G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr. Гилберт Кит Честертон

G. K. Chesterton: Krimis, Aufsätze, Romane und mehr - Гилберт Кит Честертон


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sanfteren Stoffen angetan: sein Schwarz war reicher und wärmer als alles Schwarz um ihn, und als wären tiefe Farbtöne hineingebunden und darinnen gefesselt. Sein schwarzer Eock sah nur darum schwarz aus, als wär er zu schwarz, um purpurn zu sein. Und sein schwarzer Bart – als wäre er zu schwarz, um noch tiefblau zu scheinen. Und unter dem glühenden Dickicht seines Bartes erblühte sein dunkelroter Mund voll Sinnlichkeit und voller Hohn. Mochte er sein was er wollte – ein Franzmann war er nicht. Ein Jude – ein Jude mochte er sein. Oder noch von weiterher – vielleicht mitten aus dem dunklen Herzen des Ostens. Hellichte persische Ziegel und Teppiche zeigen jagende Tyrannen – – auf solchen Malereien magst du diese Mandelaugen, diese blauschwarzen Barte, diese grausamen, dunkelglühenden Lippen schon gesehen haben.

      Der nächste war Syme selber; und ihm zunächst dann kam ein sehr alter Mann, Professor de Worms, der immer noch auf dem Freitag-Stuhl saß, obwohl man jeden Tag erwartete, daß ihn sein endlicher Tod unbesetzt lassen würde. Bei dem war nur noch der Geist rege; der Leib befand sich im letzten Stadium der Auflösung, des senilen Verfalls. Sein Antlitz war so grau wie sein langer grauer Bart, seine Stirn furchte stumme Hoffnungslosigkeit. Bei keinem andern, nicht einmal bei Gogol, kontrastierte das hochzeiterhaft Herausgeputzte der Frühstückstoilette so sehr peinlich mit allem als wie bei ihm. Die rote Blüte im Knopfloch stand gegen ein Gesicht, das im wahrsten Sinn des Wortes entfärbt war und so matt und tot war wie Blei. Es machte sich so scheußlich, als ob ein paar betrunkene Dandies einem Leichnam von ihrem Staat angezogen hätten. Wenn er aufstand oder niedersaß, was eine lange Arbeit kostete und mit größter Fährnis verbunden schien, drückte sich etwas aus, das schlimmer war als bloße Greisenschwache, etwas, das mit der Furchtbarkeit der ganzen Szene in einem undefinierbaren Zusammenhang stand. Das war nicht Gebrechlichkeit nur – das war wie Fäulnis. Eine andere abscheuliche Vorstellung fuhr durch Symes Gehirn, er mußte widerwillens denken: wenn der da einen Arm oder ein Bein rührt, fällts ihm aus.

      Am rechten Tischende saß der Samstag. Und der war der simpelste – und also auch der verblüffendste von allen. Ein gedrungener, vierschrötiger Mann mit einem finstern, vierschrötigen, aber ganz glatt geschabten Gesicht, ein praktischer Arzt, der auf den Namen Bull hörte. Er vereinigte in sich jenes savoirfaire mit jener Stallburschengrobheit, wie das bei jungen Doktoren nicht unüblich ist. Und trug seine feine Gewandung mit mehr Dreistigkeit denn Behagen – zumeist ein wohleinstudiertes Lächeln um den Mund. Es war weiter nichts Unheimliches an ihm, es sei denn, daß er ein Paar trübe, fast undurchsichtige Brillen trug. Vielleicht wars nichts als ein Crescendo in der schaurigen Opera, die Symes Nerven aufführten – aber diese blinden Glasscheiben kamen ihm schrecklich vor. Sie erinnerten ihn an halbvergessene ekelhafte Geschichten, da Pfennigstücke auf die Augen von Toten aufgelegt wurden. Symes Augen verirrten sich immer und immer wieder zu jenen trüben Gläsern hin und zu dem blinden Grinsen. Wenn sie der dreivierteltote Professor oder der blasse Sekretär getragen hätte – dann hätten sie eben dazu gehört. Aber bei diesem Jüngern gröbern Menschen waren sie ein Rätsel. Da nahmen sie den Schlüssel zum Gesicht weg. Du konntest nie wissen, wie es sein Lächeln oder was sein Ernst eigentlich meinte. Teils dessentwegen, teils weil er von einer pöbelhaften Männlichkeit War, die den meisten andern fehlte, schien es Syme, daß er der Verruchteste von all diesen Verruchten wäre. Ja, Syme meinte sogar, die Augen wären nur bedeckt, weil es zu entsetzlich gewesen wäre, in sie hineinzusehen.

