Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha
Schlucken nippt er von dem köstlichen Getränk. Als er die Tasse zurücksetzt, klirrt sie auf der Glasplatte des Tisches.
Aus geweiteten Augen blickt Marina ihn an.
»Ist – ist dir nicht gut?« fragt sie unruhig. Sie hat sich erhoben.
Nervös streichen ihre Hände an dem leise raschelnden Kleid entlang. »Soll ich dir eine Tablette holen?«
Er winkt gelassen ab. Schon hat er sich wieder in der Gewalt.
»Entschuldige, Marina, mir ging einiges durch den Kopf«, versucht er die Stimmung zu retten. »Ich hätte mich nicht so gehen lassen dürfen.«
Da tut Marina etwas, was ihr selbst unbegreiflich ist. –
Sie tritt dicht an ihn heran, und ihre Hand fährt leicht über seinen Kopf. Ihre warme dunkle Stimme ist gültig. »Warum sollst du dich in deinem eigenen Haus nicht einmal gehen lassen dürfen? Und warum sollte ich das nicht sehen? Schließlich trage ich deinen Namen, und vor mir brauchst du dich wirklich nicht zu entschuldigen. Einem Mann wie dir gehen tausenderlei Probleme durch den Kopf. Ich verstehe das sehr gut.«
Er schließt die Augen. Marina hält das für Abwehr und zieht schnell ihre Hand zurück. Als er die Lider öffnet, sitzt sie wieder ihm gegenüber, hellwach, aber mit traurigen Augen.
Nicht tausend Probleme machen mich krank, sinnt er, nur ein einziges zerrt an meinen Nerven. Meine Liebe zu ihr ist es, mit der ich nicht mehr fertig werden kann. Sie hat nicht gesagt: »Schließlich bin ich deine Frau«, sondern, »schließlich trage ich deinen Namen.« Und darin allein liegt die Tragödie unserer Ehe.
»Noch eine Tasse?« hört er sie mit unsicherer Stimme fragen. Er nickt stumm, und schweigend füllt sie seine Tasse und reicht sie ihm mit einem verunglückten Lächeln.
»Es ist reichlich spät, Marina«, unterbricht er die Stille. »Du möchtest dich sicher hinlegen.«
»O nein«, widerspricht sie heftig. Wann hätte sie einmal in trauter Zweisamkeit mit dem Gatten gesessen? Jede Minute ist ihr kostbar. »Ich finde es sehr nett von dir, daß wir den Abend auf diese Weise ausklingen lassen.«
»Also ist dir meine Gesellschaft nicht unangenehm?« forscht er und bemerkt, wie sich ihr Gesicht mit Röte übergießt, wie sie unsicher und hilflos wird. In ihren Augen lodert es wie Zorn, als sie sich an ihn wendet.
»Wie kannst du so etwas sagen?«
»Ja, ja, ich weiß. Du trägst ja meinen Namen, du wohnst und lebst in meinem Hause, also ist es mein gutes Recht, bei dir Mokka zu trinken.« Hart setzt er die Tasse auf den Tisch und steht auf. »Es ist Zeit, Marina. Gute Nacht.«
Völlig durcheinandergebracht sieht sie der hohen Gestalt nach, hört die Tür ins Schloß fallen und bleibt wie gelähmt sitzen. Was hat sie nun wieder falsch gemacht? War das nicht bitterer Hohn?
Sie schlägt die Hände vor das Gesicht und weint bitterlich.
*
Nach diesem Gesellschaftsabend vergräbt Gellert sich mehr denn je in Arbeit. Sein Tagesablauf ist eine einzige Hetze. Vom Schreibtisch weg geht es in den Wagen, zum Flugzeug und zu stundenlangen Konferenzen. Nie war er erfolgreicher als jetzt, da ihn die Liebe zu seiner jungen Frau aus seinem Hause treibt. Marina lebt indessen still und zurückgezogen in dem prachtvollen Haus, das sie lieben gelernt hat und das ihr zur Heimat geworden ist. Jedes Plätzchen liebt sie, und in dem gepflegten Park kann sie stundenlang über die kiesbestreuten Wege gehen – oder auf der Terrasse im bequemen Liegestuhl träumen.
Annemarie und ihr Verlobter kommen häufig zu ihr. Es ist ihre einzige Abwechslung. Den Gatten hat sie nicht wieder zu sehen bekommen. Nachts liegt sie stundenlang wach, lauscht in die Dunkelheit und wird erst ruhig, wenn sie seinen Wagen vorfahren hört, wenn seine Schritte im Flur verklingen und eine Tür sich schließt.
Und doch spürt sie die Fürsorge des Gatten, seine Aufmerksamkeit und seine Freude am Schenken.
