Dr. Daniel Staffel 2 – Arztroman. Marie Francoise

Dr. Daniel Staffel 2 – Arztroman - Marie Francoise


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ist praktisch nur ein Tropfen auf den heißen Stein.«, fügte Dr. Daniel hinzu.

      Rainers Hirn arbeitete fieberhaft, und dann sah er Dr. Daniel und Dr. Metzler mit plötzlicher Entschlossenheit an.

      »Also schön, machen wir Nägel mit Köpfen«, erklärte er. »Ich stelle euch das Grundstück zur Verfügung und übernehme die Finanzierung.«

      »Bist du verrückt?« entfuhr es Dr. Metzler.

      Doch Rainer schüttelte den Kopf. »Ganz und gar nicht. Imerhin kommt der Klinikbau ja vorwiegend mir und meiner Firma zugute.«

      »Aber Sie scheinen keine Ahnung zu haben, was ein solcher Bau kostet«, wandte Dr. Daniel ein. »Das ist mit fünf- oder sechshunderttausend Mark nicht abgetan.«

      Rainer nickte. »Das weiß ich, und ich bin ziemlich sicher, daß ich die benötigte Summe aufbringen kann. Aber für alle Fälle sollten wir uns bei der Gemeinde absichern. Wenn ich das Grundstück stelle, kann sie einen Teil der Finanzierung übernehmen. Ich werde das morgen früh gleich mit dem Bürgermeister besprechen.«

      »Ohne Gemeinderat wird er niemals zustimmen«, gab Dr. Metzler zu bedenken. »Er windet sich ohnehin wie ein Aal, wenn er das Wort ›Geld‹ hört.«

      »Das ist nicht mehr euer Problem«, meinte Rainer. »Kümmert ihr euch um die Erstellung der Pläne – alles andere laßt meine Sorge sein.«

      »Rainer…«, begann Dr. Daniel ergriffen.

      »Bitte danken Sie mir nicht«, fiel Rainer ihm sofort ins Wort. »Gerold Brücks Tod lastet zentnerschwer auf mir, und wenn ich durch den Bau dieser Klinik vielleicht ein weiteres Unglück verhindern kann, dann wird mich nichts und niemand davon abhalten, diesen Bau zu finanzieren.« Er rang einen Moment mit sich, dann stellte er die Frage, die ihm seit jenem schrecklichen Unfall im Herzen brannte. »Was wird denn jetzt aus… Carmen? Wissen Sie das schon?«

      »Die Kleine lebt im Augenblick bei mir«, antwortete Dr. Daniel. »Ich habe das Sorgerecht beantragt und denke, daß ich es auch bekommen werde. Machen Sie sich um das Kind keine Gedanken, Rainer.«

      Rainer schluckte. »Ich… ich würde sie adoptieren, aber…« Er brachte den Satz nicht zu Ende.

      »Ich glaube nicht, daß das gut wäre«, meinte Dr. Daniel. »Carmens ständige Anwesenheit würde für Sie immer eine stumme Anklage darstellen – auch wenn Sie an dem Unfall keine Schuld tragen. Und umgekehrt würde Carmen Ihnen vielleicht insgeheim die Schuld am Tod ihres Vaters geben. Sie weiß vorerst ja nur, daß ihr Vater in der CHEMCO gestorben ist und daß Sie der Chef dieser Firma sind. Ich glaube, eine Adoption würde weder Sie noch Carmen glücklich machen.«

      Rainer nickte. »Wahrscheinlich haben Sie recht, aber… wenn das Mädchen irgend etwas braucht… gleichgültig, was es ist und wieviel es kostet – bitte, wenden Sie sich an mich. Was passiert ist, kann ich nicht ungeschehen machen, und im Grunde habe ich mir auch nichts vorzuwerfen. Trotzdem möchte ich der Kleinen zumindest ein sorgenfreies Leben gewährleisten – wenn sie schon ohne Eltern aufwachsen muß.«

      *

      Langsam ging Carmen Brück durch die Grabreihen. Es war das erste Mal seit der Beerdigung, daß sie den Weg zum Friedhof fand, und sie hatte ein bißchen Angst davor, ganz allein vor dem Grab zu stehen, in dem jetzt auch ihr Vater lag.

      Die vielen Kränze jagten Carmen einen Schauer über den Rücken. Sie hatte das Gefühl, als müßten die Blumen ihren Vater erdrücken.

      »Vati«, flüsterte sie, und dabei liefen Tränen über ihre Wangen. »Wie konntest du mich nur ganz allein lassen?« Sie vergrub das Gesicht in den Händen und begann haltlos zu schluchzen. Tränen tropften durch ihre Finger.

      In diesem Moment fühlte Carmen eine Hand auf ihrer Schulter und fuhr erschrocken herum.