       Entlarvt

       Inhaltsverzeichnis

      Das waren die sechs Männer, die geschworen hatten, die Welt auszurotten. Oft und oft mußte Syme all seinen gesunden Menschenverstand aufbieten, um ihn nicht wohl für ewig zu riskieren. Dann wieder sah er freilich für Augenblicke ein: all seine Wahrnehmungen wären höchst subjektiv – all das waren ganz alltägliche Menschen, von denen der eine steinalt, der andere hypernervös und der dritte schier mit Blindheit geschlagen war. Zuletzt aber symbolisierte er doch wieder auf das unnatürlichste – und konnte gar nicht anders. Jede Gestalt schien ihm zuweilen an die äußerste Grenze des Irdischmöglichen hinausgerückt, so wie ihre Theorie an der äußersten Grenze des Möglichdenkbaren stand. Ihm war: ein jeder von diesen Menschen stand am extremen Ende sozusagen eines wilden Weges der Raison. Es war ihm gerad, wie in einem sehr alten Märchen, so sehr wunderlich: daß, wenn einer westlich ging und immer westlicher, wohl bis ans Ende der Welt, er da etwas finden würde – sagen wir einen Baum – der mehr oder weniger denn ein Baum war, ein Baum, besessen von einem Dämon … und daß wenn er östlich ging und immer östlicher, wohl bis ans Ende der Welt, er da etwas anderes finden würde, das nicht ganz es selber wäre – sagen wir einen Turm, einen verruchten Turm … So schienen die Gestalten unsagbar grell gegen einen allerletzten Horizont zu stehen – Visionen alles Raums … Die Enden der Welt drin eingeschlossen …

      Die Unterhaltung ging unentwegt weiter – auch nachdem er auf diesem Schauplatz erschienen war. Und von all den Konstrasten dieses unheimlichen Frühstückstisches war der zwischen dem behaglichen gemächlichen Gesprächston und seinem fürchterlichen Inhalt nicht der geringste. Man war tief in der Diskussion eines aktuellen unverzüglichen Komplotts. Der Kellner eine Treppe tiefer hatte ganz und gar recht gehabt, wie er sagte: daß die Herren oben von Bomben und Königen sprächen. Drei Tage später sollte der Zar den Präsidenten der französischen Republik in Paris besuchen, und bei Schinken mit Ei auf ihrem sonnigen Balkon hatte die fröhliche Kumpanei ausgeknobelt, wie die beiden des Todes sein sollten. Sogar das Werkzeug dazu war schon gewählt: der schwarzbebartete Marquis, schiens, sollte die Bombe werfen.

      In jedem andern Fall würde die unmittelbare Nähe dieses positiven und objektiven Verbrechens Syme ernüchtert und von seinen mystischeren Schauern kuriert haben. Und er würde an nichts anderes mehr als an die eine Notwendigkeit gedacht haben: die beiden Menschenleiber zu erretten, eh sie mit Eisen und hundswütigem Dynamitgas in tausend Stücke zerschleudert werden. Aber das war Tatsache, daß ihn in diesem Augenblick eine nochmal neue – eine dritte Art Furcht ergriff, eine eindringlichere – praktikablere, als seine früheren Moral-und sozialen Fürchte und Ängstlichkeiten. Und das war ganz einfach: er konnte keine Furcht mehr für den französischen Präsidenten oder den Zaren aufsparen – er gebrauchte sie all-alle für … sich selber. Die meisten der Sprecher nahmen sich ein wenig in acht vor ihm und steckten beim Debattieren ihre Köpfe ein bißchen näher zusammen, und einer

      nach dem andern setzte eine schier ernsthafte Miene auf – mit Ausnahme des Sekretärs, dem alle Augenblick sein Lächeln in zwei Fortsetzungen quer übers Gesicht fuhr so wie das schartige Licht hoch oben über den Himmel hin. Und dann war da eins, das Syme erst verstörte und ihn zuletzt rasend folterte: Der Präsident sah alleweil – sah unausgesetzt zu ihm her, mit einem forschenden Blick, der einen aus der Haut fahren machen konnte. Der ungeheure Mann war ganz ruhig – und nur seine blauen Augen, die staken ihm aus dem Kopfe. Und taten nichts und nichts als Syme fixieren …

      Bis Syme zumute wurde: gerad als müßte er zum Balkon hinabspringen. Ihm war unter des Häuptlings Blicken – als sei er durch und durch aus Glas. Hatte der Häuptling nicht auf irgendeine geheime außerordentliche Weise schon herausgefunden, daß er ein Spion – – Syme sah weg und sah zum Balkon hinab: und da unten, gerad da unten stand ein Policeman und starrte auf das lichte Geländer und in das sonnenlichterfüllte Laub – – –.

      Und dann überkam ihn jene große Versuchung, die ihn tagelang martern sollte. Angesichts dieser gewaltigen und schrecklichen Männer, dieser Fürsten des Anarchismus, hatte er sich der phantastischen, schwächlichen Figur des Dichters Gregory, des rein ästhetischen Anarchisten fast gar nicht mehr erinnert. Gedachte seiner nicht mehr als freundlich und zugeneigt – so als ob sie zusammen gespielt hätten, als sie noch Kinder waren. Aber nun auf einmal fiel ihm ein: daß er ja Gregory verpflichtet war – durch ein heilig Versprechen. Durch das heilige Versprechen: dieses nie zu tun – das er eben im Begriffe war zu tun. Er hatte zugeschworen, niemals über diesen Balkon hinabzuspringen und dann drunten was dem Schutzmann zu sagen. Er nahm seine kalte Hand fort von der kalten Steinbalustrade, Schwindelig war ihm um die Seele vor lauter moralischer Ünentschlossenheit. Er brauchte mit einem einzigen Riß nur den Faden eines einer Schurkenbande tollkühn geleisteten


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