Nicht selten, daß ihr morgens das Mädchen ein Paket ans Bett bringt. Eine kostbare Abendtasche, ein selten schönes Schmuckstück, Taschentücher aus wertvollen Spitzen, ein origineller Seidenschal.
Sie freut sich daran und legt doch alles achtlos zur Seite. Nein! Damit kann er ihr Herz nicht erringen, wenn er überhaupt den Wunsch dazu verspürt. Ach, wie kann sie auf solche abwegige Gedanken kommen? Liebe? Mein Gott! Die gibt es nicht zwischen ihnen, dabei sehnt sie sich so innig danach. Alles, alles würde sie dafür hingeben, den ganzen prächtigen Rahmen, der sie umhüllt, allen Glanz und Reichtum. Irgendwo in kleinen Verhältnissen möchte sie mit ihm wohnen, möchte ihn dann verwöhnen, möchte an allem teilhaben, was ihn beschäftigt, möchte seine Interessen teilen und ihn dann mit Liebe überschütten.
Wenn Marina sich mit solchen Überlegungen zu quälen hat, flüchtet sie sich in Tränen. Wahre Fluten von Tränen sind es, und sie machen sie immer unglücklicher. Sie befindet sich in einem Zustand ständiger Erregung. Sie wird immer blasser und zarter, so daß es sogar Annemarie auffällt.
»Geht es dir nicht gut, Marina?« fragt sie besorgt und wechselt einen langen Blick mit Doktor Hartmann.
»Doch, doch«, wehrt sie heftig ab, doch Annemarie gibt keine Ruhe.
»Vielleicht sollten wir euren Hausarzt rufen lassen, Liebes«, schlägt Annemarie vor. »Dieser Doktor Steinecke ist doch ein sehr sympathischer Mann.«
»Was kann mir schon ein Arzt helfen«, protestiert Marina, aber es ist ein sehr schwacher Protest.
»Du gefällst mir wirklich nicht«, beharrt Annemarie mit dem Eigensinn, den Marina zur Genüge an der Freundin kennt. »Dein Mann würde dir auch einen Arzt kommen lassen –«
»Um Gottes willen!« Marina ist den Tränen nahe. »Ich fühle mich doch wohl, und mein Mann darf überhaupt nicht belastet werden. Er hat schon genug Sorgen, und seine Geschäfte lassen ihn so wenig zur Ruhe kommen.«
Annemarie schüttelt den Kopf.
»Dein Widerwille gegen einen Arzt ist mir unbegreiflich, Marina. Gerade jetzt mußt du körperlich Kräfte aufbauen, wenn du ein gesundes Kind zur Welt bringen willst, und mir scheint, daß du eher abbaust. Noch nie bist du mir so hinfällig erschienen wie gerade heute.«
»Es ist wirklich nichts Ernstliches, bitte, glaube mir doch. Ich schlafe nur sehr schlecht in letzter Zeit.« Marina versucht auf jede Weise, Annemarie von dem Gedanken abzubringen. Sie gerät immer mehr in Erregung, die Annemarie nicht verborgen bleiben kann.
Schließlich mischt Doktor Hartmann sich in das Gespräch.
»Wenn Marina nicht will, dann quäle sie nicht, Annemarie. Schließlich muß es ihrem Mann doch zuerst auffallen. Er wird schon den richtigen Weg wählen.«
Marina wirft ihm einen dankbaren Blick zu, so wie sie ihn vorher hilfesuchend angesehen hat. Und er hat sofort reagiert.
»Ihr bleibt doch zum Abendessen meine Gäste?« lenkt Marina ab, und diese Einladung wird gern angenommen.
Doktor Hartmann frohlockt. »Nun habe ich meine vielbeschäftigte Annemarie wenigstens für ein paar Abendstunden für mich. Ewig ist sie beruflich unterwegs, und wir sprechen uns nur noch telefonisch. Ich möchte nur wissen, wie das werden wird, wenn wir verheiratet sind«, stöhnt er. »Hätte ich mir bloß nicht das Versprechen abnehmen lassen, daß Annemarie weiterhin ihren Beruf ausüben darf.«
Lächelnd blickt Marina von einem zum anderen. Sie verfolgt die nie ernstzunehmenden Neckereien des Brautpaares amüsiert. Immer bringen sie einen Hauch von Frische ins Haus, eine angenehme Abwechslung in ihrer Einsamkeit.
Träumerisch blickt Marina ins Weite. Nachdenklich meint sie: »Ich finde es einfach ideal, wenn zwei Menschen beruflich so vielseitige Interessen
haben. Da gibt es doch immer Be-rührungspunkte, Berührungspunkte, auf deren Ebene sich Menschen immer verstehen. Oder nicht?«
Antwortheischend sieht sie auf Annemarie, dann auf Doktor Hartmann.
»Das schon«,