Karin Bucha Paket 1 – Liebesroman. Karin Bucha
dich einer auf Schwung bringt. Sonst setzt du Fett an.«
»Und du wirst schöner und charmanter.« Er blickt verschmitzt auf Marina. »Daran trage ich natürlich auch die Schuld. Das macht die Liebe. Wie heißt es im Lied: ›Eine Frau wird erst schön durch die Liebe‹.«Annemaries Augen funkeln, und das ist immer ein gefährliches Zeichen, das Hartmann nur zu deutlich kennt. Er zieht den Kopf etwas ein, was Marina zu einem herzlichen Lächeln reizt.
»Hast du das gehört, Marina?« Und an den Verlobten gewandt: »Also bin ich deiner Meinung nach vorher ein potthäßliches Mädchen gewesen?«
»Aber, Liebling.« Er legt beteuernd die Hand aufs Herz. »Wäre ich sonst wie ein Hündcken hinter dir her gelaufen? Ich liebe nur schöne Frauen. Das nur zur Kenntnisnahme!« Annemarie zuckt mit den Achseln. »Hoffentlich laufen noch mehr von der Sorte herum.«
»Welche Sorte?« Er macht Augen wie ein Kind, voller Unschuld und Unwissenheit.
»Nun – schöne Frauen, denen du dasselbe wie mir gesagt hast.«
»Und mein Kind? Meine Susanne?«
»Ach, so ist das. Mich nimmst du als angenehmes Anhängsel mit in Kauf.«
»Sind wir denn im Orient?«
Annemarie ist auf der Hut. »Was soll denn das wieder heißen?«
»Nun, mein kluges Kind, dort kann man sich bekanntlich die Frauen kaufen.« Er seufzt abgrundtief. »Schade, daß diese Möglichkeit bei uns nicht mehr besteht.«
Annemarie fixiert ihren Verlobten entrüstet. »Hast du das gehört, Marina? Vielweiberei will er treiben.« Sie droht ihm mit der Faust. »Vielleicht hast du ja schon einige im Hintergrund?«
»Nur eine«, gesteht er treuherzig.
»E i n e ?« Ihre Augen werden kugelrund. Zunächst verschlägt es ihr die Sprache, was bei Annemarie allerhand bedeutet. »Nur eine? Wer ist es?«
»Susanne.«
Sie lacht und gibt ihm einen liebevollen Nasenstüber. »Sagte ich es nicht? Nie, nie, nie wirst du erwachsen werden.«
Hier schaltet sich Marina ein. »Ich finde, es wird immer in jedem Mann ein Junge verborgen bleiben. Und ist gerade das nicht schön?«
»Das habe ich aber bisher an deinem Mann nicht feststellen können.« Damit bringt sie Marina in die größte Verlegenheit. Was weiß sie schon von ihrem Manne?
»Das liegt wohl teilweise an der Veranlagung«, weicht sie aus.
Lachend schüttelt sich Annemarie. »Brr! Und ausgerechnet ich muß an einen solchen Mann geraten! Ist das nicht furchtbar? Dabei liebe ich das halbe Kind noch.«
»Wunderbar! Einfach wunderbar, Liebes«, jubelt Doktor Hartmann, zieht seine Braut an sich und küßt sie herzhaft ab.
Es ist nicht Neid, was Marina bei diesem Anblick überfällt, aber Wehmut. So glücklich, heiter und sorglos wäre sie auch sehr gern.
Schnell erhebt sie sich. »Ich werde in der Küche Bescheid sagen, daß ihr zum Abendessen bleibt.«
Schnell, fast übertrieben hastig, verläßt sie ihren Salon, wo sie schon den Kaffee eingenommen haben.
Wie immer sieht sie die Freunde später sehr ungern scheiden und bittet sie, recht bald wiederzukommen.
Beschwingt, so unbeschwert, wie seit langem nicht, sucht sie ihre Zimmer auf, zieht sich in ihr Ankleidezimmer zurück und macht Toilette für die Nacht. Eine persönliche Bedienung hat sie sich von vornherein verbeten. Sie ist in den vier Wänden ihres kleinen, wenn auch kostbaren Reiches sehr gern allein.
Bei großer Abendtoilette nimmt sie gern Hilfe an.