      »Warum hast du mir nichts gesagt?« fragte Dr. Daniel behutsam, während er das weinende Mädchen in die Arme schloß. »Ich hätte dich doch begleitet. Der Weg hierher ist für dich allein noch viel zu schwer, Kleines.«

      Es dauerte eine ganze Weile, bis Carmens Tränen langsam versiegten, dann sah sie zu Dr. Daniel auf.

      »Ist es… wahr, Onkel Robert?« wollte sie leise wissen. »Mußte Vati wirklich nur sterben, weil der Krankenwagen zu lange brauchte?«

      Dr. Daniel erschrak zutiefst. Er hatte sich so bemüht, diese schreckliche Wahrheit vor Carmen zu verbergen.

      »Wer sagt das?« brachte er ein wenig mühsam hervor.

      Carmen schluckte. »Die Mädchen aus meiner Klasse… alle reden darüber. Sie sagen, daß Dr. Metzler nichts tun konnte und daß er schrecklich wütend auf den Krankenwagen war.« Mit tränennassen Augen sah sie zu Dr. Daniel auf. »Es ist also wahr.«

      Dr. Daniel atmete tief durch. »Ja, Carmen, es ist wahr. Dein Vati war schwer verletzt, aber er hätte nicht sterben müssen, wenn sich der Krankenwagen nicht verspätet hätte. Die Männer, die ihn fuhren, konnten aber nichts dafür. Auf der Bundesstraße ist ein Lastwagen umgekippt und hat beide Fahrbahnen blockiert.«

      Lange dachte Carmen über diese Worte nach, dann nickte sie sich selbst zu.

      »Wahrscheinlich hat der liebe Gott ihn zu sich geholt, weil Mutti so einsam war«, murmelte sie. Wieder blickte sie zu Dr. Daniel auf. »Glaubst du, daß es so war?«

      Das Herz wurde Dr. Daniel schwer bei diesen Worten, doch er zwang sich zu einer Antwort.

      »Ja, Carmen, vielleicht war deine Mutti wirklich sehr einsam da oben.«

      Carmen nickte. »Mutti und Vati haben sich sehr lieb gehabt, und Vati war oft schrecklich traurig. Sie waren beide nicht gern allein, und jetzt sind sie wieder zusammen.« Wie schutzsuchend schob sie eine Hand in Dr. Daniels Rechte. »Und ich habe ja dich, Onkel Robert.« Dabei zwang sie sich so verzweifelt, tapfer zu sein und nicht zu weinen. Doch ganz ließen sich die Tränen nicht zurückhalten.

      Liebevoll nahm Dr. Daniel sie in den Arm und begleitete sie fürsorglich vom Friedhof zurück. Jetzt war er froh, daß er mit dem Auto heruntergefahren war. Auf diese Weise ersparte er Carmen den Weg durch den Ort. Und als sie die Villa erreicht hatten, brachte Dr. Daniel das erschöpfte Mädchen nach oben in ihr Zimmer. Es dauerte keine fünf Minuten, bis sie fest eingeschlafen war.

      *

      Es dauerte fast vier Wochen, bis Rainer Bergmann sich bei Dr. Daniel meldete. In der Zwischenzeit hatte Dr. Metzler schon mehrfach die Befürchtung geäußert, Rainer würde sein Versprechen doch nicht wahrmachen, aber Dr. Daniel hatte felsenfest an die Zusage des jungen Mannes geglaubt.

      »Ich möchte mich heute mit Ihnen und Wolfgang zusammensetzen«, erklärte er. »Es gibt einiges zu besprechen.«

      »Das denke ich auch«, stimmte Dr. Daniel zu. »Kommen Sie heute abend zu mir. Wolfgang wird auch hier sein.«

      Als Rainer gegen sieben Uhr abends bei der Villa von Dr. Daniel eintraf, war Dr. Metzler schon zugegen. In gespannter Erwartung sah er dem Freund entgegen.

      »Du hast mich praktisch jeden Tag gesehen«, meinte Rainer, als sie sich am Wohnzimmertisch gegenübersaßen. »Warum hast du mich nie auf die Klinik angesprochen?«

      Dr. Metzler zuckte die Schultern. »Ich wollte dich nicht drängen.«

      Da lächelte Rainer. »Gib zu, daß du gedacht hast, ich würde letzten Endes doch noch einen Rückzieher machen. Ich spüre, daß du den Bergmanns immer noch nicht traust.«

      Dr. Metzler errötete. »Also schön, du hast recht. Und ich sehe auch ein, daß ich unrecht hatte. Aber jetzt spann uns nicht länger auf die Folter.«

      Rainer holte eine Mappe aus seinem Aktenkoffer. »Hier sind die Genehmigungen von der Gemeinde und vom Landratsamt. Ich habe meinen ganzen Einfluß geltend gemacht, sonst wäre es sicher nicht so schnell gegangen, wobei der härteste Kampf natürlich mit der Gemeinde auszufechten war.«

      Völlig fassungslos, aber doch mit leiser Bewunderung sah Dr. Daniel den jungen Mann vor sich an.


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