auch nur mit Balken, Steinen und Erde bedeckt, die in der Regen- und Schneezeit – Schnee ist nämlich in einer Höhe von dreitausend Fuß im Winter nichts Seltenes – gefüllt und nachher sorgfältig verschlossen gehalten werden, damit das Wasser nicht von Unbefugten vergeudet wird.

      Von Ksebah aus folgten wir dem Lauf eines Uadi, des Sseggiatel-fers, dann ging es erst in südöstlicher, hierauf in südlicher Richtung stark bergab. Wir befanden uns im Quellgebiet des bedeutenden Flusses Sufedjin, der einen großen Teil der Gewässer des Ghorian-Gebirges in seinem Bett sammelt und zur Syrte hinabführt. Die ganze Landschaft heißt Gedama. Ihr Boden ist großenteils kulturfähig, da er in der Regenzeit geackert werden kann.

      Einen seltsamen Aberglauben der Kameltreiber sollte ich am selben Abend kennenlernen. Sie gebärdeten sich wie außer Sinnen vor Freude, da ein kleiner Vogel in mein Zelt geflogen kam und sich mir zutraulich auf die Schulter setzte. »Es ist ein Marabut«, riefen sie, »auch du musst ein Marabut sein, du verstehst sicher wie unser gnädiger Herr Sliman (Salomon) die Sprache der Tiere.« Die Ursache dieser außergewöhnlichen Zutraulichkeit erklärte sich indes auf ganz natürliche Weise: Das arme Vögelchen litt heftigen Durst, es war fast verschmachtet, und sobald es von dem ihm vorgesetzten Wasser gierig genippt hatte, flog es scheu wieder auf und davon. In der Sahara folgen häufig kleine Vögel, namentlich Sperlinge, tagelang einer Karawane, um die Brosamen und Speisereste aufzupicken und an den Tropfen einer Girba (Wasserschlauch) ihren Durst zu löschen. Kommen einem nach langer Wüstenwanderung Sperlinge oder Schwalben entgegen, so ist sicher eine Oase nicht mehr fern, und man kann bald wie der Schiffer auf hohem Meer rufen: »Land! Land!«

      Wir überschritten ein kleines Flussbett, dessen Name mir entfallen ist, und zogen durch den Chorm el-Bu-el-Oelk. Alle Namen haben hierzulande irgendeine Bedeutung; dieser würde auf Deutsch lauten: »Engpass des Vaters der Blutegel«. Ich erkundigte mich, weshalb man dem Engpass einen Namen gegeben, mit dem sich doch notwendig die Vorstellung von Wasser verknüpft, da Blutegel nicht zwischen heißem Gestein ihren Aufenthalt haben; aber niemand konnte mir die Frage beantworten.

      Fünf Kilometer östlich von dort ist der Brunnen Kischa, mit recht gutem Trinkwasser; wir hatten jedoch noch mehrere Schläuche voll Wasser, brauchten daher nicht vom Weg abzuweichen. Wir passierten ferner den Chorm el-Orian (nackter Engpass) und langten endlich, nachdem wir noch verschiedene Rinnen des Sufedjin durchschritten hatten, um drei Uhr nachmittags vor Misda an.

      Misda besteht aus zwei nur durch einige Hundert Schritte voneinander getrennte Ortschaften: Misda fukani, das obere im Westen gelegene, und Misda tachtani, das untere im Osten gelegene. Beide Ortschaften sind klein und zählen nach eigenen Angaben nicht mehr als je hundert


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