Dr. Daniel Staffel 2 – Arztroman. Marie Francoise
abend bekommst du von deinem Onkel Robert noch mal ein Zäpfchen, und bis morgen früh geht’s dir dann bestimmt schon wieder besser.«
»Sie sind nett«, murmelte Carmen, dann schlief sie ein.
»Ich bin froh, daß du gekommen bist«, erklärte Dr. Daniel, während er und Dr. Metzler leise das Zimmer verließen. »Ich selbst bin für solche Fälle nicht eingerichtet.«
Dr. Metzler schmunzelte. »Das glaube ich gern. Als Gynäkologe wirst du mit derlei Dingen auch kaum zu tun haben.«
»Stimmt.« Dr. Daniel warf einen raschen Blick zur Uhr.
»Meine Güte, jetzt muß ich aber schauen, daß ich in die Praxis hinunterkomme. Da wird heute allerhand los sein, nachdem die Vormittagssprechstunde ausgefallen ist.«
»Das glaube ich gern«, meinte Dr. Metzler. »Aber ich muß mich auch beeilen. In der CHEMCO wartet man sicher schon auf mich.«
*
Voller Angst sah Cornelia Schalk ihrem Gespräch mit Professor
Thiersch entgegen. Alle Untersuchungen waren durchgeführt, und die Ergebnisse lagen dem Chefarzt nunmehr vor. Deshalb hatte er sie für den frühen Nachmittag zu sich bestellt.
Cornelia fühlte sich ein wenig unbehaglich in ihrem Morgenmantel, andererseits hatte sie Hemmungen gehabt, Rock und Bluse anzuziehen. Immerhin war sie ja nach wie vor Patientin.
»Da sind Sie ja endlich«, erklärte Professor Thiersch zur Begrüßung, obwohl Cornelia überpünktlich gewesen war. »Setzen Sie sich.«
Nur zu gern kam Cornelia dieser Auffordeung nach. Ihre Knie zitterten schon ganz entsetzlich.
»Ich halte nicht viel davon, Patienten unnötig auf die Folter zu spannen«, fuhr Professor Thiersch fort. »Also eines gleich vorweg – Sie haben keinen Krebs.«
Cornelia atmete auf, doch dann ließen sich die Tränen der Erleichterung nicht mehr zurückhalten.
»Verzeihen Sie«, schluchzte sie und versuchte vergeblich, der vielen Tränen Herr zu werden, die über ihre Wangen liefen. »Ich hatte so entsetzliche Angst.«
»Verständlicherweise«, knurrte Professor Thiersch unwillig. Er haßte weinende Frauen. Trotzdem ließ er sich zu Worten hinreißen, die bisher nur selten jemand von ihm gehört hatte. »Lassen Sie sich nur Zeit, und weinen Sie sich richtig aus.«
Mit einem zaghaften Lächeln, das um so rührender wirkte, weil noch immer Tränen über ihr Gesicht liefen, sah Cornelia den Professor an.
»Sie sind ein netter Mensch«, meinte sie.
Professor Thiersch rückte energisch an seiner dicken Hornbrille.
»So?« grummelte er. »Mit dieser Meinung dürften Sie ziemlich allein dastehen.«
»Möglich«, stimmte Cornelia zu. »Weil Sie kaum jemanden durch ihre harte Schale hindurchsehen lassen.«
Professor Thiersch nickte knapp. »Das reicht jetzt aber.« Er blätterte so heftig in der Krankenakte, als hätte er eine besondere Wut auf das unschuldige Papier. »Die Untersuchungen haben ergeben, daß Sie an einem gutartigen Tumor leiden, der in der Gebärmutter liegt. Erfahrungsgemäß können sich solche Wucherungen plötzlich bösartig verändern, deshalb werden wir Anfang nächster Woche eine Operation vornehmen. Auch für Ihre Druckschmerzen im Unterbauch haben wir eine… nein, eigentlich gleich zwei Erklärungen gefunden. Sie leiden zum einen an Darmpolypen, die Dr. Scheibler bei der Koloskopie gleich entfernt hat. Zum anderen ist ihr Blinddarm gereizt und strahlt in die linke Seite aus. Das kommt gelegentlich vor. Diesen gereizten Burschen werden wir im Rahmen der Operation ebenfalls gleich entfernen.«
Trotz der verhältnismäßig guten Nachrichten war Cornelia ein bißchen enttäuscht. Nachdem Professor Thiersch gesagt hatte, sie wäre nicht an Krebs erkrankt, hatte sie gedacht, sie könnte noch heute aus der Klinik entlassen werden, und nun hieß es, sie müsse operiert werden. Und allem Anschein nach war es auch noch eine sehr große Operation.