Sie knipst die Nachtlampe über ihrem Bett an, nimmt ein Buch zur Hand und beginnt zu lesen. Diese Stunde, wenn es ruhig im Hause ist, liebt sie ganz besonders.
Kaum hat sie das Licht ausgemacht und sich bequem zurechtgelegt, hämmert es an ihrer Tür.
»Gnädige Frau, gnädige Frau! Ein dringender Anruf!«
Im Nu ist ihr Zimmer in helles Licht getaucht, und Marina ist hellwach.
»Augenblick, Clara, ich komme.«
Sie schwingt die Beine aus dem Bett und muß sich festhalten. Sie angelt vom nächsten Sessel ihr Morgenkleid und zieht es mit zitternden Händen über.
Sie eilt zur Tür. Das verstörte Gesicht Claras taucht vor ihr auf, dahinter erscheint Frau von Reimar, entsetzt und unwillig, daß das Mädchen die junge Frau geweckt hat. Längst hat sie als erfahrene Frau deren Zustand erkannt. Die Dienerschaft scheint noch ahnungslos. Marina versteht sich so großartig zu kleiden, sie stellt keine Sonderansprüche, sie zeigt nie Launen und ist nie von Übelkeit befallen.
Marina will ans Telefon eilen. Frau von Reimar hält sie zurück.
»Soll ich den Anruf abnehmen? Sie könnten sich unnütz aufregen.« Und dann fragt sie das Mädchen aus.
»Von wem kam der Anruf?«
Das Mädchen wirft einen unschlüssigen Blick von der Herrin zu der Hausdame.
»Wer hat mich zu sprechen gewünscht?« Marinas Stimme hat einen energischen Ton.
»Es war – es kam –«, das Mädchen verhaspelt sich immer mehr.
Marina schüttelt das Mädchen an den Schultern. Irgendein Unheil scheint mit Riesenschritten auf sie zuzukommen.
»So reden Sie doch endlich! Spannen Sie mich nicht auf die Folter!« schreit Marina außer sich.
Das Mädchen dreht unaufhörlich die Zipfel ihrer Schürze zwischen den Fingern.
»Es – es war die Privatklinik von Professor Eickberg«, flüstert es fast.
Marina taumelt ein wenig. Als Frau von Reimar sie stützen will, faßt sie sich.
»Was wollte er?«
»Nun – nun, die gnädige Frau sprechen.«
»Danke!«
Marina eilt, so schnell sie kann, über den langen Gang, die Freitreppe hinab, und verschwindet im Arbeitszimmer.
Der Hörer liegt auf dem Kacheltisch. Zögernd, widerwillig nimmt sie ihn hoch.
»Hier Marina Gellert.«
»Gnädige Frau – hier Professor Eickberg.«
»Ja, Herr Professor?« Marinas Stimme ist ohne Klang.
»Erschrecken Sie nicht, gnädige Frau – Ihr Gatte –«
»Was ist mit meinem Mann?« unterbricht sie ihn erregt.
»Ihr – Ihr Gatte wurde bei uns eingeliefert. Wenn Sie ihn morgen besuchen wollen, werde ich Sie gegen elf Uhr erwarten.«
Marina nimmt alle Kraft zusammen. »Kann ich nicht jetzt gleich kommen? Nur für ein paar Minuten. Ich bitte Sie, Herr Professor«, fleht Marina.
»Jetzt nicht. Verschieben Sie es auf morgen. Sie haben Ihre Nachtruhe sehr nötig«, kommt die abschließende Antwort.
Als wenn ich jetzt auch nur eine Minute Ruhe finden könnte.
Sehr, sehr langsam legt Marina auf.
*
In einem hellen, luftigen Zimmer der Privatklinik Professor Eickbergs liegt Generaldirektor Gellert in tiefer Bewußtlosigkeit. Man hat allerhand mit ihm angestellt, aber er will nicht erwachen. Der Professor hat den Fall in allen Einzelheiten mit seinem Mitarbeiterstab besprochen. Schädelbruch liegt nicht vor. Das steht fest nach gründlicher Untersuchung.
Die Diagnose lautet auf Gehirnerschütterung. Sorgen bereitet den Ärzten nur die tiefe Bewußtlosigkeit. Die Knochenbrüche haben sie eingerichtet und die Glieder in Gips gelegt.
Innere Verletzungen liegen nicht vor. Man muß Geduld haben, und deshalb