»Wenn man diesen Tumor und den Blinddarm entfernt… ist das gefährlich?« fragte Cornelia ein wenig zaghaft.
»Nicht gefährlicher als jeder andere Eingriff«, erklärte Professor Thiersch. »Jede Operation birgt ihre Gefahren, aber Sie können unbesorgt sein – mein Team hat sehr viel Erfahrung.«
Die Worte beruhigten Cornelia nicht vollends, und sie nahm sich vor, mit Dr. Scheibler darüber zu sprechen. Noch lieber hätte sie Dr. Daniel um Rat gefragt, doch sie wagte es nicht, einfach in seiner Praxis anzurufen. Immerhin war sie ja nur ein einziges Mal bei ihm gewesen.
Doch Dr. Daniel schien ihre Gedanken erraten zu haben. Noch am selben Abend trat er nach kurzem Anklopfen in ihr Zimmer.
»Störe ich?« frage er lächelnd.
Erfreut richtete sich Cornelia im Bett auf. »Herr Doktor! Das ist aber eine Überraschung! Hatten Sie hier in München zu tun?«
Dr. Daniel schüttelte den Kopf. »Ich wollte sehen, wie es Ihnen geht.«
Cornelia konnte kaum glauben, was sie gerade gehört hatte. »Sie wollten… aber… ich war doch nur ein einziges Mal bei Ihnen. Ich dachte, Sie würden sich nicht einmal mehr an mich erinnern.«
Dr. Daniel holte sich einen Stuhl an Cornelias Bett und setzte sich. »Da kennen Sie mich aber schlecht. Erstens habe ich ein sehr gutes Namensgedächtnis, und zweitens liegt mir das Schicksal meiner Patienten sehr am Herzen. Ich hätte Sie auch schon früher besucht, aber es gab in Steinhausen einige Zwischenfälle, die meine Anwesenheit erforderten.« Jetzt lächelte er wieder. »Ich muß gestehen, daß ich bereits bei Professor Thiersch war. Ich kenne die gute Nachricht also schon.«
Melancholie breitete sich auf Cornelias Zügen aus. »Gut? Ich weiß nicht so recht, Herr Doktor.« Sie zögerte. »Ich muß operiert werden.«
Dr. Daniel nickte. »Weder mit einem gereizten Blinddarm noch mit einem vorerest gutartigen Tumor ist zu scherzen, Frau Schalk. Professor Thiersch ist bestimmt kein Arzt, der wegen jeder Kleinigkeit zum Skalpell greift. Wenn er zu einer Operation rät, dann ist sie auch angezeigt.«
Cornelia seufzte. »Wahrscheinlich haben Sie recht, aber… wissen Sie, ich dachte, ich könnte heute noch nach Hause.«
»Ich weiß schon, daß ein Krankenhausaufenthalt nicht angenehm ist«, erklärte Dr. Daniel verständnisvoll. »Aber es ist doch besser, jetzt noch ein Weilchen hierzubleiben, bevor Sie in ein paar Wochen womöglich als Notfall eingeliefert werden müssen. Ein gereizter Blinddarm kann sich nämlich verdammt schnell entzünden.«
Verlegen senkte Cornelia den Kopf. »Ich bin schrecklich ungeduldig, nicht wahr?«
Da griff Dr. Daniel nach ihrer Hand und drückte sie sanft. »So schlimm ist es nicht. Und es ist nur zu verständlich, daß Sie wieder nach Hause wollen.« Prüfend sah er Cornelia an und bemerkte, daß sie noch etwas auf dem Herzen hatte. »Was ist denn, Frau Schalk?«
Cornelia atmete tief durch. »Nach dieser Operation… kann ich da noch Kinder haben?«
Dr. Daniel fuhr sich mit einer Hand durch das lichte blonde Haar. »Das ist eine Frage, die ich nicht so einfach beantworten kann. Man muß abwarten, welche Ausmaße der Tumor in Ihrer Gebärmutter hat und wo er liegt. Aber nach der Operation kann Professor Thiersch Ihnen sicher eine Antwort geben.«
Diese Auskunft befriedigte Cornelia nicht, aber sie sah ein, daß Dr. Daniel als verantwortungsbewußter Arzt nichts anderes sagen konnte. Er durfte ihr keine Hoffnungen machen, die sich vielleicht nicht erfüllen würden.
*
Dr. Daniel nutzte seinen Aufenthalt in München, um seinem besten Freund Dr. Georg Sommer noch einen kleinen Besuch abzustatten.
»Wenn du mir jetzt noch Arbeit aufhalst, dann lasse ich dich nie wieder in meine Klinik«, drohte Dr. Sommer, nachdem die Freunde sich begrüßt hatten.
»Das sind ja schreckliche Aussichten«, meinte Dr. Daniel grinsend. »Aber keine Angst,